Frage an Marcus Faber von Henning M. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Faber!
In dem Parteiprogramm der FDP zur Landtagswahl steht:
"Eine Gesellschaft, die ihren Bürgern möglichst viel Eigenverantwortung, aber auch Teilhabe an politischen Entscheidungen ermöglicht, ist das klassische Ziel liberaler Politik."
Mich würde interessieren, inwieweit sie, bzw. ihre Partei dabei auch Direkte Demokratie, oder Bürgerbeteiligung im Allgemeinen, gedacht haben.
Die Volksgesetzgebung in Sachsen-Anhalt hat bisher nur zu einem einzigen Volksentscheid geführt, der dann am Quorum gescheitert ist. Zwar wurde 2004 das Quorum für ein Volksbegehren, die Vorstufe zum Volksentscheid, leicht von ca. 11,9 auf 11% der Wahlberechtigten abgesenkt, allerdings liegt diese Hürde in anderen Bundesländern (Bayern, Hamburg) bei nur 5%.
Sehen sie die derzeitige Regelung als geignet an, möglichst viel an politischer Teilhabe zu ermöglichen? Und wenn nein, was hat ihre Partei in Zukunft für konkrete Vorstellungen bezüglich dieser Frage? In ihrem Parteiprogramm konnte ich nämlich außer diesen sehr allgemeinen Sätzen nichts dazu finden.
Ich freue mich schon auf ihre Antwort
Gruß
Henning Medicke
Sehr geehrter Herr Medicke,
Ich freue mich, dass auch gerade Sie, als Student der Kommunalwissenschaften, sich so ausgiebig mit unserem hervorragenden Programm zur Landtagswahl 2006 beschäftigen.
Bürgerbeteiligung ist für uns natürlich weit mehr als nur direkte Demokratie. Wir begreifen das Konzept der Partizipation des Souveräns, des Volkes, an den Prozeduren politischer Entscheidungsfindung sehr viel ganzheitlicher.
Auch Stadtforen, Bürgerplanungszellen, runde Tische etc., aber auch bereits sehr viel üblichere Elemente wie die Bestellung fachkundiger Bürger zu den kommunalen Gremien oder aber Einwohnerfragestunden gehören aus liberaler Sicht zu einer Selbstverständlichkeit in der modernen Demokratie, und wir versuchen, wo immer es uns möglich ist, die Gründung dieser zu stimulieren.
Natürlich möchte ich Ihre Frage zur direkten Demokratie aber nicht
unbeantwortet lassen.
Es ist richtig das sowohl die Quotenregelung, aber auch andere Aspekte wie die oft entscheidenden Fristenregelungen oder die Frage der Möglichkeit der Briefwahl und der Anzahl der Wahllokale vor Ort, in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich geregelt sind. Dies entspricht auch nur dem föderalen Grundprinzip unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft.
In Sachsen-Anhalt bewegen wir uns hier bundesweit leider nur im oberen Mittelfeld der deutschen Länder, dies hat etwa auch damit zu tun dass Länder wie Baden-Württemberg oder das angesprochene Bayern schon traditionell wesentlich stärker für solche Instrumente votieren. Im Falle der Quotenregelung gilt es immer eine Abwägung zu finden, zwischen dem allgemeinen Interesse an einem Spezialthema welches breiten Teilen der Bevölkerung unter den Nägeln brennt, dieses Interesse sollte sich auch über direkte Mitbestimmung des Volkes bis hin zur Abstimmung (wie beim Kinderförderungsgesetz der liberalen Landesregierung und unserem Sozial- und Gesundheitsminister Gerry Kley (FDP)) und gegebenenfalls auch zur Annahme.
Die Absenkung der Quotenregelung ist aber immer auch mit Vorsicht zu genießen. So kann eine drastische Absenkung des Quorums zur Instrumentalisierung des Mittels der Volksabstimmung durch Lobbygruppen und organisierte Interessen führen, denen es gegebenenfalls nicht einmal vorrangig um die Umsetzung eines speziellen Politikinhalts geht, sondern vielmehr um parteipolitische Konfrontation (mitunter auch zu Wahlkampfzwecken). Dazu wohl wir dieses Instrument nicht verkommen lassen!
Das die Gefahr dazu besteht hat nicht zuletzt auch die durch die PDS
instrumentalisierte Debatte eben um das KiFöG geführt.
Klar muss sein das bei einer Volksabstimmung eine bestimmte Policy zur Abstimmung steht, und dass das Instrument nicht dazu missbraucht werden darf eine Regierung rein aus parteitaktischen Erwägungen vor sich her zu treiben.
Dabei geht es uns in der Abwägung.
Vor diesem Hintergrund sehen wir es auch positiv dass unser Land hier einen ausgewogene Kompromisslinie fährt, auch wenn eine geringfügige Absenkung des notwendigen Quorums sicher noch möglich wäre, etwa um 10%. Erwähnenswert finde ich an dieser Stelle aber beispielsweise auch andere direktdemokratische Elemente, wie etwa die Direktwahl des Landrates, die es bei uns gibt, aber in anderen Bundesländern, wie z.b. Brandenburg nicht. Problematisch wird das ganze nur wenn, wie bei den letzten Landratswahlen in Stendal, sich nur noch 20% der Wahlberechtigten beteiligen. Hier von "der Wahl des Volkes" zu sprechen ist sicher grenzwertig.
Ich hoffe ich konnte Ihnen weiterhelfen Herr Medicke.
Ansonsten stehe ich weitergehenden Fragen natürlich immer offen gegenüber
Ich verbleibe
Mit freundlichen Grüßen, Marcus Faber