Frage an Marco Bülow von Christiane K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Bülow,
Wie stehen sie zu der Anerkennung Guaidos als Präsident von Venezuela und eventl. Sanktionen gegen das Land? Meine Meinung: Deutschland hat damit mal wieder die imperiale Politik der USA unterstützt und sich zu Unrecht in die Angelegenheiten eines fremden Staates eingemischt. Der deutsche Botschafter ist völlig zurecht ausgewiesen worden.
Ebenso falsch finde ich die verhängten Sanktionen gegenüber Russland. Die USA haben viel mehr illegale Kriege geführt als Russland und wurden von der UNO dafür nicht verurteilt. Die Mehrheit der russischen Bevölkerung der Krim hat in einer Volksabstimmung für eine Zugehörigkeit zu Russland gestimmt nach dem US-geführten Putsch in Kiew. Wie ist ihre Meinung dazu?
Als eine von ihren Wählerinnen würden mich ihre Ansichten interessieren.
Mit besten Grüßen
C.K.
Sehr geehrte Frau Kischkel,
vielen Dank für Ihre Fragen. Zunächst möchte ich betonen, dass ich kein Experte in dieser Frage bin, aber mir natürlich auch meine Meinung bilde.
Sie haben Recht: die Anerkennung des selbsternannten Interimspräsidenten Guaidó durch Deutschland war völkerrechtlich fragwürdig. So muss im Regelfall am völkerrechtlichen Grundsatz der staatlichen Autonomie festgehalten werden. Einmischung in jegliche innenpolitische und nationale Konflikte kann nicht die Lösung erster Wahl sein.
Jedoch sind auch hier die Sonderfälle anzusprechen. So ist eine Einmischung von außen durchaus nicht immer verwerflich, wie in den Fällen eines Wegfalls der lokalen Staatlichkeit oder eines Völkermordes. Wie eng man allerdings die Grenze zieht, an der Intervention von außen legitim und notwendig wird, weil sich ein Staat nicht mehr selbst zu helfen weiß, ist eine Interpretationsfrage.
In diesem Sinn finde ich die frühe deutsche Positionierung im Fall Venezuela befremdlich. Man provoziert durch eine Anerkennung Guaidòs möglicherweise eine Intervention der USA.
Trotz der Kritik an einer fragwürdigen Anerkennung Guaidós muss ebenso Kritik an der venezolanischen Politik geübt werden. Ich finde dieses Schwarz-Weiß-Denken gerade sehr problematisch: die einen, die Guaidós feiern und die anderen, die einseitig Maduro verteidigen. Ich halte persönlich beide Seiten für problematisch. Das Land steckt in einer tiefen Krise, die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten ist knapp, die Bevölkerung leidet. Der Reflex ein System, das sich sozialistisch nennt, per se zu unterstützen, halte ich für falsch. Von dem was ich von der Regierung mitbekomme - die Propaganda mal abgezogen - empfinde ich eindeutig nicht als "links-demokratisch". Denn eindeutig müssen wir soziale Politik in den Vordergrund stellen und dürfen uns auch nicht fürchten den Kapitalismus zu kritisieren und eine andere Wirtschaftsordnung zu fordern. Gleichzeitig müssen aber die Demokratie und der Rechtsstaat die Grundlagen allen Handelns und Urteilens sein.
Mit freundlichen Grüßen
Marco Bülow