Frage an Marco Bülow von Michael L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Bülow,
der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen besteht bekanntlich aus fünfzehn Mitgliedern; die USA; Russland, China, Frankreich und Großbritannien sind ständige Mitglieder des Sicherheitsrates. Die Hauptverantwortung des Sicherheitsrats ist im Wesentlichen die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Beschlüsse des Sicherheitsrats bedürfen im Allgemeinen der Zustimmung von neun Mitgliedern einschließlich sämtlicher ständiger Mitglieder.
So sind durch den Sicherheitsrat in der Vergangenheit z.B. auch wiederholt Sanktionen gegen den Iran wegen dessen Atomprogramm ergangen. Dagegen scheint Israel trotz seiner Politik (Bau von Siedlungen auf palästinensischem Gebiet, Angriffe auf den Gazastreifen usw.) immer von Sanktionen verschont wird. Entsprechende Beschlüsse würden ohnehin im Sande verlaufen, da die USA als „großer Bruder“ von Israel jedes Mal von seinem Vetorecht Gebrauch machen würde.
Meinens Erachtens bedarf die Charta der Vereinten Nationen einer Überarbeitung, so dass z.B. mindestens zwei der ständigen Vertreter ein Veto einlegen müssten oder dass das Vetorecht der ständigen Mitglieder entfallen müsste.
Wie beurteilen Sie daher die Regelungen der derzeitigen Charta des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, da u.a. zwei Bundestagsabgeordnete der Linken ja beim Angriff auf den Internationalen Konvoi in den Gazastreifen im Frühjahr dieses Jahres direkt davon betroffen gewesen sind.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Lux
Sehr geehrter Herr Lux,
zunächst vielen Dank für Ihre Anfrage vom 8. August zum Thema Reform des UNO-Sicherheitsrates. Entschuldigen Sie bitte, dass die Beantwortung Ihrer Frage aufgrund der Urlaubszeit etwas gedauert hat. Mein Schwerpunkt liegt im Bundestag bei der Umwelt- und Energiepolitik. Die Abgeordneten haben sich auf die verschiedenen Themenbereiche aufgeteilt, weil sonst eine sachverständige Diskussion und politische Arbeit nicht zu gewährleisten ist. Ich habe mich daher mit Ihrer Anfrage daher an die Fachexperten der SPD-Arbeitsgruppe Außenpolitik gewandt. Dort erhielt ich folgende Informationen:
Grundsätzlich ist zu sagen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen eine Reform des Sicherheitsrates befürwortet. Bei allem grundsätzlichen Anerkennen des Reformbedarfs fehlt es aber nach wie vor an Einigkeit über die konkrete Ausgestaltung der Reform. Die Diskussionen in New York ziehen sich bereits seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten hin. Ein rasches Ende ist nicht zu erwarten, schließlich geht es bei der Reform des Sicherheitsrats um eine, wenn nicht die zentrale Frage der Weltpolitik.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen spiegelt in seiner heutigen Zusammensetzung die Welt von 1945, nicht die Realitäten des beginnenden 21. Jahrhunderts wieder. Die Staaten Afrikas - 1945 noch nicht vertreten -, aber auch die immer wichtiger werdenden Staaten des Südens wie Indien und Brasilien müssen einen festen Platz im Sicherheitsrat erhalten. Deutschland verfolgt seit der Rede von Bundeskanzler Schröder anlässlich der Eröffnung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik am 19. März 2004 in Berlin das Ziel, im Falle einer Reform des Sicherheitsrates einen ständigen Sitz neben anderen Ländern zu erhalten. Die Reformbemühungen stecken jedoch seit Jahren in einer Sackgasse, weil man sich auf einheitliche Vorstellungen wegen unterschiedlicher Interessen wichtiger Länder nicht verständigen konnte.
Das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder war von Anfang an umstritten - was aber nichts daran änderte, dass es seit in Kraft treten der Charta gilt. Um das Vetorecht abzuschaffen oder aber zu verändern ( z.B. mindestens zwei Vetostimmen zur Blockierung eines Beschlusses ), braucht man die Zustimmung aller Vetomächte, darin liegt der Zirkularität des Problems. Außerdem verlangt jede Chartaänderung die Zustimmung von zweidrittel der Mitglieder der UNO. Deshalb hat es bisher nur minimale Änderungen gegeben.
Verhandelt wird die Reform des Sicherheitsrats in New York derzeit im sogenannten "informellen Plenum" der Generalversammlung, das im Februar 2009 eingerichtet wurde. In den bisherigen fünf Verhandlungsrunden kam es vor allem zur Wiederholung allseits bekannter Positionen. Wie die Verhandlungen weitergehen und zu welchen Ergebnis sie kommen, bleibt abzuwarten.
Abschließend möchte ich ihnen aber auch meine persönliche Meinung nicht verschweigen. Ich befürworte eine Reform des Sicherheitsrates und ich finde es wichtig über ihre aufgeworfenen Fragen zu diskutieren. Ich glaube aber zudem, dass wir insgesamt eine Debatte über unsere Sicherheits- und Verteidigungspolitik brauchen. Dabei muss der Fokus von den militärischen Aufgaben und Anforderungen mehr zu den Präventions- und zivilen Maßnahmen verlagert werden. Durch die Verknappung der Ressourcen und die Klimaerwärmung werden die Konfliktherde der Welt deutlich vergrößert (lesen sie dazu einen Beitrag von mir: http://www.marco-buelow.de/energie-klima/hintergruende/energie-allgemein.html ) In der internationalen Debatte spielen diese Aspekte aber immer noch eine untergeordnete Rolle. Auch aus diesem Grund brauchen wir dringend eine umfassende Reform der internationalen Sicherheitsorgane.
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Marco Bülow