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Lydia Westrich
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Frage von Peter S. •

Frage an Lydia Westrich von Peter S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Westrich,

angesichts Ihrer Aufgabe im Finanzausschuß und der sich daraus ergebenden Nähe zum Finanzminister Steinbrück ergibt sich foldende Frage:

Als Herr Beck vor geraumer Zeit anregte, dass ältere Menschen, die über viele Jahrzehnte Beiträge in unsere Sozialversicherungs- systele geleistet haben und dann arbeitslos werden, einen längeren Anspruch auf ALG 1 haben sollten als jene, die bisher keine oder geringe Beitragsleistungen erbracht haben, war der empörte Aufschrei des Herrn Steinbrück, dass es an den dafür notwendigen Mitteln fehle und diese Vorgehensweise Kürzungen in anderen Bereichen des Sozialbudgets unabdingbar machen würden nicht zu überhören.
Aber wenn eine Großbank Liquiditätsprobleme bekommt findet Herr Steinbrück über Nacht Milliadenbeträge in seiner Schatulle.

Ist diese Vorgehensweise mit der sozialen Marktwirtschaft vereinbar ???
Widersprechen Sie mir, wenn ich diese Politik als asoziale Marktwirtschaft bezeichne ???
Was haben solche Entscheidungen mit sozialdemokratischer Politik zu tun ???

Es grüßt freundlich
Peter Springborn

Portrait von Lydia Westrich
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Springborn,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 11. November 2008, in der Sie sich mich
um meine Meinung zum Finanzmarkt-Stabilisierungsfonds befragen. Gerne
nehme ich hierzu Stellung:

Mit dem Rettungspaket haben Regierung und Parlament im vergangenen Monat einen wichtigen und absolut notwendigen Schritt zur Stabilisierung der Finanzmärkte gemacht. Angesichts der immensen Summen, über die wir zu befinden hatten, ist mir meine Entscheidung nicht leicht gefallen. Ohne den regulierenden Eingriff des Staates aber wären die Auswirkungen der Krise unabsehbar gewesen: Es ging nicht darum, nur einzelne Banken vor dem Aus zu retten. Vielmehr musste ein kompletter Zusammenbruch des Bankensektors verhindert werden. Denn der dringend erforderliche Geldfluss, also die gegenseitige Kreditvergabe unter den Finanzinstituten, war beinahe vollständig zum Erliegen gekommen.

Ohne die Intervention des Staates hätte sich dies zweifelsohne auch auf die Kreditvergabe an Unternehmen ausgewirkt. Investitionen wären nicht mehr möglich gewesen, die deutsche Wirtschaft wäre in eine schwere und lange Rezession geraten. Die Konsequenzen, die dieses Szenario auf jeden Einzelnen von uns gehabt hätte, muss ich Ihnen sicherlich nicht beschreiben: Der Abbau von Arbeitsplätzen, der Verlust von Sparguthaben und eine geringere Werthaltigkeit unserer Währung wären nicht auszuschließen gewesen. Auch der Staat hätte dann mit erhöhten Ausgaben (in Form von Sozialtransfers, etc.) zu kämpfen gehabt.

Das Rettungspaket sieht vor, dass der Staat Garantien für Kredite zwischen den Banken in Höhe von maximal 400 Milliarden Euro übernimmt. Mit weiteren maximal 70 Mrd. Euro kann der Fonds bei Bedarf notleidenden Banken direkt helfen. Damit kann er insbesondere frisches Eigenkapital zur Verfügung stellen. Im Gegenzug dazu erhält der Staat Anteile, die er langfristig wieder veräußern kann. Darüber hinaus sehen sich die Banken, wenn sie die staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen wollen, mit weiteren erheblichen Auflagen bzw. Vorbedingungen konfrontiert. Dazu zählen u. a.: Deckelung der Managervergütungen, Überprüfung der geschäftspolitischen Ausrichtung, Beschränkung der Dividendenausschüttungen.

Die Summe für die Garantien und die direkten Hilfen sind so gewählt, dass sie unter heutigen Annahmen ausreichend sein sollten, um die gewünschte Stabilisierung zu gewährleisten. Zugleich hat sich der Staat mit den Auflagen sichergestellt, dass gegebenenfalls investiertes Steuergeld wieder an den Staat zurückfließt, wenn die betreffende Bank wieder Gewinne macht. Es ist somit durchaus möglich, dass im Laufe der Zeit die Einnahmen des Fonds (aus den Gebühren für die Garantien sowie den Erlösen für die zuvor erworbenen Beteiligungen) die Ausgaben ausgleichen und somit gar kein Defizit entsteht. Genau das war bei einer vergleichbar angelegten Bankenkrise in Schweden vor einigen Jahren der Fall.

Sehr geehrter Herr Springborn, um es noch einmal deutlich zu machen: Mit diesem in der Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Maßnahmenpaket wird nicht den Bankmanagern aus der Klemme geholfen. Ziel ist es vielmehr, die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die Kellnerin, den Dachdecker oder den mittelständischen Unternehmer und seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen. Vor diesem Hintergrund gab es zu dem Rettungspaket keinerlei Alternative! Dies zeigt sich nicht zuletzt an der Tatsache, dass sich alle im Bundestag vertretenen Parteien – inklusive der Oppositionsparteien von den Grünen bis zur Linkspartei – prinzipiell für ein Eingreifen des Staates ausgesprochen haben.

Das Maßnahmenpaket ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen Konsolidierungspolitik der deutschen Bundesregierung. Ziel ist es noch immer, bis zum Jahr 2011 einen Haushalt ohne Neuverschuldung zu erreichen, was allerdings im Gegenzug nicht bedeuten darf, dass dieses Ziel zum reinen Selbstzweck wird. Deshalb haben wir bereits Ende Januar 2008 unseren Parteitagsbeschluss von Oktober 2007 umgesetzt und mit unserem Koalitionspartner eine gemeinsame Regelung zur Verlängerung der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I für Ältere gefunden.

Zwar hatten wir bereits in den vergangenen Jahren große Fortschritte für mehr Beschäftigung Älterer erzielt. Dieser Mentalitätswechsel ist auch in Ansätzen erkennbar: So ist etwa die Beschäftigungsquote der über 55-Jährigen von 37,7% Ende der 90er Jahre auf deutlich über 50% angestiegen. Gleichwohl waren die Chancen für Ältere immer noch signifikant geringer als bei anderen Altersgruppen. Deshalb haben wir die Dauer des Anspruchs auf ALG I für Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, stufenweise verlängert. Die Verlängerung erfolgt unter Berücksichtigung des Lebensalters und der zurückgelegten Versicherungszeiten in den letzten fünf Jahren vor Entstehung des Anspruchs. Die Lebensleistung Älterer wird somit wieder stärker berücksichtigt. Über 50-Jährige bekommen rückwirkend zum 1. Januar diesen Jahres 15 Monate Arbeitslosengeld I, über 55-Jährige 18 Monate und ab 58 wird 24 Monate ALG I gezahlt.

Sehr geehrter Herr Springborn, Ziel sozialdemokratischer Politik ist es, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts auch in Hinblick auf zukünftige Generationen verantwortungsbewusst entgegenzutreten: Hierzu zählt die Bewältigung der Finanzmarktkrise ebenso wie die das Ziel, gute Arbeit zu ermöglichen.

Mit freundlichen Grüßen

Lydia Westrich, MdB