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Frage von Maria S. •

Frage an Ludwig Stiegler von Maria S. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Stiegler

Zum neuen Unterhaltsreform hätte ich nur eine Frage:
Wieso wird sich um die geschiedenen Exfrauen so "christlich und fürsorglich" gekümmert und um die Witwen nicht, die läßt man im Stich.
Beispiel: wurde mit 38J. nach 18 jähriger Ehe Witwe, hatte mich zu Hause um alles gekümmert und meinem Mann denn Rücken frei gehalten.
Da unsere Tochter Abitur machte und auch noch kein Geld verdiente, bekam ich ja nur die kleine Witwenrente, denn ich bin ja noch jung genug selber für uns zu sorgen.
Meine Tochter und ich bekamen zusammen 400€ Witwen und Waisenrente.
Auch ich hatte eine Langzeitehe hinter mir als Hausfrau und steh vor dem nichts, hatten zuvor ein mon. Einkommen von ca. 6000 DM.
Beispiel (Bekannte) einer geschiedenen mit fast gleichen Einkommen und Ehejahren:
Kinder hinterließ sie beim Ehemann (15J +17J.) bekam die Hälfte vom Haus ausbezahlt und bekommt wegen Langzeitehe einen Aufstockungsunterhalt für sich alleine von 551€ zwecks Lebensstandarderhaltung.
Da sie den Zugewinn schnell ausgegeben hatte, wird dem Ehemann sogar den Mietvorteil vom eigenen Haus, das er mit seinen inzw. Erwachsenen Kindern (einer studiert noch) bewohnt, nochmals als Einkommen berechnet.
Auch diese Dame war bei Auszug erst 37J. und kann doch genauso für sich sorgen wie man es bei Witwen verlangt.
Das kann doch nicht gerecht sein, das Witwen, die sich um Ihre Familien kümmern, schlechter gestellt sind, als Frauen, denen die Fam. egal ist.
Auch wenn hier die Ex-Männer zahlen müssen und nicht der Staat, aber wenn man sich scheiden lässt, sich um nix kümmert, verdient man auch keinen Unterhalt, trotz Langzeitehe, oder?
Das kann doch nicht gerecht sein, das es diesen Frauen besser geht, sich um nix kümmern und nur, weil der Ehemann zum zahlen da ist. Für was ist dann überhaupt die Scheidung, das die Ex sich ein schönes Leben machen können, ein Leben lang, wenn die Männer immer noch für sie zahlen müssen?

Mit freundlichen Grüßen

Maria Singer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Singer,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Ich verstehe Ihre Sorgen um die finanzielle Absicherung von Ihnen und Ihrer Tochter nach dem Tod Ihres Ehemannes. Ihre Kritik an der Reform des Unterhaltsrechtes und die Verknüpfung derselben mit Ihrer persönlichen, kaum vergleichbaren Situation kann ich jedoch nicht ganz nachvollziehen.

Ganz grundlegend: Die Leistungen der Witwenrente, d. h. Leistungen aus der gemeinschaftlich finanzierten Rentenkasse, können nicht mit Unterhaltsansprüchen nach einer Scheidung verglichen werden. Auch im Fall einer Scheidung sollten Eltern gemeinsam für ihre Kinder und füreinander einstehen. Der Staat versucht also genau das zu verhindern, was Sie in Ihrem Schreiben anprangern: ein "sich drücken" und ein "davon laufen" vor der Verantwortung, die man bei Eheschließung und Familiengründung eingegangen ist. Bei einem Todesfall ist die Situation jedoch eine völlig andere: Der Verstorbene kann nicht für Unterhaltszahlungen herangezogen werden. Die Hinterbliebenen werden unterstützt, indem die Rentenansprüche des Verstorbenen auf sie übertragen werden.

Gerne erläutere ich Ihnen noch einige Details der Unterhaltsreform: Ziel der Unterhaltsreform, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes (Entscheidung vom 23. Mai 2007) noch angepasst werden muss, soll in der Hauptsache die Förderung des Kindeswohls sein, also die Verbesserung der Situation der Kinder und nicht der geschiedenen Ehepartner. In einem ersten Teil der Gesetzesänderung soll demnach der Kindesunterhalt künftig Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen haben. Auch sollen Eltern, die Kinder betreuen, gegenüber kinderlosen Scheidungspaaren bei Unterhaltsansprüchen vorrangig behandelt werden. Zweites Ziel der Reform ist es, die nacheheliche Eigenverantwortung zu stärken. So soll z. B. das Kinderbetreuungsangebot vor Ort mit berücksichtigt werden, wenn es darum geht, ab welchem Alter eines Kindes der betreuende Elternteil wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen muss. Gerichte sollen mehr Möglichkeiten eingeräumt bekommen, den nachehelichen Unterhalt zu befristen oder zu begrenzen, und der in der Ehe erreichte Lebensstandard ist nicht mehr allein ausschlaggebend für die Entscheidung, ob eine bzw. welche Erwerbstätigkeit nach der Scheidung aufgenommen werden muss. Alles in allem zieht dieser zweite Teil des Reformvorschlags eben auch die Kinder betreuenden Elternteile in größerem Maße in die Verantwortung, das Leben nach der Scheidung eigenständig zu gestalten. Sie sehen also, dass das neue Unterhaltsrecht das Wohl der Kinder und gerade auch eine verstärkte Eigenverantwortung der geschiedenen Ehepartner im Blick hat. Dieses dürfte Ihre Vorwürfe meiner Ansicht nach entkräften.

Abschließend noch eine Frage meinerseits: Darf man sich anmaßen, Lebensentscheidungen anderer Menschen ohne genaue Kenntnis derselben zu be- oder gar zu verurteilen? Es gibt viele unterschiedliche, gerechtfertigte Gründe für Trennung oder Scheidung. Die Art und Weise, in der Sie die Lebenssituation geschiedener Ehefrauen bewerten, finde ich nicht angemessen.

Mit freundlichem Gruß
Ludwig Stiegler