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Lukas Köhler
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Frage von Tünde S. •

Frage an Lukas Köhler von Tünde S. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht

Warum haben Sie gegen die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Geflüchteter aus den griechischen Lagern gestimmt?

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Sehr geehrte Frau Sautier,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Die humanitäre Situation der Schutzsuchenden auf den griechischen Inseln ist ohne Zweifel katastrophal. Sie hat jüngst zu einer Eskalation der Lage geführt. Auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ist klar, dass zeitnah und entschlossen gehandelt werden muss. Die Bundesregierung sollte anbieten, durch das Technische Hilfswerk und andere deutsche Behörden im Wege eines Sofortprogramms die hygienische Situation und Unterbringung sowie die medizinische Versorgung der Schutzsuchenden auf den griechischen Inseln kurzfristig zu verbessern. Darüber hinaus sollte die EU-Kommission Maßnahmen prüfen, wie die Flüchtlingslager auf den Inseln in den kommenden Wochen insgesamt aufgelöst werden und Migranten in geordnete und hygienisch einwandfreie Unterkünfte auf dem griechischen Festland verbracht werden können, um dort reguläre Verfahren zu durchlaufen. Dieser Prozess, der Mitte April 2020 von der griechischen Regierung angestoßen wurde, muss angesichts der Pandemie beschleunigt werden.

Auch muss Deutschland unverzüglich in Kooperation mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unbegleitete Minderjährige unter 14 Jahren sowie erkrankte Kinder und ihre nächsten Verwandten nach Deutschland und in andere europäische Staaten evakuieren. Die Bundesregierung muss hier zu ihrer Zusage stehen, sie unverzüglich erfüllen und darf dies nicht privaten Initiativen überlassen. Mitte April 2020 wurden insgesamt 58 Kinder aus Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln nach Deutschland gebracht. Das ist ein erster Schritt. Die Bundesregierung muss sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass alle EU-Mitgliedstaaten, die die Bereitschaft zur kurzfristigen Aufnahme von minderjährigen Schutzsuchenden von den griechischen Inseln erklärt haben, sich an dem Evakuierungsprogramm beteiligen. Daneben ist es wichtig, dass wir Griechenland gemeinsam mit der Europäischen Union bei der Erstellung eines Notfallplans für den Fall eines Corona-Ausbruchs in den Flüchtlingsunterkünften unterstützen.

Bei der Abstimmung im Bundestag am 4. März wurde konkret über Anträge der Grünen und der Linken abgestimmt. Schaut man sich diese Anträge genauer an, sollte klar werden warum ich dagegen gestimmt habe. Zum einen wollen wir Freien Demokraten einen erneuten deutschen Alleingang in der Migrationspolitik verhindern und plädieren stattdessen für ein gemeinsames europäisches Vorgehen. Hier muss die Bundesregierung endlich die Lösungsinitiative ergreifen. Zum anderen wollen wir einen migrationspolitischen Flickenteppich in Deutschland vermeiden und die Kompetenzen in dieser Hinsicht Bund und Ländern vorbehalten. Was wir brauchen, ist ein verlässliches nationales Verteilungssystem, das zuverlässig für alle Kommunen gilt und nicht für diejenigen, die momentan sagen: "Wir haben Platz." – Was machen Sie denn mit den Kommunen, die jetzt oder künftig sagen: „Wir haben keinen Platz.“? Eine Entsolidarisierung der Kommunen in der Migrationspolitik dürfen wir uns nicht leisten. Stattdessen sollten wir geschlossen auf eine europäische Lösung hinarbeiten. Die am 4. März zur Abstimmung stehenden Anträge hätten in diesen beiden Hinsichten jedoch kontraproduktiv gewirkt und waren daher abzulehnen.

Eines möchte ich jedoch betonen: Die COVID-19-Pandemie hat zahlreiche Transformationschancen für ein starkes sowie zukunftsfähiges Deutschland und Europa aufgezeigt. Allerdings hat sie auch viele gesellschaftliche Probleme noch deutlicher hervorgehoben und unmittelbare politische Maßnahmen eingefordert. Zwar ist der Stillstand und die Passivität der Bundesregierung in den Verhandlungen für eine gemeinsame europäische Migrationspolitik schon länger offensichtlich, jedoch ist sie durch die derzeitige Gesundheitskrise noch fataler geworden. Wir Freien Demokraten werden in dieser Sache den Druck weiter erhöhen und hoffen, dass die erhöhte Dringlichkeit und die humanitären Missstände die Bundesregierung nun endlich zum handeln bewegt.

Mit freundlichen Grüßen und bleiben Sie gesund,

Dr. Lukas Köhler

 

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