Frage an Marcus Weinberg von Ralf Paul R. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau / Sehr geehrter Herr
mit einer Gruppe von Interessierten Wählerinnen und Wählern haben wir ein paar Fragen ausgearbeitet, auf die wir gerne persönliche Antworten der Direkt-Kandidatinnen und -Kandidaten haben möchten.
Wir werden Ihre Antworten in unserem kleinen Forum vortragen und diskutieren.
1.) "Als Bürger der Bundesrepublik Deutschland wünsche ich mir als, über Erststimme direkt in den Bundestag gewählten, Volksvertreter eine Person, die "an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" ist (GG §38.1). Wie ernst nehmen Sie in Abstimmungsfragen, bei denen ein (wenn auch versteckter) Fraktionszwang angemahnt wird, die Verpflichtung, nur dem eigenen Gewissen und den Interessen der Wähler Ihres Erststimmen-Wahlkreises gemäß abzustimmen?"
2.) "Die gewaltigen Schuldsummen von Staat und Ländern sind für mich erschreckend und beängstigend.
Welche Lösungsvorschläge sehen Sie, dieses Schuldenfiasko systematisch in den Griff zu bekommen, ohne mit der Ausrede einer ´allgemeinen Haushalts-Notlage´ wichtige und gesellschaftlich unverzichtbare Leistungsbereiche mit Kürzungen oder Streichungen zu belasten?"
3.) "Der in Wahlkampfreden verwendete Arbeitsbegriff ist m.E. heute nicht mehr zeitgemäß, da er nur die herkömmlichen Arbeitsverhältnisse (sprich: Erwerbsarbeit) berücksichtigt. Wie stehen Sie persönlich zum tradierten Begriff ´Arbeit´? Werden Sie Sich persönlich als Volksvertreter für eine Neuausrichtung des Arbeitsbegriffes auf Themenwelten wie Familienarbeit, soziales Engagement, kulturelle Wertschaffung und Ähnliches unter Berücksichtigung einer angemessenen Entlohnung einsetzen? Wie ist Ihre Meinung zu dem Vorschlag eines allgemeinen ´Bürgergeldes´, bzw. einer ´Grundsicherung für Alle´?"
Wir danken für Ihre aufrichtigen Antworten.
i.A. Ralf Randau, Hamburg.
Sehr geehrter Herr Randau,
vielen Dank für Ihre Frage vom 13. September 2009,mit der Sie drei Themenbereiche ansprechen.
Innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es keinen offenen oder versteckten Fraktionszwang. Die Abstimmungen sind grundsätzlich frei. In der Praxis wird allerdings allgemein in zwei Abstimmungsbereiche unterschieden: Zum Einen gibt es Gewissensfragen, bei denen die zur Abstimmung stehenden Anträge und Alternativen intensiv in der Fraktion diskutiert werden, allerdings erfolgt keine fraktionsinterne Abstimmung zur Feststellung eines Meinungsbildes der Fraktion. Im zweiten großen Abstimmungsbereich geht es um Sachfragen. Bei diesen werden nicht nur die zur Abstimmung stehenden Anträge diskutiert, sondern mittels einer fraktionsinternen Abstimmung auch ein offizielles Meinungsbild der Fraktion erstellt. Das bedeutet aber auch nicht, dass man in jedem Fall diese Mehrheitsmeinung auch mitgetragen werden muss. Wer auch in einer Sachfrage von der Fraktionsmehrheit abweichend abstimmen möchte, kann dies so tun. Allerdings sind die Mitglieder der Fraktion dann verpflichtet, in wichtigen Fragen ihre von der Fraktionsmehrheit abweichende Abstimmungsabsicht dem Vorsitzenden, dem 1. Parlamentarischen Geschäftsführer oder der Fraktionsversammlung bis zum Vortag der Abstimmung mitzuteilen. Letzeres dient vor allem dazu, unliebsame Überraschungen bei der Abstimmung im Plenum zu vermeiden. CDU und CSU haben damit ausreichend Regelungsansätze vorgesehen, die von Ihnen geforderte Unabhängigkeit des Mandats zu gewährleisten. Allerdings dürfen Sie aus der Unabhängigkeit des Mandats nicht schlussfolgern, dass damit eine Verpflichtung verbunden ist, die Interessen der Wählerinnen und Wähler in dem jeweiligen Erststimmen-Wahlkreis zu vertreten. Denn so wie es seitens der Fraktion kein imperatives Mandat gibt, kann es auch aus dem Wahlkreis kein imperatives Mandat geben. Der an Aufträge und Weisungen nicht gebundene Abgeordnete kann bei Abstimmungen, sofern es sein Wissen und Gewissen erfordert, auch Aufträge und Weisungen, die Sie möglicherweise aus Ihrer Stimmabgabe bei der Bundestagswahl ableiten, seiner Wählerinnen und Wähler ignorieren.
Die Schuldenlast von Bund, Ländern und Kommunen führt zu einer immer weiteren Einengung des politischen Handlungsspielraums, da immer mehr Finanzmittel direkt in die Schuldenlast fließen. Mit der Aufnahme einer Schuldenbremse in das Grundgesetz haben wir einen bedeutenden Schritt zu mehr Generationengerechtigkeit geschaffen. Gerade im Interesse der jüngeren Generationen ist es ein großer Verhandlungserfolg der Union, dass den öffentlichen Schulden jetzt klare Begrenzungen gesetzt werden und in Zukunft das Prinzip des ausgeglichenen Haushalts zur Regel statt zur Ausnahme wird. Ab dem Jahre 2016 wird die jährliche Neuverschuldung des Bundes auf 0,35 Prozent des BIP begrenzt, die Länder dürfen ab dem Jahre 2020 keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Haushaltsdefizite aufgrund eines Konjunkturabschwungs müssen im Aufschwung wieder getilgt werden. Damit verschafft sich der Staat Luft, um zu gestalten. Je größer die Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung, desto größer sind die entsprechenden Gestaltungsspielräume für Zukunftsinvestitionen. Das heißt auch, dass die Schuldenbremse keineswegs dazu führen wird, dass Leistungen des Staates gekürzt werden, sondern vielmehr werden damit Gestaltungsspielräume vergrößert.
Hinsichtlich des Arbeitsbegriffes müssen wir unterscheiden zwischen Erwerbsarbeit, familiärer Arbeit und ehrenamtlicher Arbeit. Zur familiären Arbeit gehört vor allem der Einsatz für die Betreuung und Erziehung von Kindern und die Pflege von Familienangehörigen. Es ist Ziel unserer Politik, Familien Wahlmöglichkeiten zu schaffen und in unserer Gesellschaft insgesamt ein Klima zu fördern, das auf Respekt für unterschiedliche Lebensmodelle fußt. Dazu werden wir unsere Anstrengungen im Bereich des Ausbaus von Kinderbetreuungsplätzen für unter Dreijährige fortsetzen und ein Betreuungsgeld einführen. Mit diesem Betreuungsgeld wird beispielsweise neben dem Elterngeld zumindest ein bescheidener Ansatz geschaffen, die Leistung der Eltern in der familiären Arbeit zu würdigen. Wir achten darüber hinaus die Leistung pflegender Angehöriger und wollen die Pflege in der Familie stärken. Wir wollen die Pflege- und Betreuungsqualität älterer Menschen und die Vereinbarkeit von beruflichen Tätigkeiten und privater Pflege verbessern. Die Unternehmen sollen motiviert werden, sich an Programmen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu beteiligen. Dazu sollen auch Kooperationen der Unternehmen mit Tagespflegeeinrichtungen angestoßen und organisiert werden.
Das ehrenamtliche Engagement und der bürgerschaftliche Einsatz vieler Frauen und Männer bereichern unsere Gesellschaft. Viele Menschen sind ehrenamtlich engagiert. Das wollen wir stärker fördern. Wir werden zukunftsweisend weitere Anreize schaffen, damit die vielen heute schon ehrenamtlich Tätigen auch morgen aktiv bleiben und wir neue für diese Aufgabe hinzugewinnen. Wir werden die Ehrenamtskultur in unserem Land stärken und hierzu ehrenamtliches Engagement gezielt von Bürokratie befreien. Für die öffentliche Würdigung setzen wir uns ebenso ein, wie für die Anerkennung von ehrenamtlicher Arbeit und geleisteten Freiwilligenjahren in den Berufsbiografien. Bei der Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements geht es allerdings nicht nur um die Bereitstellung finanzieller Mittel oder um steuerrechtliche Regelungen hinsichtlich der sogenannten Übungsleiterpauschale. Häufig hängt ehrenamtliches Engagement auch von Zeitfragen ab. Hier sind alle gesellschaftlichen Bereiche aufgefordert, flexible Regelungen zu finden, die es beispielweise dem Trainer einer F-Jugendmannschaft ermöglicht, den Arbeitsplatz auch einmal früher als sonst zu verlassen, um so früh auf dem Fußballplatz sein zu können, dass das Training zu einer für Kinder vertretbaren Zeit stattfinden kann.
CDU und CSU sind einer sozialen Politik verpflichtet, die die Lebenschancen der Menschen und das Miteinander in der Gesellschaft verbessert. Eine nur auf finanzieller Zuwendung beruhende Vorstellung von Sicherheit und Solidarität lehnen wir ab. Nur eine Kombination aus Eigenverantwortung, staatlichen Leistungen und bürgerschaftlichem Engagement kann die Sicherheit schaffen, die die Menschen brauchen. Ein „Garantiertes Grundeinkommen“ ist für uns derzeit keine Frage des regierungspolitischen Handelns. Die CDU hat jedoch eine Kommission eingesetzt, welche die politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eines „Solidarischen Bürgergeldes“ umfassend untersucht. Diese Kommission soll voraussichtlich im kommenden Jahr ihre Ergebnisse präsentieren. Ich bitte Sie sehr herzlich um Verständnis, dass ich mich vor Abschluss der Kommissionsarbeit nicht endgültig zu einer Meinung festlegen werde.
Mit freundlichen Grüßen
Marcus Weinberg MdB