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Marco Buschmann
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Frage von Lukas K. •

Weshalb will die Ampel den EU Direktwahlakt 2018 ratifizieren?

Sehr geehrter Herr B.,
das Bundesverfassungsgericht hat erst 2011 die 5%-Sperrklausel gekippt und 2014 kurz vor der EU-Wahl die 3%-Sperrklausel. Der Direktwahlakt 2018 fordert nun Mitgliedsstaaten dazu auf, eine Sperrklausel zwischen 2% und 5% zur EU Wahl einzuführen. Auch Deutschland wäre dazu verpflichtet. Im Ampel Koalitionsvertrag steht dazu: "Wenn bis zum Sommer 2022 kein neuer Direktwahlakt vorliegt, wird
Deutschland dem Direktwahlakt aus 2018 auf Grundlage eines Regierungsentwurfes zustimmen". Warum will die Ampel einem Wahlakt zustimmen, der eine mit dem deutschen Grundgesetz nicht vereinbare Regelung enthält? Soll hier die Kompetenz des BVerfG umgangen werden, nur um die Sperrklausel einzuführen? Und warum wird einem möglichen neuem Wahlakt nur Zeit bis Sommer 2022 gegeben? Haben die letzten sieben Jahre nicht bewiesen, dass wir keine Sperrklausel auf EU-Ebene brauchen?
Vielen Dank schonmal für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen,
Lukas Küffner

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr K.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.

Wie Sie zutreffend aufführen, sieht der Europäische Direktwahlakt eine verbindliche Sperrklausel in Höhe von 2-5 % vor. Wenn der Rechtsakt durch alle Mitgliedstaaten ratifiziert wird, muss also auch Deutschland eine solche Sperrklausel einführen.

Aus nationaler Perspektive existieren hinsichtlich der Höhe einer Sperrklausel Vorgaben durch das Bundesverfassungsgericht. Es hatte in seinem Urteil vom 9. November 2011 die bis dahin bei Europawahlen geltende 5 %-Sperrklausel wegen eines nicht gerechtfertigten Eingriffs in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit für verfassungswidrig erklärt. In der Urteilsbegründung legte das Gericht dar, dass die Parlamentsqualität des Europäischen Parlaments nur eingeschränkt gegeben sei und dass eine Sperrklausel auf europäischer Ebene nicht erforderlich sei, um die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments zu gewährleisten.

In der Folge verabschiedete der Deutsche Bundestag im Juni 2013 eine 3 %-Sperrklausel. Diese wurde am 26. Februar 2014 vom BVerfG mit ähnlicher Begründung ebenfalls für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht deutete jedoch an, dass der europäische Gesetzgeber seinerseits zu der Einschätzung gelangen kann, eine Sperrklausel sei für die Funktionsfähigkeit des EP erforderlich.

Genau das ist mit dem Direktwahlakt jetzt gewollt. Auch wir halten eine Stärkung des Europäischen Parlaments für sinnvoll. Dabei ergibt es auch Sinn, statt einer Fragmentierung der europäischen Parteienlandschaft klare Mehrheitsverhältnisse anzustreben. Angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Wahlsysteme in Europa gibt es sicher keinen Zusammenhang zwischen Sperrklausel und „echter“ Parlamentsqualität. Aber solange das Wahlrecht ein nationales ist und man sich auf die Begründung des BVerfG einlässt, lässt sich durch eine Ratifikation des Direktwahlakts eine Aufwertung des EP erreichen.

Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP darauf geeinigt, dem Direktwahlakt von 2018 auf Grundlage eines Regierungsentwurfs zuzustimmen, wenn bis zum Sommer 2022 kein neuer Direktwahlakt vorliegt. Dieser zeitliche Rahmen ist notwendig, wenn man bis zur nächsten Wahl zum Europäischen Parlament ein neues Wahlrecht schaffen will. Neben der Sperrklausel spielen auch andere Gestaltungselemente bei der Umsetzung des Direktwahlakts eine Rolle. So haben wir uns mit SPD und Bündnis 90/Die Grünen auch darauf geeinigt, teils transnationale Listen mit einem verbindlichen Spitzenkandidatensystem zu unterstützen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen unsere Position hiermit etwas näher bringen.

Freundliche Grüße

Dr. Marco Buschmann MdB

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