Frage an Marcus Weinberg von Lina S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Weinberg,
mein Name ist Lina Schönfeld und ich bin Oberstufenschülerin des Heilwiggymnasiums.
Im Rahmen eines Projektes meines Leistungskurses Gemeinschaftskunde, zum Thema Bundestagswahl, da wir zum ersten Mal wahlberechtigt sind, führe ich eine kleine Umfrage durch.
Es geht darum, wie der Zusammenhang zwischen Wahlkampf und Wahlprognosen/ Meinungsforschungsergebnissen ist und darum, wie die Medien den Wahlkampf der Parteien beeinflussen.
Ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie sich fünf Minuten Zeit nehmen könnten, um meine Fragen zu beantworten.
1. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Wahlkampf und Wahlprognosen, wenn ja, welchen?
2. Lassen Sie/ Ihre Partei sich im Wahlkampf oder beim Wahlprogramm von Prognosen beeinflussen, wenn ja/ nein, warum?
3. Erstellen Sie Ihr Wahlprogramm unter anderem auf Grundlage von Meinungsforschungsergebnissen, wenn ja/ nein, warum?
4. Sind Sie der Meinung, dass Wahlprognosen die Psyche der Wähler beeinflussen und somit auch ihr Wahlverhalten, wenn ja/ nein, warum?
Ich danke Ihnen vielmals, für die Beantwortung der Fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Lina Schönfeld
Sehr geehrte Frau Schönfeld,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Wahlprognosen.
1. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Wahlkampf und Wahlprognosen, wenn ja, welchen?
Wahlprognosen sind eine Art Stimmungsbarometer für die öffentliche Meinung zu politischen Themen. Wie eine Fieberkurve steigt natürlich auch die Intensität von Wahlprognosen in Wahlkampfzeiten an, so dass allein schon daraus ein deutlicher Zusammenhang zwischen beiden festzustellen ist.
2. Lassen Sie/ Ihre Partei sich im Wahlkampf oder beim Wahlprogramm von Prognosen beeinflussen, wenn ja/ nein, warum?
Nein, Wahlprogramme basieren auf grundsätzlichen Positionen der Partei und nehmen aktuelle politische Sachverhalte auf und entwickeln Lösungsansätze. Dabei spielt die Meinung der Bürgerinnen und Bürger (zum Beispiel in den Wahlkreisen)eine wichtige Rolle, nicht aber aktuelle Prognosen. In meinem Wahlkampf in Altona lasse ich mich persönlich nicht von Prognosen beeinflussen. Im Kampf um ein Direktmandat halte ich Prognosen auf Wahlkreisebene nur bedingt für aussagekräftig. Abgesehen davon sollten aus meiner Sicht den Prognosen auch keine zu große Bedeutung beigemessen werden. Wer immer versucht, der veröffentlichten Meinung hinterherzulaufen, verliert auch schnell den Anschluss zu seinen eigenen Überzeugungen und gerät in die Gefahr der politischen Beliebigkeit.
3. Erstellen Sie Ihr Wahlprogramm unter anderem auf Grundlage von Meinungsforschungsergebnissen, wenn ja/ nein, warum?
Wir und ich machen Politik aus Überzeugung! Meine eigenen politischen Ziele, die ich auch unter http://www.marcusweinberg.de oder im Profil von abgeordnetenwatch.de vorstelle, habe ich ohne Mithilfe von Meinungsumfragen formuliert. Im Mittelpunkt stehen politische (Grund-)Überzeugungen, die auch auf Erfahrungen beruhen und durch persönliche Gespräche, aus denen ich vielfach Anregungen für die politische Arbeit ziehen kann, ergänzt werden.
4. Sind Sie der Meinung, dass Wahlprognosen die Psyche der Wähler beeinflussen und somit auch ihr Wahlverhalten, wenn ja/ nein, warum?
Wahlprognosen sind keine Wahlergebnisse. Was immer gerne unter den Tisch fällt, ist, dass solche Prognosen nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit ausdrücken, mit der das dargestellte Ergebnis erreicht werden könnte. Diese Wahrscheinlichkeit und die Varianz der Ergebnisse werden in der Regel nicht angegeben. Trotz allem können Wahlprognosen dazu führen, dass Wählerinnen und Wähler zur Wahlbeteiligung mobilisiert werden (wenn die eigene oder präferierte Partei schlecht dasteht). Umgekehrt können sehr gute Prognosen für eine Partei auch dazu führen, dass deren Anhänger die Wahl schon abhaken und nicht mehr hingehen - entsprechend schlechter fällt dann das Ergebnis aus. Inwiefern die Psyche beeinflusst wird, kann ich nicht konkret beurteilen. Es heißt zwar immer wieder, der Mensch ist gerne bei den Siegern - das kann man bei vielen Fußballvereinen entdecken, deren Stadien bei einer guten Serie gut gefüllt sind und bei mehreren schlechten Spielen hintereinander wieder schlechter besucht werden. Aus solch einer Ansicht heraus entsteht dann möglicherweise auch schon einmal der Vorwurf, es würde eine Kampagne gegen eine bestimmte Partei gefahren. Ob das aber tatsächlich für die Politik gilt, wage ich zu bezweifeln. Immerhin sind hier die Entscheidungen komplexer und grundsätzlicher als bei der Frage, für welchen Fußballverein man samstags jubelt. Gute Umfrageergebnisse müssen also noch nicht zwangsläufig auch gute Wahlergebnisse bedeuten.
Ich wünsche Ihrem LK-Projekt viel Erfolg. Bei Rückfragen, die sich vielleicht aus der Behandlung des Themas im Unterricht ergeben, können Sie sich gerne auch direkt an mich und mein Büro wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Marcus Weinberg