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Lydia Westrich
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Frage von Peter S. •

Frage an Lydia Westrich von Peter S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Westrich,

Sie haben dem Zugangserschwerungsgesetz zugestimmt.

Warum?

Warum haben die Einwände der Gegner des Gesetzes keine Relevanz für Sie?

Was erschien Ihnen so lohnend oder wichtig an diesem Gesetz, dass Sie aktiv zur Schaffung einer Zensurinfrastruktur in Deutschland beitragen?

Warum machen Sie sich stark daür wegzusehen, statt zu handeln? Erwarten Sie tatsächlich, dass das Gesetz einen Effekt auf die Verbreitung von Kinderpornographie hat?

Warum halten Sie die bestehenden Gesetze für nicht ausreichend?

Mit freundlichem Gruß,

Ihr enttäuschter Peter Singer

Portrait von Lydia Westrich
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Singer,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Zugangserschwerungsgesetz. Wie ich bereits in meiner Antwort vom 19. Juni an Herrn Köhler geschrieben hatte, habe ich dem Gesetzentwurf trotz einiger Bedenken zugestimmt. Die Einwände der Kritiker hatten somit sehr wohl Relevanz für mich und erst die durch die SPD durchgesetzten rechtststaatlichen Prinzipien haben mich dazu bewogen, dem Gesetz meine Stimme zu geben.

Kinder und Jugendliche haben in ganz besonderer Weise ein Anrecht darauf, beschützt und unversehrt aufzuwachsen. Gerade deshalb halte ich sexuelle Gewalt und Ausbeutung als schwerste Eingriffe gegen das Kindeswohl für nicht hinnehmbar. Leider hat sich gezeigt, dass die derzeit geltenden gesetzlichen Regelungen noch immer nicht ausreichend sind. Zwar haben wir in den vergangenen Jahren das Herstellen, die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornographie lückenlos unter Strafe gestellt. Dies hat jedoch offensichtlich nicht ausgereicht, die Verbreitung von Kinderpornographie gerade im Internet nachhaltig zu unterbinden.

Nach derzeitiger Rechtslage werden Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten gelöscht, solange sich die Inhalte auf deutschen Servern befinden. Immer öfter erfolgt die kommerzielle Verbreitung von Kinderpornographie jedoch über im Ausland stehende Server, auf die wir keinen direkten Einfluss haben. Für diesen Fall erlaubt nun das Gesetz die Sperrung des Zugangs auf solche Seiten, falls eine vorherige Löschung nicht möglich ist.

Natürlich bin ich mir sehr wohl darüber im Klaren, dass die Sperren von versierten Nutzern technisch umgangen werden können. Aber dies war für meine Zustimmung nicht entscheidend. Vielmehr kam es für mich maßgeblich darauf an, die Hemmschwelle für den illegalen Konsum kinderpornographischer Inhalte wieder zu erhöhen. Mir ging es bei meiner Zustimmung in erster Linie um diejenigen Internet-Nutzer, die sich erstmals mit solch illegalen Inhalten beschäftigen. Gerade diese sollen mit der Umleitung auf eine Stoppseite zum Nachdenken über ihr Surf-Verhalten bewogen werden.

Sehr geehrter Herr Singer, auch ich sehe die Internetsperren nicht als Allheilmittel gegen Kinderpornographie an, ich halte sie aber für einen wichtigen Schritt, den Konsum von Kinderpornographie einzuschränken. Meine Beweggründe, dem Gesetz trotz einiger Bedenken zuzustimmen, habe ich gemeinsam mit einigen anderen SPD-Abgeordneten im Zuge der Namentlichen Abstimmung im Bundestag in einer gemeinsamen Erklärung öffentlich gemacht. Ich habe Ihnen die Erklärung zur Kenntnis beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen

Lydia Westrich, MdB

„Erklärung gemäß § 31 GO-BT

der Abgeordneten Monika Griefahn, Klaus Hagemann, Ewald Schurer, Peter Friedrich, Dr. Lale Akgün, Marco Bülow, Gabriele Frechen, Christian Carstensen, Ursula Mogg, Dr. Rainer Tabillion, Gabriele Hiller-Ohm, Gustav Herzog, Dr. Reinhold Hemker, Johannes Jung (Karlsruhe), Christoph Pries, Klaus Uwe Benneter, Helga Kühn-Mengel, Gabriele Lösekrug-Möller, Gregor Amann, Swen Schulz (Spandau), Florian Pronold, Lydia Westrich, Katja Mast, Petra Heß, Hilde Mattheis, Ute Kumpf, Angelika Graf (Rosenheim), Gabriele Fograscher, Ulla Burchardt, Waltraud Lehn, Lothar Binding (Heidelberg), Dr. Eva Högl, Kurt Bodewig, Jella Teuchner, Dr. Axel Berg, Elke Ferner, Christel Humme und Petra Merkel (Berlin) (alle SPD)

zur 2./3. Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD "Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen" am 18.06.2009, Drucksache 16/12850

Ich stimme dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD "Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen" in der mit der Beschlussempfehlung geänderten Fassung bei der Beratung in 2. und 3. Lesung zu, obgleich ich folgende Bedenken zu Protokoll gebe:

Ich stimme dem Gesetzentwurf in der geänderten Fassung zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion sich mit ihrer Forderung nach einer grundlegenden Überarbeitung des ursprünglichen Gesetzentwurfes in den Verhandlungen auf ganzer Linie durchgesetzt hat. Mit der neuen gesetzlichen Regelung bekämpfen wir nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen ein transparentes Verfahren. Dabei begrüße ich insbesondere, dass die SPD folgende rechtsstaatliche Grundsätze in den Verhandlungen durchsetzen konnte:

1. Verankerung des Subsidiaritätsprinzips: Löschen vor Sperren:

Die Aufnahme in die Sperrliste des BKA erfolgt nur, so weit zulässige Maßnahmen, die auf eine Löschung der Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten abzielen, keinen Erfolg haben.

2. Kontrolle der BKA-Liste und Rechtsschutzmöglichkeiten Betroffener:

Beim Datenschutzbeauftragten des Bundes wird ein unabhängiges Gremium bestellt, dessen Mitglieder mehrheitlich die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Das Gremium kontrolliert die BKA-Liste regelmäßig und kann sie jederzeit einsehen und korrigieren, soweit die Voraussetzungen für eine Sperrung nicht vorliegen. Es wird verankert, dass gegen die Aufnahme in die Sperrliste der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Anders als es der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit heute erklärt hat, wird mit diesem Gremium keine Kontrollbehörde geschaffen, die die Unabhängigkeit seiner Behörde in Frage stellt. Vielmehr soll die Unabhängigkeit der Institution des Beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit die Unabhängigkeit des Gremiums zur Prüfung der Sperrliste beim BKA stärken und zur Wahrung der Informationsfreiheit beitragen.

3. Datenschutz:

Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.

4. Spezialgesetzliche Regelung mit Befristung:

Zur eindeutigen Klarstellung, dass nur eine Sperrung von Internet-Seiten mit Kinderpornografie ermöglicht wird, nicht jedoch von anderen Inhalten, werden die wesentlichen Regelungen in einem neuen Zugangserschwerungsgesetz statt im Telemediengesetz verankert. Zudem tritt das Gesetz automatisch zum 31. Dezember 2012 außer Kraft, so dass in jedem Falle die vorgesehene Evaluation auszuwerten ist, auf deren Basis endgültig entschieden werden kann. Zusätzlich haben wir eine Bestimmung aufgenommen, die ausschließt, dass die neu geschaffene Infrastruktur zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche genutzt werden kann.

Mit diesen Änderungen werden auch die wesentlichen Forderungen des Bundesrates, der Sachverständigenanhörung und der Netz-Community Rechnung getragen. Dennoch bleiben natürlich grundsätzliche Bedenken gegen den Aufbau einer entsprechenden Sperrinfrastruktur bestehen, die - bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag - auch zu anderen Zwecken als der Sperrung kinderpornografischer Inhalte genutzt werden könnte. Hier waren gerade aus der Unionsfraktion in den vergangenen Tagen und Wochen Forderungen bekannt geworden, diese Sperren auch für Computerspiele, Glückspiele, extremistische Inhalte oder gar Urheberrechtsverletzungen anzuwenden. Hierzu erkläre ich, dass eine Ausweitung der Sperrinfrastruktur für andere Zwecke für mich grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Schließlich bleibt bei der Abwägung der Zustimmung zu diesem Gesetz auch der Umstand zu berücksichtigen, dass die entsprechende Sperrinfrastruktur aufgrund der abgeschlossenen Verträge zwischen BKA und Internetprovidern bereits aufgebaut wird. Diese Verträge beinhalten keinen hinreichenden Grundrechtsschutz und verfahrensrechtliche Sicherungen und sind deshalb höchst problematisch. Ich sehe es als meine Pflicht als Abgeordnete an, solche weitgehenden, intransparenten und verfassungsrechtlich schlicht unzulässige Verträge zu Lasten Dritter durch eine gesetzliche Grundlage abzuschwächen und ihre negative Wirkung zu reduzieren.“