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Frage von Renate S. •

Frage an Lydia Westrich von Renate S. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Westrich,

das Familienleistungsgesetz befindet sich z.Z. in der politischen Beratung. Über die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag kann man sich sicher streiten.

Sie bemängelten in der Bundestagsdiskussion am 13.12.2008, dass eine Erhöhung des steuerlichen Kinderfreibetrags (sächliches Existenzminimum) nur den Besserverdienenden nütze.

Diese Auffassung teile ich nicht. Haben Sie bei Ihrer Meinungsbildung berücksichtigt, dass sich seit der Unterhaltsrechtsreform (zum 01.01.2008) die Höhe des sächlichen Existenzminimums auch auf die Höhe des Mindestunterhalts von Kindern (vgl. § 1612a BGB) sowie
auf die Höhe von Unterhaltsvorschussleistungen auswirkt?

Die Höhe des sächlichen Existenzminimums muss m.E. über die im Entwurf des Existenzminimumsberichts genannten 3.864 € (im Gesetzentwurf noch 3.840 €) hinaus erhöht werden.
Die dort errechneten Sätze lassen z.B. das Schulbedarfspaket, das immerhin mindestens 10 Jahrgänge betrifft, völlig unberücksichtigt. Dass die Regelsätze/-leistungen, die der Berechnung des Existenzminimums zugrunde liegen, nicht wirklich den Kinderbedarf erfassen, haben gerade erst auch die Arbeits- und Sozialminister zum Ausdruck gebracht.
Wenn es zu einem sächlichen Existenzminimum von 3.864 € käme, erhielten Alleinerziehende wegen der Kindergeldberücksichtigung in den ersten beiden Altersstufen ab 2009 weniger Unterhalt und beim Vergleich zum Jahr 2005 letztlich keine Erhöhung des Zahlbetrags.

Werden Sie sich bei dieser Sachlage für eine weitere Erhöhung des sächlichen Kinderfreibetrags einsetzen und die Frage nicht nur unter finanzpolitischen Aspekten beurteilen?

Mit freundlichen Grüßen
Renate Schulz

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Schulz,

vielen Dank für Ihre Frage zur Anrechnung des Kindergeldes auf Unterhalts- und Unterhaltsvorschusszahlungen. Lassen Sie mich zunächst einmal klarstellen, dass ich in meiner Rede nicht gesagt habe, der steuerliche Kinderfreibetrag diene nur den Besserverdienenden. Ich habe gesagt, dass uns das bei jeder Erhöhung des Kindergeldes und damit auch des Kinderfreibetrages vorgeworfen wird. Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Anpassung des Kinderfreibetrages verfassungsgemäße Pflicht ist. Sie haben aber Recht, wenn Sie feststellen, dass die Kindergelderhöhungen auf den zu leistenden Unterhalt angerechnet werden. Sie wissen, dass das Kindergeld beiden Eltern zu gleichen Teilen zugerechnet wird. Dem unterhaltspflichtigen Elternteil wird das hälftige Kindergeld von der Unterhaltssumme abgezogen, der unterhaltsberechtigte Elternteil erhält dafür die gesamte Kindergeldsumme. Es ist richtig, dass es bei einer Erhöhung des Kindergelds bei Unterhaltsberechtigten nur zu einer halben Erhöhung kommt im Vergleich zu Familien, in denen keine Unterhaltsleistungen bezogen werden. Auch dem unterhaltspflichtigen Elternteil steht ein Anteil an der Kindergelderhöhung zu, denn er beteiligt sich, eben finanziell, an der Erziehung und Betreuung seines Kindes. Dem unterhaltspflichtigen Elternteil kann daher sein Anteil an der Erhöhung des Kindergeldes nicht verwehrt werden.
Zur Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhaltsvorschuss möchte ich anmerken, dass der Unterhaltsvorschuss eine freiwillige Leistung des Staates darstellt, der hier die Aufgabe der Unterhaltspflichtigen übernimmt. Dass das Kindergeld hier mit dieser Sozialleistung verrechnet wird, ist m. E. nicht zu beanstanden, zumal sie höher ist als das Kindergeld. Auch bei den geleisteten Unterhaltszahlungen dürfen die Zahler das Kindergeld anrechnen.
Die Berechnung der Regelsätze für Sozialleistungen für Kinder finde auch ich problematisch. Die großen Wohlfahrtsverbände haben ja vor kurzem ausgerechnet, wie hoch ein eigenes Kinderexistenzminimum sein müsste. Dabei kamen sie zu etwas unterschiedlichen Summen, insgesamt jedoch errechneten die Verbände kindspezifische Regelsätze, die die Wirklichkeit besser abbilden als die abgeleiteten Regesätze, die aktuell gelten. Ich bin davon überzeugt, dass die Regelsätze für Kinder im Bezug von Leistungen nach SGB II neu berechnet und höher angesetzt werden müssen. Generell bin ich der Meinung, dass der beste Schutz vor Armut, die ja leider in besonderem Maße Alleinerziehende betrifft, gute Bildung und Arbeit ist. Dazu ist der weitere qualitative wie quantitative Ausbau der Kinderbetreuung nötig, damit Frauen im sicheren Wissen, ihr Kind gut betreut zu haben, einer eigenen Erwerbsarbeit nachgehen können. Kinder profitieren von guter Betreuung in Kindertagesstätten und Schulen und erhöhen damit ihre Chance, später selbst finanziell auf eigenen Füßen stehen zu können.
Gleichwohl unterstützt der Staat bedürftige Familien (auch Ein-Eltern-Familien) auf vielfältige Weise. Der Kinderzuschlag ist deutlich ausgeweitet worden, das Wohngeld wurde erhöht, wir haben den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab 1 Jahr eingeführt und der Ganztagsschulausbau geht weiter. Mit dem Schulbedarfspaket von jährlich 100 € pro Monat unterstützen wir Familien mit Kinder aus dem Sozialhilfebezug gezielt bei Anschaffungen für die Schule. Diesen Mix von Strukturmaßnahmen und gezielten finanziellen Unterstützungen bedürftiger Familien müssen wir allerdings weiterführen, denn noch immer leben bei uns zu viele Kinder in Armut. Mit Geldleistungen allein wird das allerdings nicht gelingen.

Mit freundlichen Grüßen
Lydia Westrich