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Frage von Gerd S. •

Frage an Lydia Westrich von Gerd S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Frau Westrich,

vorneweg: die gleiche Frage habe ich Frau Astrik Klug aus dem Wahlkreis Homburg gestellt; Ich wohne z. Zt. in Homburg, habe aber meinen 1. Wohnsitz noch im Wahlkreis Pirmasens. Gerne stimmen Sie sich mit Frau Klug zu einer gemeinsame Antwort ab. Vielleicht haben Sie aber auch unterschiedliche Meinungen, das ist Ihr gutes Recht.

ich möchte Sie um Ihre Meinung zum Thema "elektronische Wahlmaschinen" auch Wahlcomputer genannt bitten. Über dieses Thema berichtet seit einiger Zeit regelmäßig die Fachzeitschrift c´t.

Offenbar vermindern solche Maschinen den Aufwand, der mit Wahlen verbunden ist, und den letztlich der Steuerzahler tragen muss, weshalb der Wunsch nach Ihrem Einsatz nachvollziehbar ist.

Solche Maschinen müssen allerdings bestimmten Standards genügen. Die Einhaltung der Standards soll in Deutschland die PTB sicherstellen und damit den Maschinen sozusagen ein "Gütesiegel" verpassen.

Nun ist es offenbar so, dass der Gesetzgeber die Herausgabe der technischen Dokumentation dieser Maschinen an jedermann ausdrücklich nicht vorsieht, weil dadurch die Interessen des Herstellers verletzt werden. Somit kann auch - außer durch die PTB - nicht überprüft werden, welche Manipulationsmöglichkeiten an diesen Maschinen bestehen.

Letztlich wird dadurch verhindert, dass das Zustandekommen des Wahlergebnis für den Wähler transparent wird. Bei der bisherigen Methode ist das jederzeit durch Zählen der Stimmzettel auch für Laien möglich, auch im Nachhinein, solange die Zettel aufbewahrt werden.

Ich finde es bezeichnend, dass aus diesen Gründen gerade eine Fachzeitschrift, die von technikbegeisterenden Menschen verfasst wird, Wahlmaschinen unter den jetzigen Randbedingungen ablehnt.

Wie stehen Sie zum Einsatz von Wahlcomputern ?
Wenn Sie ihn befürworten, welche Möglichkeiten wollen Sie den Wählern einräumen, dem Manipulationspotential dieser Maschinen nachgehen zu können?

Herzlichst - Gerd Schaaf

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schaaf,

vielen Dank für Ihre eMail vom 27.11.2007 und Ihre Nachfrage nach den Sicherheitsbedingungen von sogenannten Wahlgeräten.

Ich habe Verständnis für Ihre Sorge bei der Einführung von Wahlmaschinen. Sie sind nicht der einzige. Im Rahmen einer öffentlichen Petition an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, dessen Mitglied ich bin, haben über 45.000 Bürgerinnen und Bürger eine Petition unterzeichnet, die sich gegen den Einsatz der Wahlgeräte zur Stimmabgabe richtet.

Der Petitionssausschuss hat eine öffentliche Anhörung zu diesem Thema ausgerichtet und sich die Argumente der Petenten ausführlich angehört. Das Bundesministerium des Inneren (BMI) hat dem Ausschuss den Bericht „Beschreibung und Auswertung der Untersuchungen an NEDAP – Wahlcomputern“ zugeleitet, in dem die vom Chaos Computer Club (CCC) durchgeführte technische Untersuchung zur Sicherheit und Manipulierbarkeit von NEDAP-Wahlcomputern dokumentiert und erläutert wird. Das BMI hat dazu eine ausführliche positive Stellungnahme abgegeben.

Zu Ihrer Sorge über die fehlenden Transparenz möchte ich Ihnen folgendes sagen:

Gemäß unserer Verfassung und dem demokratischen Prinzip der Öffentlichkeit und Nachvollziehbarkeit von Wahlentscheidungen muss die Überprüfung von Wahlergebnissen durchführbar sein. Solch eine nachträgliche Kontrolle ist bei einer Wahl mit Wahlgeräten möglich. Gewissheit über die korrekte Arbeitsweise liefert die Überprüfung der gespeicherten Daten mit dem Wählerverzeichnis. Die Speichermodule werden aufbewahrt und können jederzeit überprüft werden. Die gespeicherten Stimmen können auch ausgedruckt und so in Gestalt herkömmlicher Wahlzettel von Hand nachgezählt werden. Die Geräte arbeiten komplett offline und sind somit von externen Einflüssen weitgehend geschützt. Die Daten werden auf speziellen Datenträgern gespeichert und auf einem anderen Gerät ausgezählt. Es handelt sich also um ein weitgehend Hardware-gestütztes System. Eine theoretisch mögliche Manipulation des Softwareprogramms würde die Wahl lediglich sabotieren. Eine zielgerichtete Manipulation ist kaum durchführbar, da die Tastenbelegung erst kurz vor der Wahl festgelegt wird.

Die Wahlgeräte des niederländischen Herstellers NEDAP, welche in Deutschland eingesetzt werden, unterliegen nach §35 Bundeswahlgesetz (BWG) einer Zulässigkeitsprüfung. Dass diese Geräte immer dem aktuellen Stand der Technik entsprechen, wird durch Inspektion der technischen Unterlagen, Sichtprüfungen am Gerät sowie unterschiedlicher Funktionstest regelmäßig nachgewiesen. Zudem werden die Geräte vor der Verwendung nochmals geprüft und am Wahltag einer weiteren Kontrolle unterzogen.

Absolute Fälschungssicherheit gibt es bei Wahlen jedoch nicht. Urnenwahl und Briefwahl sind theoretisch ähnlich manipulierbar wie Wahlen mit Wahlgeräten. Technische Sicherheitsvorkehrungen allein gewährleisten keine absolute Sicherheit, weil praktisch jede technische Sicherungsmaßnahme mit entsprechendem Aufwand umgangen werden kann. Deshalb sehen die wahlrechtlichen Regelungen bei Wahlen immer ein ganzes Bündel unterschiedlicher Sicherheitsmaßnahmen vor. Eine möglichst große technische Sicherheit ist dabei nur eine „Sicherung“ unter vielen.
Der Manipulationsgefahr bei Wahlgeräten steht daher der tatsächlich feststellbare Nachteil der Urnenwahl gegenüber, dass es zu ungültigen Stimmabgaben und Auszählungsfehlern kommen kann. Wenn es also in technischer und rechtlicher Hinsicht keine Bedenken gegen den Einsatz von Wahlcomputern nach dem derzeitigen Untersuchungsstand gibt, müssen aber dennoch weitere Aspekte in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden.

Das für mich wichtigste ist die offensichtliche Skepsis vieler Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Wahlgeräten. Nicht zuletzt die Tatsache, dass auch die öffentliche Petition so große Resonanz und Unterstützung gefunden hat, zeugt davon, dass das Vertrauen vieler Menschen in die Technik im Allgemeinen und die Wahlgeräte im Besonderen nicht vorhanden ist. In einem für die Demokratie so essentiellen Bereich wie die Durchführung von Wahlen ist es von enormer Wichtigkeit, keine Irritationen oder Zweifel aufkeimen zu lassen und dem Wähler als Souverän die subjektive Gewissheit zu erhalten, dass er seine Wahl ungehindert, ohne technische Transformationen und in einem transparenten Verfahren treffen kann.
Dies gilt auch dann, wenn wie hier nach meiner Meinung objektiv kein Anlass zum Zweifeln besteht. Die durch Wahlgeräte erlangten Vorteile im Wahlverfahren stehen daher für mich in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem durch sie derzeit drohenden Nachteil.
Deswegen bin ich erleichtert, dass der Petitionsausschuss die Argumente der 45.000 Bürgerinnen und Bürger an die Bundesregierung mit der Bitte weitergeleitet hat, sie in die zukünftige Politik einzubeziehen und dem Petitionsausschuss einen schriftlichen Bericht darüber zu geben.

Mit freundlichen Grüßen,

Lydia Westrich, MdB