Frage an Marco Bülow von Sebastian B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Bülow,
das Thema Softwarepatente liegt mir als Programmierer bei einer kleinen Dortmunder Softwareschmiede sehr am Herzen. Wie ist Ihre Position zu diesem Thema?
Noch sind in Deutschland Patente auf reine Software nicht möglich, aber gerade die Europäische Kommission sowie anscheinend die Bundesregierung vertreten eine offenbar patentfreundliche Politik, im Gegensatz zu den Stellungnahmen des EU-Parlamentes und des Bundestages, die offenbar eher Ohren für die Wünsche der mittelständischen Unternehmen haben anstatt für das konzentrierte Großkapital.
Aus meiner Sicht und der meiner bisherigen Dortmunder Arbeitgeber würden Softwarepatente die Rechtsunsicherheit und Kosten für kleine Unternehmer (wobei "klein" auch die größte Dortmunder IT-Firma mit über 1000 Mitarbeitern betrifft) unnötig steigern. Tatsächlich habe ich es in meiner Laufbahn selbst erlebt - hierzu zählen ein inzwischen ausgelaufenes Patent auf GIF und eines auf telefonische Bezahlvorgänge. Lustigerweise sollte es diese Patente in Deutschland nicht geben, aber die Haltung des Europäischen Patentamtes ist eine andere, woraus bereits jetzt Probleme für IT-Firmen entstehen.
Ich befürchte, das die Bundesregierung ihre Ratspräsidentschaft nutzt, um das Thema unter dem Deckmantel der Rechtsharmonisierung auf Europäischer Ebene weiter voranzutreiben.
Mit freundlichem Gruß
Sebastian Baltes
Sehr geehrter Herr Baltes,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Softwarepatente. Ich kann Ihre Bedenken gut verstehen und sehe insbesondere in der Patentierung von Trivialpatenten ebenfalls ein großes Problem für Softwareunternehmer.
Das Europäische Parlament hat am 6. Juli 2005 den gemeinsamen Standpunkt des Ministerrates vom 7. März 2005 zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen“ zurückgewiesen. Das intensiv und kontrovers diskutierte Rechtsetzungsvorhaben, das den Rechtsrahmen für die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen EU-weit harmonisieren sollte, ist damit gescheitert.
Die rot-grüne Bundesregierung hatte sich zuvor für eine einvernehmliche Lösung zwischen dem Ministerrat und dem Europäischen Parlament eingesetzt und die Forderungen des Deutschen Bundestages zu den Voraussetzungen der Patentierbarkeit und zur Interoperabilität unterstützt.
Obwohl der Deutsche Bundestag nicht in europäische Gesetzgebungsprozesse intervenieren kann und will, hat er mit dem Beschluss vom 17. Februar 2005 zu dem interfraktionellen Antrag „Wettbewerb und Innovationsdynamik im Softwarebereich sichern - Patentierung von Computerprogrammen effektiv begrenzen“ eindeutig Position bezogen. (Sie können dieses Dokument unter der Drucksachennummer 15/4403 unter www.bundestag.de/Informations-Center/Parlamentsdrucksachen im Internet abrufen).
Der EU-Richtlinienentwurf war von Beginn an von einer sehr kontroversen Debatte begleitet, an der sich auch zahlreiche interessierte Bürgerinnen und Bürger und zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt haben. Gemeinsam mit dem Rechtsausschuss hat der Unterausschuss Neue Medien Expertenanhörungen durchgeführt und auch die Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten“ hat sich mit den Auswirkungen einer undifferenzierten Ausweitung des Patentschutzes im Softwarebereich befasst und sich kritisch zum Richtlinienvorhaben geäußert. (Diesen Schlussbericht mit der Drucksachennummer 14/9200 finden Sie ebenfalls im Internet unter www.bundestag.de)
Vor diesem Hintergrund und angesichts der weiterhin kontroversen Beratungen auf europäischer Ebene ist es gelungen, einen gemeinsamen Antrag aller vier Fraktionen abzustimmen. Dieser Antrag wurde am 17. Februar 2005 einstimmig im Deutschen Bundestag angenommen und setzte daher ein klares Signal an den Rat der Europäischen Union und an das Europäische Parlament. Der Antrag begrüßt zwar grundsätzlich die Initiative zu einer Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtspraxis, weist aber zugleich darauf hin, dass weder der Kommissionsentwurf noch der Entwurf zu einem gemeinsamen Standpunkt des Rates zu einer Richtlinie bisher etwa hinsichtlich der Gewährleistung von Rechtssicherheit und Wahrung der Interessen kleiner und mittelständischer Softwareunternehmen überzeugen konnten. Im Mittelpunkt des interfraktionellen Antrages standen daher Forderungen nach einem eindeutigen und trennscharfen Technikbegriff, der Sicherung der Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Computersystemen und einem Ausschluss von Trivialpatenten und so genannten Programmansprüchen.
Mit der darauf folgenden Ablehnung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates durch das Europäische Parlament vom Juli 2005 war das Rechtsetzungsverfahren vorerst ergebnislos beendet. Damit bleibt es auch in Deutschland bei der geltenden Rechtslage - insbesondere bei der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erteilung von Patenten. Diese ist dadurch geprägt, dass die Patentierung von Algorithmen oder bloßer Geschäftsmethoden ausgeschlossen ist. Das deutsche Patentrecht schützt Computerprogramme nicht „als solche“ - weder als Objektcode, Quellcode oder in irgendeiner anderen Form.
Etwas anderes gilt für technische Erfindungen, bei denen auch ein Computerprogramm eine Rolle spielt, wie beispielsweise das Antiblockiersystem bei Kraftfahrzeugen, wo sich der Patentschutz auch auf das Computerprogramm erstreckt, weil es Bestandteil der Verbindung insgesamt ist. In diesen Fällen ist das Computerprogramm aber nur einer von mehreren Bestandteilen der Erfindung, die in ihrer Gesamtheit geschützt wird. Im Interesse des Innovationsstandortes Deutschland müssen solche technischen Erfindungen auch weiterhin patentierbar sein.
Ich halte einen Neustart des Gesetzgebungsverfahrens, wie er vom Europäischen Parlament angestrebt wird, durchaus für sinnvoll und gehe davon aus, dass zwischen Rat und Europäischem Parlament Gelegenheit sein wird, die strittigen Punkte nochmals zu diskutieren und im Sinne des interfraktionellen Antrages zu ändern. Ich werde diesen Prozess weiterhin kritisch begleiten und im Rahmen meiner Möglichkeiten innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion auf die Berücksichtigung der Forderungen des Deutschen Bundestages hinwirken.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen meinen Standpunkt ausreichend darlegen und wünsche Ihnen alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Marco Bülow