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Frage von Hans D. B. •

Frage an Marcus Weinberg von Hans D. B. bezüglich Finanzen

Bei der Abstimmung zum Rettungsfonds: Stimmen Sie mit gesundem Menschenverstand gegen weitere Belastung zukünftiger deutscher Generationen, oder retten Sie der eigenmächtigern Kanzlerin ihre Mehrheit?

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Sehr geehrter Herr Biebau,

vielen Dank für Ihre Frage vom 15.09.2011 zur aktuellen EU-Finanzpolitik. Vorneweg: Ich kann Ihre Sorgen über die Lage der gemeinsamen europäischen Währung in Teilen nachvollziehen. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns an einer Wegscheide in Bezug auf die Zukunft des Euro befinden. Es gilt, jetzt die richtigen Lehren aus den Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre zu ziehen. Und dort bin ich vorsichtig optimistisch, denn Deutschland und die EU werden auch weiterhin gemeinsam dafür Sorge tragen, dass uns der Euro als stabile Währung erhalten bleibt.

Dazu wurden am 21. Juli 2011 auf dem Euro-Sondergipfel der EU wichtige Weichenstellungen für die Stabilität unserer Währung getroffen. In vielen Gesprächen und in enger Abstimmung mit unseren französischen Nachbarn konnte vor allem erreicht werden, dass sich private Kreditgeber an den Maßnahmen beteiligen. Das war eine deutsche Kernforderung genauso wie die Ablehnung der Einführung so genannter Eurobonds (Gemeinschaftsanleihen), die anderenfalls dazu geführt hätten, dass die deutschen Zinszahlungen deutlich angestiegen wären. Der Sondergipfel stand angesichts der Verschuldungskrise in einigen Euro-Ländern unter großem Handlungsdruck. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen hätte die Gefahr bestanden, dass auch andere Staaten von der Krise erfasst werden.

Die Entwicklungen der letzen Monate hat noch einmal offen gelegt, dass der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht das geleistet hat, was wir von ihm ursprünglich erwartet haben: Er konnte die Überschuldung einzelner Euro-Länder nicht verhindern. Er war weder dafür ausgelegt, geschönte Haushaltszahlen noch wirtschaftliche Fehlentwicklungen bei der Wettbewerbsfähigkeit oder Banken- und Immobilienblasen frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Eine Währungsunion ist aber nicht zum Nulltarif zu haben. Allerdings kann sie nur funktionieren, wenn jedes Mitgliedsland aus eigener Kraft wettbewerbsfähig ist und solide wirtschaftet. Daher verbessern wir mit der Schärfung des Stabilitätspakts und der Einführung des Euro-Plus-Pakts die Rahmenbedingungen für eine stabile und wettbewerbsfähige Währungsunion. Akut in Schwierigkeiten geratene Euro-Länder müssen aber kurzfristig von ihren Partner unterstützt werden. Ein sonst möglicher Flächenbrand hätte wie bereits erwähnt unabsehbare Folgen für ganz Europa und damit auch für die deutsche Wirtschaft und unsere öffentlichen Haushalte. Dieser Weg ist damit alternativlos. Ziel aller jetzigen und zukünftigen Maßnahmen darf aber nur die zielgerichtete Krisenhilfe sein.

Und genau dafür brauchen wir einen verlässlichen und transparenten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Dabei möchte ich betonen, dass dieser an ein strenges wirtschafts- und finanzpolitisches Anpassungsprogramm und an eine rigorose Schuldentragbarkeitsanalyse geknüpft wird, die die Europäische Kommission und der IWF in Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank durchführen. Der ESM ist also keine bequeme Gelegenheit für schlecht haushaltende Euro-Staaten, an billige Kredite zu kommen: Finanzhilfen werden nur bereitgestellt, wenn eine solche Maßnahme zur Wahrung der Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt als unerlässlich erachtet wird. Die Gewährung von Finanzhilfen wird in Form von Darlehen gewährt und strengen Auflagen unterliegen.

Die innenpolitischen Verwerfungen in allen betroffenen Ländern zeigen im Übrigen, dass die Sanierungsauflagen alles andere als bequem sind. Griechenland hat in zwei Sparpaketen beispielsweise die Anhebung der Mehrwertsteuer auf 23 Prozent, die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 65 Jahre, die Streichung des 13. und 14. Jahresgehalts im öffentlichen Dienst oder auch die Erhöhung der Steuereinnahmen durch verschärfte Kontrolle bereits beschlossenen. Hinzu kommen Einsparungen im allgemeinen Haushalt in Höhe von 78 Milliarden Euro bis 2015 sowie Privatisierungserlöse von 50 Milliarden Euro bis ebenfalls 2015.

In die Schieflage gelangte Staaten aus der Euro-Zone herauszunehmen, halte ich für nicht sinnvoll. Die Idee Helmut Kohls, durch eine gemeinsame Währung unser Europa noch stärker miteinander zu verbinden, würde dadurch keinen Bestand haben. Sinn und Ziel der EU ist es nicht, in „schlechte“ und „gute“ Staaten zu unterteilen, sondern gemeinsam im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder auch militärischem Bereich zu handeln. Nach geltendem EU-Recht kann kein Haushaltssünder gezwungen werden, aus der Eurozone auszutreten. Zudem wäre der Schaden für alle Euro-Länder – also auch für Deutschland – groß, wenn auf die Eurozone nicht dauerhaft Verlass wäre. Ein Ausschluss bzw. ein Austritt aus der Eurozone und die Einführung einer eigenen Währung würden auch nicht dazu führen, dass die Schulden verschwinden. Im Gegenteil: Die nach wie vor in Euro notierten Auslandsschulden würden bei einer Abwertung der neuen Währung steigen, die Bedienung würde schwerer. Damit droht, dass ein Staatsbankrott nur verschleppt, aber nicht verhindert würde.

Damit bestünde auch eine ernste Gefahr für deutsche Banken und damit letztlich für die Einlagen der deutschen Sparer. So halten beispielsweise allein deutsche Banken Staatsanleihen von Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien im Wert von insgesamt rund 500 Milliarden Euro. In Griechenland sind dies konkret ca. 18 Milliarden Euro von deutschen Banken (u.a. KfW 8,4 Milliarden, Commerzbank 2,9 Milliarden, Deutsche Bank 1,6 Milliarden, LBBW 1,4 Milliarden und die DZ Bank mit 1,0 Milliarde Euro), 7,4 Milliarden Euro vom Bankenrettungsfonds SoFFin und ca. 2,8 Milliarden Euro von den deutschen Versicherungen ohne Lebensversicherungen (z. B. Münchener Rück mit 1,1 Milliarden oder die Allianz mit 200 Millionen Euro). Dass darüber hinaus die EZB griechische Anleihen für ca. 40 Milliarden Euro angekauft und griechischen Banken ca. 100 Milliarden Euro gegen Sicherheiten geliehen (größtenteils griechische Aktien) hat, möchte ich hierbei nicht unerwähnt lassen. Da Staatsanleihen wegen des normalerweise sehr geringen Risikos im Allgemeinen als besonders sicher gelten, sind sie auch darüber hinaus Bestandteil in vielen Lebensversicherungen und Vorsorgeplänen. Bei einem Staatsbankrott hätten diese Anlagen ihren Wert und damit auch deutsche Sparerinnen und Sparer Teile ihrer Altersvorsorge verloren.

Ich bin der Meinung, dass das jetzige Handeln der EU und auch der Bundesregierung richtig ist. Eine immer wieder in die Diskussion eingebrachte Transferunion wäre insbesondere für die finanz- und wirtschaftsstarken Mitgliedsstaaten der EU mit noch höheren Kosten verbunden, als wir ohnehin jetzt bereits unter Umständen zahlen werden. Aufgabe der Politik ist es sicherzustellen, dass die institutionellen Arrangements der Europäischen Währungsunion einschließlich der beschlossenen Stabilisierungsmechanismen in der Lage sind, die Eurozonen-Mitglieder zu einer Finanz- und Haushaltspolitik zu verpflichten, die der gemeinsame Verantwortung für den Euro Rechnung trägt. Dieses Bekenntnis zu einer gemeinsamen Verantwortung würde durch die Transferunion aber konterkariert, denn ein derartiges Transfersystem würde Anreize für nachhaltige Wirtschafts- und Finanzpolitik reduzieren und auf die Zahlungswilligkeit wirtschafts- und finanzstarker Länder der Gemeinschaft bauen. Die korrektiven und produktiven Kräfte des Marktes würden damit außer Kraft gesetzt. Deshalb muss eine kontinuierliche Transferunion verhindert werden.

Dieser Verhinderung dient der ESM, dem ich unter den jetzigen Umständen zustimmen werde.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Marcus Weinberg