Ist Ihre Ausage im Zeit Interview so zu verstehen, dass trans Menschen zukünftig nicht mehr durch das AGG geschützt werden sollen? Inwiefern ist dies vereinbar mit dem Grundgesetz und EU-Recht?
Sehr geehrter Herr Buschmann,
in Ihrem "Zeit"-Interview haben sie gesagt, dass es möglich seien sollte, trans Personen aufgrund ihres "äußeren Erscheinungsbildes" von Teilhabe auszuschließen. Dabei haben Sie auch explizit gesagt, dass eine Klage wegen verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht möglich seien sollen. Ist dies so zu verstehen, dass trans Personen zukünftig nicht mehr durch das AGG vor Diskriminierung geschützt werden sollen?
Das AGG ist bereits seit über 15 Jahren in Kraft und schützt seit Beginn trans Personen vor Diskriminerung. Seitdem ist kein Fall bekannt in dem es zu Mißbrauch durch trans Personen gekommen ist. Auch sollten Gerichte immer eine Abwähung der verschiedenen Interessen vornehmen. Inwiefern ist angesichts dessen eine solche Reform notwendig?
Inwiefern ist eine solche Neuregelung vereinbar mit dem Grundgesetz (Artikel 3), EU-Recht (Richtlinien 2002/73/EG und 2004/113/EG) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (Aritkel 14)?
Sehr geehrte Frau L.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wir Freie Demokraten wollen allen Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Die geschlechtliche Identität gehört zur individuellen Persönlichkeit und muss deswegen durch das Persönlichkeitsrecht geschützt werden. Das geltende Gesetzesrecht trägt diesem Selbstbestimmungsrecht bislang nicht hinreichend Rechnung. Deswegen haben wir uns als Fortschrittskoalition darauf verständigt, das Transsexuellengesetz abzuschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen.
Dieses stellt einen Baustein einer liberalen Gesellschaftspolitik dar. Im Vordergrund steht das Verhältnis von Staat und Bürger: In staatlichen Registern und in der Anrede von behördlichen Schreiben muss die geschlechtliche Identität respektiert werden. Unberührt durch das Gesetz bleibt beispielsweise die Autonomie der Sportverbände, über die Teilnahmekriterien für Wettbewerbe zu entscheiden. Auch das private Hausrecht wird weiterhin im Rahmen des geltenden Antidiskriminierungsrechts gewahrt.
Das AGG sieht vor, dass eine unterschiedliche Behandlung erlaubt ist, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt. Ein solcher liegt nach § 20 Abs. 1 S. Nr. 2 AGG insbesondere vor, wenn dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung getragen wird. Diese Regelung findet ihre Rechtfertigung im Schutz der sexuellen Selbstbestimmung und des Persönlichkeitsrechts und ist verfassungs- und europarechtlich zulässig. Vergleichbare Regeln finden sich im Strafvollzug oder bei körperlichen Untersuchungen.
Auf der genannten Grundlage haben sich enge, etablierte Fallgruppen in der Rechtspraxis entwickelt, etwa Frauenparkplätze in Tiefgaragen oder Frauensaunen. In diesen Fällen soll es weiterhin den Hausrechtsinhabern möglich sein, den Zutrittskreis so einzuschränken, dass die Schutz- und Rückzugsfunktion dieser Räume gewahrt bleibt. Eine Erweiterung der Ausnahmetatbestände über diese anerkannten Fallgruppen hinaus ist damit nicht verbunden. Das Selbstbestimmungsgesetz wird die Rechtsstellung transidenter Personen stärken.
Freundliche Grüße
Dr. Marco Buschmann MdB