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Frage von Klaus-Peter S. •

Frage an Marcus Weinberg von Klaus-Peter S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Weinberg,

aufgrund der sich verschärfenden Krise in der Ukraine und der Krim durch die Machtspiele von Wladimir Putin, hört man von möglichen Sanktionen gegenüber Russland. Ich halte derartige Gedankenspiele in unserer Situation für völlig absurd! Auf alle Fälle kann Putin notfalls länger auf das fehlende Geld aus den Gaslieferungen verzichten, als Europa auf das Russengas. Wie ist Ihre Einschätzung gegenüber möglichen Sanktionen? Unsere Politiker haben durch ihre strategischen Entscheidungen Deutschland erst vor kurzem von den Gaslieferungen der Russen abhängig gemacht. War das eine kluge Entscheidung?
http://www.stern.de/panorama/umstrittenes-projekt-deutschland-und-russland-eroeffnen-ostsee-pipeline-1748657.html

Ist Deutschland existenziell dauerhaft erpressbar geworden? Den Gashahn kann man schnell abdrehen wenn man in Ungnade fällt.In der Ukraine hat man schon mal diese Erfahrung machen müssen!

Mit freundlichem Gruß
Klaus-Peter Steinberg

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parteilos

Sehr geehrter Herr Steinberg,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Sie fragen mich darin nach der Sinnhaftigkeit von Sanktionen gegenüber Russland und einer möglichen Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas. Im Folgenden möchte ich kurz auf die Lage in der Ukraine eingehen und versuchen Ihre Fragen zu beantworten.

Mit großer Sorge blicken wir auf die Geschehnisse in der Ukraine. Durch die revolutionären Umbrüche ist die bisherige Regierung verdrängt, die neue aber ist noch nicht überall im Land handlungsfähig. Umso bitterer ist es, dass Russland als übermächtiger Nachbar der Ukraine diese Situation ausnutzt und – wie völlig aus der Zeit gefallen – territoriale Geländegewinne anstrebt, in-dem es völkerrechtswidrig die Krim besetzt und von der Ukraine abzuspalten versucht. Verhaltensmuster wie vor 100 Jahren, als sich die Staaten Europas aus machtpolitischem Kalkül und rein nationalen Interessen in einen Krieg hineinziehen ließen, der unseren Kontinent an den Abgrund geführt hat, sind der falsche Weg. Die Zukunft unseres Kontinents muss auf anderen Pfeilern ruhen: Frieden, Souveränität, Verständigung, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Freiheit.

Deswegen werden wir alles tun, damit die Situation auf der Krim und der Ukraine als Ganzes auf politischen Wegen einer guten Lösung zugeführt wird. Wir werden dabei besonnen vorgehen und weder den Menschen in der Ukraine unerfüllbare Versprechungen machen noch unsere eigenen Möglichkeiten überschätzen. Ebenso klar ist aber auch: Wir werden alles tun, um die Lage der Menschen in der Ukraine zu verbessern. Sie haben sich mutig und entschieden für einen proeuropäischen Kurs ihres Landes eingesetzt. Dies zeigt auch die Attraktivität unseres europäischen Modells und unserer westlichen Werte. Die milliardenschweren Hilfszusagen der Europäischen Union sind ein richtiges und ermutigendes Zeichen.

Gegenüber Russland bleibt die Bundesregierung bei ihrer klaren Linie und schöpft alle diplomatischen und politischen Möglichkeiten aus, die ihr zur Verfügung stehen. Die Sanktionen sind folgerichtig und ein klares Zeichen unsererseits, dass wir das Vorgehen Russlands als völkerrechtswidrig ansehen und verurteilen.

Zwar werden immer wieder Stimmen laut, die eine Reaktion der russischen Seite befürchten, die ein Lieferstopp von russischem Gas nach Europa zur Folge hätte. Allerdings sehe ich derzeit wenig Grund zur Sorge.

Nach Angaben der Internationalen Energieagentur deckt die EU im Schnitt 34 Prozent Ihres Erdgasbedarfs mit Gas aus Russland. Im Falle Deutschlands sind es sogar 37 Prozent. Diese Zahlen klingen im ersten Moment beunruhigend, jedoch sollte man diese Zahlen differenziert betrachten.

Während die osteuropäischen Staaten fast vollständig von russischen Gaslieferungen abhängig sind, sind Länder im Westen Europas zu einem großen Teil gänzlich unabhängig von russischem Gas. Länder wie Spanien, Portugal, das Vereinigte Königreich Großbritannien, die Niederlande oder Norwegen fördern selber Gas oder beziehen ihr Gas in ausreichender Menge aus anderen Quellen bzw. Ursprungsländern. Pipelines sind innerhalb Mittel- und Westeuropas gut ausgebaut und in ausreichendem Maße vorhanden, um Gaslieferungen in Richtung Deutschland zu gewährleisten. Ein „Gasembargo“ Russlands würde somit die osteuropäischen Staaten viel härter treffen als die mittel- und westeuropäischen Staaten.

Dank einer klugen und vorausschauenden Energiepolitik ist Deutschland nicht mehr so abhängig von Gas, wie noch vor einigen Jahren – nicht zuletzt dank der Energiewende. Deutschland bezieht zwar einen erheblichen Teil seines Erdgases aus Russland, verfügt aber über Mittel und Kapazitäten, um ein Ausbleiben russischer Erdgaslieferungen zu kompensieren, wie vor kurzem der EU-Energiekommissar, Günther Oettinger in einem Interview mit der Deutschen Welle darstellte; Dank eines milden Winters sind die Erdgasspeicher in Deutschland noch gut gefüllt. Diese Reserven würden für einige Zeit den Bedarf decken können, insbesondere jetzt in der nahenden warmen Jahreszeit. Zudem wären kurzfristige Lieferungen aus anderen Ländern, wie bspw. Norwegen oder Algerien denkbar. Und in Deutschland haben wir den besonderen Fall, dass Erdgas lediglich zum Ausgleich von Bedarfsspitzen benötigt wird. Laut Experten des brüsseler Thinktanks „Bruegel“ könnte durch Erdöl auch kurzfristig der Bedarf hierfür gedeckt werden.

Unterm Strich lässt sich somit festhalten, dass Deutschland nicht so abhängig von russischem Gas ist, wie es uns die Zahlen vielleicht auf den ersten Blick glauben lassen möchten. Aber auch Russland ist aus eigenem Interesse gut daran beraten das Mittel eines Exportstopps für Erdgas nicht anzuwenden. Nach Berechnungen des US-Amts für Energiestatistik (EIA) hat Russland im Jahr 2012 Gas im Wert von 68 Milliarden Euro exportiert, 70 Prozent davon in Mitgliedstaaten der EU. Mit einem Exportstopp würde Russland sich somit selber wirtschaftlich erheblichen Schaden zufügen. Man kann also davon ausgehen, dass auch Russland diese Option nur als ultima ratio in Erwägung ziehen wird. Und hierfür gibt es derzeit keine Anzeichen.

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort behilflich sein und Ihnen Ihre Sorge bezüglich einer Abhängigkeit Deutschlands von russischen Gaslieferungen nehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Marcus Weinberg