Birgt der aktuelle Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz nicht die Gefahr einer sozialen Isolation für die Betroffenen?
Sehr geehrter Herr Buschmann,
im aktuellen Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes wird Eigentümern per Hausrecht mit "sachlichem Grund" freigestellt Transpersonen Zutritt zu Einrichtungen und Räumen (welche nicht näher spezifiziert sind) zu verwehren. Der billige Grund, nämlich dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre wir in der Begründung gleich mitgeliefert. Das bedeutet für mich dass es legitim ist Transpersonen auszusperren sobald sich jemand durch sie in seiner Intimsphäre verletzt fühlt. Das könnte praktisch alle Bereiche des täglichen Lebens betreffen, etwa Umkleiden, Krankenhäuser, Veranstaltungen, Heimunterbringung, Altenheime. Damit könnten Transpersonen praktisch kaum noch am sozialen Leben mit den Angehörigen ihres eingetragenen Geschlechts teilnehmen. Ich finde das sollten Sie unbedingt verhindern im neuen Gesetz, besonders wenn es jetzt schon so im aktuellen Gesetz war.
Mit freundlichen Grüßen
A. S.
Sehr geehrte Frau S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wir Freie Demokraten wollen allen Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Die geschlechtliche Identität gehört zur individuellen Persönlichkeit und muss deswegen durch das Persönlichkeitsrecht geschützt werden. Das geltende Gesetzesrecht trägt diesem Selbstbestimmungsrecht bislang nicht hinreichend Rechnung. Deswegen haben wir uns als Fortschrittskoalition darauf verständigt, das Transsexuellengesetz abzuschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen.
Für Personen, die sich nicht mit ihrem angeborenen Geschlecht identifizieren, gibt es bislang hohe Hürden für die Anerkennung ihrer geschlechtlichen Identität. Sie müssen ein Gerichtsverfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags durchlaufen, im Zuge dessen zwei Gutachten mit intimsten Fragen erstellt werden. Die Verfahren dauern oft mehrere Jahre. Künftig tritt an die Stelle dieses langwierigen Verfahrens eine Selbstauskunft der Betroffenen. Mit dieser Regelung verbessern wir die Rechtslage für Betroffene erheblich und verkürzen den gesamten Verwaltungsvorgang.
Die Rechtslage in Bezug auf die Vertragsfreiheit und den Zugang zu geschützten Räumlichkeiten bleibt unverändert. Wie bislang sind gesetzliche Grenzen der Vertragsfreiheit zu beachten (z.B.. die Grenzen durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz / AGG). Danach ist eine Zurückweisung speziell von transgeschlechtlichen Personen allein aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität unzulässig. Unterschiedliche Behandlungen wegen des Geschlechts sind zulässig, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt (§ 20 AGG). Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung trägt (§ 20 Absatz 1 Nummer 2 AGG). Auf der genannten Grundlage haben sich enge, etablierte Fallgruppen in der Rechtspraxis entwickelt.
Auch insoweit wird sich durch das Selbstbestimmungsgesetz nichts ändern. Das heißt: Was heute im Rechtsverkehr zulässig ist, das ist auch künftig zulässig.
Freundliche Grüße
Dr. Marco Buschmann MdB