Frage an Manfred Zöllmer von Christina K. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Zöllner,
»Alle an Tieren experimentell gewonnenen Ergebnisse haben nur für die jeweilige Art Aussagekraft und in exakter Auslegung sogar nur für das jeweilige Individuum, an dem experimentiert wurde. Es ist also falsch, aus den an Ratten studierten Sachverhalten einfach auf die Bedingungen von
Menschen, Hunden oder Wiederkäuern zu schließen.«
Zitat von Prof. Dr. Klaus Gärtner, Tierexperimentator an der Medizinischen Hochschule Hannover
Nun zu meiner Frage: Wenn schon Wissenschaftler die Übertragbarkeit von Tierversuchen auf den Menschen ausschließen, warum werden sie dann noch vorgeschrieben und warum müssen sie zu ihrer wissenschaftlichen Anerkennung nicht genauso validiert werden wie die alternativen
Ersatzmethoden? Geht es dann überhaupt noch um den Verbraucherschutz oder nicht doch vielmehr um wirtschaftliche Interessen? Und wie erklärt sich dann die Aussage der Bundesregierung, dass Tierversuche nach Möglichkeit
ersetzt werden sollen, während gleichzeitig für die Förderung von
Tierversuchen ein Vielfaches an Geldern im Haushalt vorgesehen ist, als für die Erforschung von Ersatzmethoden veranschlagt wurde? Bei Ihrer Antwort bitte ich zu berücksichtigen, dass ich in die Thematik eingearbeitet bin und auch die Gesetzeslage kenne.
MfG
Christina Kremer
Sehr geehrte Frau Kremer,
das Inverkehrbringen von Arzneimittel ist in Deutschland an strenge Auflagen gebunden. Neben der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels ist auch dessen Qualität nachzuweisen. Wie Sie selber wissen, fordern die Arzneimittelprüfrichtlinien analytische und klinische sowie pharmakologisch-toxikologische Prüfungen. Tierversuche werden zum überwiegenden Teil im pharmazeutischen Bereich durchgeführt. Sie dienen der gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfung von Arzneimitteln. Zum heutigen Zeitpunkt können leider nicht alle Fragen durch den Einsatz von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch beantwortet werden. Insbesondere Wechselbeziehungen, die sich durch die Einnahme von Arzneimittelsubstanzen im Körper von Tieren und Menschen abspielen, sind nicht immer durch einfache Simulationsmodelle darstellbar. Gerade im Zusammenhang mit der Einführung neuartiger Medikamente werden daher Tierversuche durchgeführt.
Sicherlich hat der von Ihnen zitierte Prof. Dr. Klaus Gärtner Recht, dass an Ratten studierte Sachverhalte nicht einfach auf die Bedingungen von Menschen übertragen werden können. Diese Aussage ist in meinen Augen aber auch nicht als generelles Plädoyer gegen alle Formen von Tierversuchen zu sehen. Vielmehr können die an Tieren experimentell gewonnenen Ergebnisse Hinweise auf bestimmte Wechselwirkungen von Arzneimittelinhaltsstoffen geben. Diese wichtigen Informationen benötigen die Unternehmen, damit Arzneimittel ihre Wirksamkeit dort entfalten, wo dies erwünscht ist.
Die Beförderung tierversuchsfreier Testverfahren ist ein zentrales Anliegen der SPD. Im internationalen Vergleich nimmt Deutschland eine Vorreiterrolle ein, wenn es darum geht, alternative Versuchsmethoden zu fördern und in Gültigkeit zu bringen.
In diesem Zusammenhang verweise ich auf die dem Bundesamt für Risikobewertung (BfR) angegliederte staatliche Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET). Seit ihrer Gründung wird ZEBET innerhalb des BfR von der Bundesregierung bzw. den zuständigen Ressorts bei der Vorbereitung neuer Gesetze und Verordnungen beteiligt, bei denen die Tierversuchsproblematik berührt wird, wie z.B. bei der Novellierung des Tierschutzgesetzes oder der Erarbeitung von EU-Richtlinien. Es ist das Ziel dieser wissenschaftlichen Institution, dass insbesondere gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche durch alternative Untersuchungsmethoden ersetzt werden, die Zahl der Versuchstiere auf das wirklich unerlässliche Maß reduziert wird und die Leiden und die Schmerzen der Versuchstiere im Experiment vermindert werden. ZEBET hat die Aufgaben, Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch zu dokumentieren, zu bewerten und ihre Anerkennung national und international zu empfehlen respektive auch durchzusetzen. Das ZEBET führt auch eigene Forschungsarbeiten durch und fördert über einen besonderen Etat gezielt Projekte zur Entwicklung von Alternativmethoden anderer Institutionen. Die Arbeit des ZEBET wird durch eine wissenschaftliche Kommission unterstützt, in der auch Vertreter von Tierschutzorganisationen vertreten sind. Die ZEBET-Datenbank enthält mehrere hundert Alternativmethoden für die Arzneimittelentwicklung, die in einem zeitaufwendigen Weg international abgesichert und anerkannt werden müssen. Erst dann sind sie als Alternativmethode anerkannt und können Tierversuche vermeiden.
Die Umsetzung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch sind zeitlich sehr aufwändig. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass wir auf einem richtigen und verantwortungsvollen Weg sind, die Zahl der Tierversuche weiter zu reduzieren.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Zöllmer