Frage an Manuela Grochowiak-Schmieding von Thomas S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Landtagsabgeordnete,
ich habe 2 Fragen:
1. Sie konnten ja letztes Jahr noch nicht für die Erhöhung Ihrer Altersversorgung um 500 Euro stimmen, da Sie noch nicht im Parlament waren. Dennoch verteidigen Sie diese.
Frage: Wieso war es nicht möglich, die 500 Euro aus Ihrem Gehalt für die (Grund-)Altersversorgung zu entnehmen?
2. Die Argumentation mit einer nicht möglichen 1:1-Übertragung des Tarifabschlusses verschleiert ja, dass Sie für höhere Gehaltsgruppen gar nichts (!) übertragen. Also weder 1 : 0,5 oder 1 : 0,3, sondern gar nichts. Zu argumentieren, das Land könne nicht 1:1 übertragen, greift daher ja zu kurz.
Wurde in der Landesregierung diese Wortwahl (und die Argumentation mit den Kosten einer 1:1-Übertragung) bewusst deshalb ausgegeben, um zu verschleiern, dass man gar nichts übertragen wollte?
3. Ganz persönlich mit der Bitte um eine ehrliche Antwort: Wie finden Sie es, dass Frau Kraft ihr Wahlversprechen gebrochen hat?
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Stollenwerk
Sehr geehrter Herr Stollenwerk,
Ihre Fragen zu Abgeordnetenbezügen und Altersversorgung habe ich Ihnen bereits sehr ausführlich zu Ihrer Anfrage vom 02.06. beantwortet.
Zur Frage der dramatischen Situation des Landeshaushaltes und der sozial verträglichen modifizierten Weitergabe des Tarifabschlusses möchte ich aber gerne kurz erläutern warum wir so vorgehen.
Über zwei Generationen sind jetzt in den Kommunen, in den Ländern und im Bund immer neue Schulden aufgenommen worden. Diese Spirale müssen wir durchbrechen, um das vom Grundgesetzt jetzt für 2020 vorgeschriebene Verbot der Neuverschuldung überhaupt schaffen zu können. Wir nehmen dieses Jahr 3,4 Mrd. Schulden auf und zahlen 4 Mrd. € Zinsen. Das kann so nicht immer weiter gehen.
Wir haben uns in der Landesregierung als Ziel gesetzt, 1 Mrd. € bis 2017 strukturell einzusparen. Das geht nicht ohne den Personalbereich einzubeziehen. Zu den 43 % für das Landespersonal kommen ja noch die 116 000 Beschäftigten an den Hochschulen dazu, die auch aus Landesmitteln finanziert werden.
Diese Ausgaben bei einer umfassenden Überprüfung auszuklammern, war deshalb unmöglich. Die 1:1-Übertragung des Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst würde das Land zusätzlich 1,32 Mrd. Euro kosten. Deswegen haben wir für 2013 und 2014 eine Abwägungsentscheidung getroffen:
• Kein Stellenabbau, da dies die Arbeitsbelastung im Öffentlichen Dienst massiv erhöhen würde. Im Bildungssektor wird nicht gekürzt. Wir wissen:
Nicht nur bei Polizei, im Strafvollzug, bei den Hochschulen und in vielen Landesbehörden wird schon jetzt viel Mehrarbeit geleistet. Es sollen keinen
Stellen nach dem Rasenmäher-Prinzip gekürzt werden.
• Kein genereller Beförderungsstopp, da dieser leistungshemmend wirken würde.
• Keine weiteren Kürzungen beim Weihnachtsgeld oder den Pensionen, da dies Haushaltseinkommen direkt schmälern und Lebensplanungen
erschweren würde.
• Keine Ausweitung der Arbeitszeit, da dies zu zusätzlicher Arbeitsbelastung führen würde.
Wir haben uns für eine sozial gestaffelte Umsetzung des Tarifabschlusses entschieden, da wir glauben, dass die unteren Besoldungsgruppen durch steigende Lebenshaltungskosten besonders getroffen werden. Diese Lösung bedeutet Mehrkosten für das Land in Höhe von über 600 Mio. Euro.
Würde eine 1:1-Übertragung auf alle Gehaltsgruppen stattfinden, bedeutete dies zusätzliche rund 700 Mio. Euro pro Jahr. Und diese Mehrkosten entsprechen etwa einem Stellenabbau von 14 000 Stellen im öffentlichen Dienst.
Das geht nicht - weder bei den rund 175 000 Lehrerinnen und Lehrern, noch angesichts des doppelten Abiturjahrgangs bei den rd. 116 000 Stellen, die wir an den Hochschulen unseres Landes finanzieren. Einsparpotentiale dieser Größenordnung sind ebenso bei den rd. 50 000 Polizeistellen, bei den 30 000 Stellen in der Justiz oder in der Finanzverwaltung nicht möglich.
Wir setzten alle Einrichtungen des Landes, alle Programme und alle auch die freiwilligen gesetzlichen Leistungen des Landes auf den Prüfstand - und das wird auch zu weiteren Einsparungen führen müssen. Trotzdem brauchen wir im Bund eine Reform der Erbschaftssteuer und eine stärkere Beteiligung der höheren Einkommen über einen erhöhten Spitzensteuersatz und eine Vermögenssteuer oder Abgabe, um überhaupt die Chance zu haben, 2020 einen Haushalt ohne zusätzliche Neuverschuldung zu erreichen. Erst danach wäre überhaupt an die Tilgung der bisher aufgelaufenen Schulden zu denken.
Ein Wortbruch von Frau Ministerpräsidentin Kraft ist mir nicht bekannt.
Mit freundlichen Grüßen
Manuela Grochowiak-Schmieding MdL
Sprecherin für Sozialpolitik