Frage an Lydia Westrich von Tobias W. bezüglich Recht
Guten Tag Frau Lydia Westrich,
ich würde Sie gerne bitten Stellung zu nehmen zu Äußerungen und Absichten, die unser Innenminister in einem Interview mit der TAZ zum Besten gegeben hat:
http://www.taz.de/pt/2007/02/08/a0169.1/textdruck
Nachdem ich Anfang diesen Jahres bereits eine Email an die Mitglieder des Innenausschusses geschrieben habe, auf die es nur die Fraktion der Linken für nötig erachtet hat zu antworten, erhoffe ich mir von meinen Abgeordneten aus meinem Wahlkreis etwas mehr Resonanz zu diesem Thema.
Insbesondere interessiert mich Ihre Einstellung zu einer Grundgesetzänderung, die Herr Schäuble ja offenbar anstreben muss, wenn er diesen haarsträubenden Schwachsinn auf eine gesetzliche Basis stellen will.
Ich würde mich weiter freuen, wenn sich im Wahlkreis vor Ort die Gelegenheit ergäbe, dieses Thema mit Ihnen zu diskutieren. Meiner Meinung nach ist nicht nur unser Innenminister sachlich überhaupt nicht in der Lage, die Auswirkungen und Wirksamkeit einer solchen Regelung abzusehen. Als Informatiker habe ich einen direkteren Zugang zu dieser Problematik und würde das gerne erläutern.
Bisher bin ich kein Mitglied einer Partei, aber die Äußerungen von Herrn Schäuble und das fehlende kritische Feedback aus den Fraktionen der Großen Koalition werden höchstwahrscheinlich dazu führen, dass ich einer Oppositionspartei als aktives Mitglied beitreten werde, um gegen diesen verfassungswidrigen Unsinn anzukämpfen.
mit freundlichen Grüßen,
Tobias Weisserth
Sehr geehrter Herr Weisserth,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 12. Februar 2007, in der Sie mich auf ein Interview von Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble hinweisen und sich zugleich vehement gegen die so genannte Online-Durchsuchung aussprechen. Gerne nehme ich hierzu Stellung:
Wie Sie sicher wissen hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 31. Januar 2007 festgestellt, dass die geltende Strafprozessordnung keine Rechtsgrundlage für die heimliche Online-Durchsuchung von Computern enthält. Zwar könnten Hausdurchsuchungen ebenfalls der Sicherstellung von Computerinhalten dienen, allerdings würden diese Durchsuchungen offen geschehen. Die Online-Durchsuchung erfolge jedoch heimlich. Folglich seien die Sachverhalte nicht miteinander vergleichbar, so dass die Online-Durchsuchung einer eigenen Rechtsgrundlage bedürfe.
Aus diesem Grunde begrüße ich es sehr, dass Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble eine gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Computern schaffen will. Gerade in der heutigen Zeit können wir es uns nicht mehr erlauben, nur schwer durchdringbare Rechtsräume zu tolerieren. Zwar ließe sich dagegen einwenden, dass der Email-Verkehr und die Internetkommunikation bereits jetzt unter bestimmten Voraussetzungen für Ermittlungen erfasst werden können. Diese Ermittlungen umschließen jedoch nicht die auf dem Computer gespeicherten Daten. Derartige Datenarchive sind derzeit ausschließlich durch eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahme des Computers zugänglich. Nachdem diese jedoch offen durchzuführen ist, werden etwaige Komplizen durch eine Hausdurchsuchung womöglich gewarnt, was wiederum deren Nutzen in Frage stellt.
Dies gilt umso mehr, als gerade die so genannte Cyber-Kriminalität immer mehr an Bedeutung gewinnt. Dabei geht es nicht nur um den auch über das Internet koordinierten internationalen Terror, sondern auch um die Verbreitung von Kinderpornografie, rechtsextremer Propaganda und
Wirtschaftskriminalität.
Allerdings bin ich mir jedoch sehr wohl darüber im Klaren, dass Durchsuchungen von PCs einen schwerwiegenden Eingriff des Staates in den Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellen. Folglich plädiere ich dafür, diese Maßnahmen an sehr hohe rechtsstaatliche Hürden zu binden, die diejenigen von offenen Durchsuchungen noch übertreffen. Konkret geht es mir dabei um die detaillierte Ausarbeitung eines Kataloges für Straftaten, bei denen eine Online-Durchsuchung in Betracht kommt (sog. Anlasstaten), sowie für Benachrichtigungs- und Löschungspflichten.
Sehr geehrter Herr Weisserth, derzeit stehen wir noch am Anfang der politischen Meinungsbildung bezüglich der Online-Durchsuchung. Es besteht noch massiver Abstimmungsbedarf innerhalb der Großen Koalition und zwischen den verschiedenen Bundesministerien, zumal ein Gesetzentwurf erst noch erarbeitet werden muss. Im Rahmen dieses Meinungsbildungsprozesses würde ich mich sehr freuen, wenn Sie Ihre Erläuterungen schriftlich an mein Berliner Abgeordnetenbüro oder an
meine Email-Adresse lydia.westrich@bundestag.de richten könnten. Diese werde ich dann gerne auch an die zuständigen Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion weiterleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Lydia Westrich, MdB