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Ludwig Stiegler
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Frage von Ralph A. •

Frage an Ludwig Stiegler von Ralph A. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Stiegler,

ich bin seit gestern Mitglied der Jungsozialisten und verstehe mich auch als Vertreter der Schwachen in der Gesellschaft. Genau wie Sie liegt mir sehr viel an Werten wie Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität und Freiheit. Die Geschichte hat uns doch gezeigt, dass diese Werte untrennbar und unvermeidbar sind, denken Sie hierbei an den Bauernkrieg 1524 oder an die Französische Revolution 1789-1799. Die Tatsache, dass Freiheit und Gerechtigkeit untrennbar sind, zeigt uns die Geschichte der ehemaligen DDR, in der der Staat die Menschen stets bevormundet hat.
1) Genau wie Sie halte ich die populistischen Parolen der Linken für unzeitgemäß und nicht besonders intellektuell. Doch eines verstehe ich nicht: Warum stimmten Sie am 14. Juni dem Mindestlohnantrag der Linken nicht einfach zu, so wie es auch die Grünen getan haben? Wie ist es dann zu erklären, dass Sie im Dezember zustimmten?
2) Nach Aussagen des Weidener Aufbauhelfers Dr. Erös sei die Kriegsstrategie der US-Amerikaner wie die der Bundeswehrsoldaten schlicht nicht hinnehmbar, da beispielsweise auch durch die Bundeswehr-Tornados unschuldige Zivilisten umgekommen sind. Er fordert, die Ausgaben für Militär radikal auf Zivilaufbau und Ausbau der Polizei- und Sicherheitskräfte umzuverteilen, um sinnvolle Stabilität zu schaffen. Doch genau dieser Idee werden die USA nicht zustimmen. Ist es dann nicht gerechtfertigt, die Truppen sofort abzuziehen, um weitere Opfer zu vermeiden? Ich denke, dass sich Terrorismus nicht durch den US-geführten Krieg beseitigen lässt, im Gegenteil: Die Geschichte hat uns doch gezeigt, dass Krieg, auch wenn gute Absichten dahintersteckten immer zu einem Mehr an Terror und Instabilität beigetragen hat. Warum stimmen Sie als SPD für die weitere Unterstützung der USA im Krieg gegen Terror? Warum soll die OEF unterstützt werden, die ja nicht von der Nato, sondern nur von den USA geführt ist?

Mit solidarischen und demokratisch sozialistischen Grüßen,
Ralph, 16 aus Freihung

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Antwort von
SPD

Lieber Ralph,

vielen Dank für Dein Interesse und Deine Fragen an mich.

Unser politisches System beruht auf Abstimmung und Konsens. Das bedeutet, dass Gesetzgebung immer auch ein ständiger Prozess von Kompromissfindung ist. Gerade in Zeiten einer großen Koalition kommen Vermittlung und Ausgleich besondere Bedeutung zu. Der Antrag zum Mindestlohn durch die Linke, auf den Du verweist, ist da ein gutes Beispiel: Du weißt, dass die SPD sich mit Nachdruck dafür einsetzt, dass Menschen, die arbeiten, auch von ihrer Arbeit leben können. Deshalb fordern wir auch die Einführung von Mindestlöhnen. Die Union hingegen lehnt diese ab. SPD und CDU/CSU sind vom Wahlergebnis 2005 zu einer guten Zusammenarbeit für Deutschland verpflichtet worden. Der Preis dafür ist, dass beide Seiten nicht alle Projekte so durchsetzen können, wie sie es sich wünschen. Freilich hätte ich dem Antrag der Linken am 14. Juni 2007 zustimmen können. Aber es wäre kontraproduktiv gewesen, einfach mit dem Kopf durch die Wand zu rennen. Wir müssen verantwortlich handeln. Und dazu gehört eben auch, sich mit dem Koalitionspartner abzustimmen, um die Koalition nicht insgesamt zu gefährden. Wir haben uns weiter für den Mindestlohn eingesetzt, schließlich einen Kompromiss erzielen können und der Union dabei viel abgerungen. Ausreichend ist das aber noch nicht, und Du kannst Dir sicher sein: Wir kämpfen weiter für eine gerechtere Arbeitsgesellschaft.

Auch zu Deiner zweiten Frage, beziehe ich gern Stellung. Ich stimme Dir zu, dass ein rein militärischer Einsatz keine Verbesserung der Lage in Afghanistan bewirkt. Die Mission in Afghanistan ist daher auch ein doppelter Auftrag. Zum einen geht es darum, den Wiederaufbau des Landes voranzutreiben und die Situation der Menschen dort zu verbessern. Deutschland stellt nur für den zivilen Wiederaufbau zwischen 2002 bis 2010 über 900 Millionen Euro bereit. Diese werden unter anderem für Infrastrukturmaßnahmen, Förderung der Rechtsstaatlichkeit und den Bildungssektor verwendet. Auch im kulturellen Wiederaufbau ist Deutschland engagiert. Ein Schwerpunkt dabei ist der Aufbau einer Medienlandschaft, den das Auswärtige Amt in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen, unterstützt. Das Ziel dabei ist, die Grundlagen für eine aktive Zivilgesellschaft zu schaffen. Aber diese Aufbaumaßnahmen können alle keine Früchte tragen, bzw. sind gar nicht erst durchführbar, wenn keine Sicherheit herrscht. Dies ist der zweite Teil des Konzeptes.

Im Rahmen der Mission ISAF, die von den Vereinten Nationen mandatiert ist, soll ein sicheres und stabiles Umfeld für den Wiederaufbau geschaffen werden. Hierbei hat Deutschland die Führungsverantwortung über den Norden Afghanistans übernommen. Das Mandat der VN schließt alle Maßnahmen ein, diesen Auftrag auszuführen, d.h. auch den Einsatz von militärischer Gewalt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Polizeiaufbau. Seit März 2007 ist das Mandat der Bundesrepublik ausgeweitet worden, indem deutsche Aufklärungsflugzeuge des Typs Tornado RECCE in Afghanistan zum Einsatz kamen. Diese dienen der Überwachung und Aufklärung aus der Luft.

Die zweite parallele Mission ist die US-geführte OEF. Diese hat das Ziel, den Terrorismus zu bekämpfen. OEF wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 geschaffen und beruht auf dem Recht zur Selbstverteidigung, das in der Charta der VN in Art. 51 festgeschrieben ist. Dies war übrigens auch Anlass der NATO, 2001 zum ersten Mal in der Geschichte der Allianz den Bündnisfall nach Art. 5 auszurufen. Die Beteiligung Deutschlands an OEF besteht hauptsächlich aus der Sicherung von Seewegen am Horn von Afrika, und ist deshalb nicht direkt mit dem Engagement in Afghanistan verknüpft. Beide Mandate hat der Bundestag im Oktober bzw. November für ein weiteres Jahr verlängert. Ein Truppenabzug hätte dramatische Folgen für Afghanistan, man würde damit das Land der Gefahr aussetzen, in Instabilität zu verfallen und extremistischen Gruppierungen die Möglichkeit geben, die Kontrolle zu übernehmen. Nicht zuletzt bestünde die Gefahr, dass Afghanistan wieder Rückzugsraum für Terroristen wird, was indirekt auch eine Gefahr für uns alle darstellen würde. Die Afghanistan-Mission versucht eben zu verhindern, dass es weitere Opfer gibt.

Ich verstehe Deine Sorge über den deutschen Militäreinsatz, bzw. über den Einsatz in Afghanistan insgesamt sehr gut, auch wegen der Trauer um die zivilen Opfer, die ich teile. Dennoch, bitte bedenke, wie die Lage vieler afghanischer Frauen und Männer unter dem Taliban-Regime war. Es bleibt noch viel zu tun in Afghanistan, aber es ist auch schon viel Positives erreicht worden. Der Rückzug des deutschen und internationalen Engagements hätte fatale Folgen.

Mit freundlichem Gruß
Ludwig Stiegler