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Lukas Köhler
FDP
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Frage von Eduard S. •

Frage an Lukas Köhler von Eduard S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Lukas Köhler,

Bundespräsident Steinmeier (SPD) spricht sich gegen eine direkte Demokratie auf Bundesebene aus. Wie stehen Sie und ihre Partei zur direkten Demokratie auf Bundesebene?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr S.,

es kommt ganz auf das Instrument an. Je nach Bundesland gibt es einen Prozess mit den Etappen Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid. Er kann sich auf zwei Ziele richten: als Referendum bietet er eine Reaktionsmöglichkeit auf ein Gesetz der Regierung. In einer konkreten Initiative kann das Volk die politische Agenda aktiv durch einen Gesetzesvorschlag mitgestalten. Rein theoretisch klingt das ganz fantastisch: Einerseits kann sich das Volk dagegen wehren, dass an ihm vorbei regiert wird, andererseits kann es der Politik neue Richtungen weisen. Soweit die Theorie.
Die Praxis zeichnet leider das Gegenteil. Empirische Befunde belegen, dass Staaten mit diesen klassischen Elementen sehr dazu neigen, den Status quo aufrecht zu erhalten und wenig weltoffen oder progressiv zu agieren. (Vgl. Christmann, Anna: „In welche politische Richtung wirkt die direkte Demokratie?“ in „Studien zur Sachunmittelbaren Demokratie“, Bd.6, 2009). Aktive Initiativen erreichen kaum Einfluss, reaktive Referenden hingegen verschleppen fortschrittliche Gesetze teilweise über Jahrzehnte. Aktuelles Beispiel dafür ist die am 26. Mai 2018 medial zelebrierte Abschaffung des Abtreibungsverbots in Irland: Es wurde 1983 erst durch ein Referendum verschärft, 1992 schlug eine Aufweichung fehl. Der gefeierte Effekt hätte schon vor 35 Jahren eintreten können.
Die Befunde verdeutlichen allerdings auch, dass die Wirkung vom konkreten Instrument abhängt. Die FDP arbeitet deshalb daran, die Mitwirkungsmöglichkeit der Bevölkerung so zu gestalten, dass sie die demokratische Willensbildung bereichert. Im Koalitionsvertrag 2009 haben wir vereinbart, das Petitionswesen entsprechend weiterzuentwickeln und zu verbessern (Vgl. S.110/111 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, 2009).

Mein bayerischer Kollege Jimmy Schulz MdB hat zur Umsetzung der Vereinbarung ein Positionspapier entwickelt, das von der damaligen FDP-Bundestagsfraktion im Jahr 2011 beschlossen wurde (http://archiv.jimmy-schulz.com/files/jschulz/uploads/documents/positionspapier_buergerbeteiligung_petitionsverfahren_buergerplenarverfahren.pdf). In dem Beschluss werden parlamentarische Erfahrungen auf ein direktdemokratisches Modell übertragen. Ergebnis ist die Erweiterung des Petitionsverfahrens um das Bürgerplenarverfahren: eine Petition die in zwei Monaten 100.000 Unterschriften erhält wird im Plenum in der Bürgerstunde beraten. Anschließend wird sie im zuständigen Fachausschuss beraten und abschließend im Petitionsausschuss behandelt. Man umgeht dadurch insbesondere eine Verfassungsänderung und das Instrument kann direkt um- und eingesetzt werden.

Manuel Höferlin MdB erneuerte am 19. April 2018 das Versprechen und seither arbeiten wir daran weiter. Zuletzt forderte Manfred Todtenhausen MdB am 7. Juni 2018 die Einführung des Bürgerplenarverfahrens: „Themen von großem öffentlichen Interesse kommen direkt auf die Tagesordnung des Plenums, wenn sie eine ausreichende Anzahl von Unterstützern erreichen. Wichtige Petitionen bekommen dadurch mehr Aufmerksamkeit.“
Von einem derartigen Mittel der direkten Demokratie bin ich auch persönlich überzeugt.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Dr. Lukas Köhler

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