Frage an Malte Fiedler von Jürgen L. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Fiedler
das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA wird heftig diskutiert. Mich interessiert Ihre Meinung zu folgenden Punkten:
- Ist es mit Demokratie vereinbar, dass die EU-Kommission diese Verhandlungen unter strikter Geheimhaltung der im Verhandlungsmandat formulierten Ziele und unter Geheimhaltung der Verhandlungsprotokolle führt und dass diese Geheimhaltung gegenüber den Bürgern und – mit wenigen Ausnahmen – gegenüber den Abgeordneten des Parlamentsaufrechterhalten wird?
- Ist es mit Demokratie und den Rechten der Parlamentarier vereinbar, dass ein Sondergericht installiert werden soll, vor dem Industriekonzerne eigentlich souveräne Staaten verklagen können, wenn diese Konzerne glauben, dass eine Gesetzgebung ihre Gewinninteressen schmälert.
Ist es mit Demokratie und Rechtsstaat vereinbar, dass dieses Sondergericht
* geheim tagt?
*seine Beschlüsse bzw. Beschlussbegründungen geheim hält?
* die Richter in einem intransparenten Verfahren aus den Rechtsanwälten großer Wirtschaftskanzleien rekrutiert werden?
* es nur eine Instanz gibt und eine Berufung gegen ein „Urteil“ nicht möglich ist?
und
* dass zwar Industriekonzerne vor diesem „Gericht“ souveräne Staaten verklagen können sollen, nicht aber Staaten die Industriekonzerne?
- Halten Sie für richtig, dass nach Meinung der EU-Kommission das Verhandlungsergebnis den nationalen Parlamenten nicht vorgelegt werden muss, obwohl der Vertrag direkt in die Souveränität der einzelnen Staaten eingreifen würde? - Es erfolgt dann nämlich jede Gesetzgebung unter der Drohung, dass Konzerne sich geschädigt sehen und vom Steuerzahler Milliarden fordern könnten.
- Warum reicht die normale Gerichtsbarkeit nicht aus, um Rechtsstreitigkeiten über Investitionen zu klären?
Ich bin ich sehr an einer Antwort Ihrerseits interessiert und danke Ihnen für Ihre Mühe.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. J. Link
Lieber Jürgen Link,
Vielen Dank für Ihre Fragen. Ich werde versuchen in einem kurzen zusammenhängenden Text auf Ihre Fragen zu antworten. Vorab kann ich Ihnen direkt sagen, dass ich die Verhandlungen über die transatlantischen Freihandelsverträge ablehne. Das betrifft sowohl das Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) als auch der EU mit Kanada (CETA).
Während CETA schon diesen Sommer im Europäischen Parlament abgestimmt werden soll, hat die öffentliche Auseinandersetzung um TTIP gerade erst begonnen. Dabei wird schon seit Juni 2013 in Geheimverhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und der Regierung der USA über Grundzüge von TTIP verhandelt. Das europäische Parlament, die Zivilgesellschaft sowie die europäische und amerikanische Bevölkerung haben keinen Zugang zu Verhandlungsdokumenten. Auf der anderen Seite sitzen Lobbyvertreter*innen großer transnationaler Konzerne mit am Verhandlungstisch. Diese Aushöhlung der Demokratie ist gewollt. In den Verhandlungen soll bewusst keine Öffentlichkeit hergestellt werden. Denn das was verhandelt wird hat es in sich. Im geplanten Freihandelsabkommen geht es weniger um den Abbau von Zöllen. Diese sind zwischen der EU und den USA schon auf historisch niedrigem Niveau. Bei TTIP geht es vor allem um den Abbau sogenannter nichttarifärer Handelshemmnisse, wie z.B. Sozial-, Umwelt- und Gesundheitsstandards. Insbesondere das geplante Investor-Staat-Schiedsgerichtverfahren hebelt, wie sie richtig erkannt haben, nicht nur unseren Rechtsstaat und die hiesige Rechtsprechung aus, sondern droht auch massiv die Demokratie einzuschränken.
Der Investorenschutz ist in der EU und den USA schon stark in der nationalen Rechtssetzung verankert. Ein gesonderter Anspruch für Investoren vor private ad-Hoc Schiedsgerichte wie z.B. das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) zu ziehen ist daher nicht notwendig, bzw. steigert nur die Profitmöglichkeiten transnationaler Konzerne und global agierender Anwaltskanzleien mit dem Schwerpunkt auf Investitionsschutzrecht. Gleichzeitig werden demokratische Gestaltungsmöglichkeiten stark eingeschränkt, wenn es Konzernen gestattet wird in Zukunft Staaten verklagen zu können, wenn neue Umwelt- oder Sozialgesetze ihre Gewinnerwartungen schmälern könnten.
Die TTIP-Verhandlungen zwischen EU und USA müssen gestoppt werden. Das CETA Abkommen muss im Europäischen Parlament abgelehnt werden. Statt neoliberaler Freihandelsdoktrin setzt sich DIE LINKE ein für fairen Handel zwischen den Staaten und für hohe soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards.
Beste Grüße,
Malte Fiedler