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Manuela Grochowiak-Schmieding
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Rolf K. •

Frage an Manuela Grochowiak-Schmieding von Rolf K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Grochowiak-Schmieding,

Sie haben kürzlich die Besoldung eines Richters verglichen mit der Bezahlung einer Pflegerin zu einem Mindestlohn von € 7,00 pro Stunde. Da Sie diesen Vergleich schriftlich getätigt haben, muss ich davon ausgehen, dass dieses Ihre persönliche Meinung wiedergibt. Sieführen weiterhin aus, dass Sie sich für Richter/Studienräte etc. fremdschämen, da diese eine angemessene Besoldung gemäß den Vorgaben des Grundgesetztes der Bundesrepublik Deutschland fordern.

Offensichtlich ist Ihnen nicht geläufig, dass z.B. ein Richter a) 13 Jahre Schulbesuch, b) 5 Jahre Universitätsausbildung, c) 2,5 Jahre Referendariat absolviert - also rund 21 bis 22 Jahre für seine Ausbildung benötigt, eine Pflegerin zu einem Mindestlohn verfügt sicherlich nicht über eine abgeschlossene Ausbildung, sondern hat wohl nur knapp 8 Jahre Schulbesuch hinter sich gebracht.

Ihre Ausbildung ist mir nicht bekannt - entspricht diese die der von Ihnen zitierten Pflegerin zum Mindestlohn? - , aber ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie bei einer Wochenarbeitszeit von 50 bis 60 Stunden für € 2.300,00 arbeiten würden. Sie erhalten Diäten in Höhe von € 10.500,00 und haben sich kürzlich noch einen Zuschlag in Höhe von € 500,00 genehmigt, um Ihre Altersversorgung zu verbessern - all dieses auf Kosten der Allgemeinheit.

Wie stehen Sie dazu, dass der Beamtenschaft die vor der Wahl zugesagte Übernahme des Tarifabschlusses nun doch nicht eingehalten wird?

Mfg.
Rolf Krüger

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Krüger,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Mit dem kürzlich verabschiedeten Dienstrechtsanpassungsgesetz haben wir die erste Erfahrungsstufe bei der Richterbesoldung nach R1 gestrichen, das bedeutet, dass künftig Einstellungen in den Richterdienst mit der zweiten Erfahrungsstufe in R1 beginnen.
Die neue Besoldungstabelle R1 weist damit folgende Grundgehaltsbeträge (in Euro) aus:

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
3628 3710 3924 4138 4351 4565 4778 4992 5205 5419 5633

Vergleicht man die Richterbesoldung inklusive der Sonderzahlung und des Familienzuschlags abzüglich der Selbstbeteiligung bei der Beihilfe mit der Besoldung in den anderen 15 Bundesländern, liegt NRW dabei im Mittelfeld.

Sicher ist für Juristinnen und Juristen eine höhere Gehaltsentwicklung in Anwaltskanzleien oder anderen Bereichen der freien Wirtschaft möglich. Die Abwägung, inwieweit man die Arbeitsbedingungen dort gegenüber denen in einer Beamtenlaufbahn vorzieht, muss jeder und jede individuell für sich selbst entscheiden.

Die Annahme, wir wollten zu Lasten unserer Beschäftigten den Landeshaushalt sanieren, ist in der Sache falsch. Wir müssen in einer ersten Etappe bis 2017 1 Mrd. € strukturell einsparen. Dazu trägt die modifizierte Übernahme des Tarifabschlusses mit 300 Mio. € bei. Wir haben im Haushalt 2013 rd. 150 Mio. € über eine Vielzahl von Einzelprogrammen gegen teilweise ebenfalls sehr erbitterten Widerstand eingespart und müssen noch weitere 550 Mio. € in den kommenden Haushalten einsparen, und auch das wird sicherlich sehr viele Widerstände hervorrufen. Damit hätten wir aber trotzdem bis dahin „nur“ 1 Mrd. € geschafft und sind noch lange nicht bei der Nullverschuldung, die das Grundgesetz uns jetzt für 2020 vorschreibt, angekommen. Wir nehmen dieses Jahr 3,4 Mrd. Schulden auf und zahlen 4 Mrd. € Zinsen. Das kann so nicht immer weiter gehen. Es ist anscheinend vielen nicht klar, wie schwierig die Haushaltssituation in NRW ist.

Über zwei Generationen sind in den Kommunen, in den Ländern und im Bund immer neue Schulden aufgenommen worden. Der Bundeshaushalt hat seit 44 Jahren jedes Jahr neue Schulden aufgenommen. Diese Spirale müssen wir durchbrechen.

Um bei der Neuverschuldung von 3,4 Mrd. € auf null zu kommen, müssten wir 70 000 Stellen einsparen. Das geht nicht - weder bei den rund 175 000 Lehrerinnen und Lehrern, noch angesichts des doppelten Abiturjahrgangs bei den rd. 116 000 Stellen, die wir an den Hochschulen unseres Landes finanzieren. Einsparpotentiale dieser Größenordnung sind ebenso wenig bei den rd. 50 000 Polizeistellen, bei den 30 000 Stellen in der Justiz oder in der Finanzverwaltung möglich.

Wir setzten alle Einrichtungen des Landes, alle Programme und alle freiwilligen gesetzlichen Leistungen des Landes auf den Prüfstand - und das wird auch zu weiteren Einsparungen führen müssen. Trotzdem brauchen wir im Bund eine Reform der Erbschaftssteuer und eine stärkere Beteiligung der höheren Einkommen über einen erhöhten Spitzensteuersatz, sowie eine Vermögenssteuer oder Abgabe, um überhaupt die Chance zu haben, 2020 einen Haushalt ohne zusätzliche Neuverschuldung zu erreichen. Erst danach wäre an die Tilgung der bisher aufgelaufenen Schulden zu denken.

Wir stehen vor dem Problem, dass die Schuldengrenze im Jahr 2020 greift und vor allem der Anteil der Zinszahlungen im Haushalt immer weiter anwächst. Die historisch niedrigen Zinssätze helfen uns im Moment. Wir wüssten nicht, wie wir einen deutlichen Anstieg der Zinsen ohne wirklich dramatische Einschnitte verkraften sollten.

Ich verzichte jetzt darauf, Ihnen in diesem Schreiben umfangreiche weitere Zahlen zur Haushaltslage zuzuschicken. Ich kann nachvollziehen, dass zwei Nullrunden bei den Betroffenen Verärgerung und Enttäuschung hervorrufen. Wir würden ganz bestimmt auch lieber den Tarifabschluss 1:1 weitergeben, aber es geht aus unserer Sicht nicht und das hat ganz bestimmt nichts mit geringer Wertschätzung Ihrer Arbeit zu tun. Der Weg, einfach zusätzliche Neuverschuldung aufzunehmen, kann nicht mehr weiter beschritten werden.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die rot-grüne Landesregierung im Bereich der Justiz trotz der angespannten Haushaltslage auch für personelle Entlastung gesorgt hat:

- Justizwachtmeisterinnen und -wachtmeister in Nordrhein-Westfalen werden seit 2011 besser besoldet. Das Eingangsamt der Laufbahn des Justizwachtmeisterdienstes wurde von der Besoldungsgruppe A 3 auf A 4 angehoben. Für die Leiterinnen und Leiter größerer Wachtmeistereien (in der Regel mit 20 und mehr Planstellen) wurde die Grundlage für die Anhebung der Besoldung des Spitzenamtes von A 6 nach A 7 geschaffen. Dies ist ein wichtiges Zeichen für eine besondere Anerkennung und Wertschätzung dieser Berufsgruppe.

- Wir haben verteilt über zwei Jahre 550 neue Stellen in der Justizverwaltung geschaffen und damit befristete Kettenarbeitsverträge in unbefristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt; ein Großteil der Stellen davon sind bei den Gerichten entstanden.

- Ebenfalls wurden 50 neue Stellen für Amtsanwältinnen und Amtsanwälte eingerichtet.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Erläuterungen unsere Entscheidungsgründe näher gebracht zu haben,
mit freundlichen Grüßen

Manuela Grochowiak-Schmieding MdL