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Ludwig Stiegler
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Frage von Wilfried S. •

Frage an Ludwig Stiegler von Wilfried S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

>Über seinem Tun liege der "Fluch der Spaltung der Arbeiterbewegung, die in der deutschen und europäischen Geschichte nur Unheil angerichtet hat."<
So zitiert Sie, sehr geehrter Genosse Stiegler, der Stern.
Gemeint sei mit dem Zitat O. Lafontaine.
Ein scharfes Urteil, empfinde ich und frage Sie, wie sie, ausgestattet mit dem Sachverstand des Wirtschafts- und Arbeitspolitikers, des Vorsitzenden der bayerischen SPD und des Juristen, die Rolle des letzten Kanzlers und seiner getreuen Gefolgsleute im Parlament - also auch Ihre - in diesem Kontext beurteilen, sollten sie richtig zitiert sein.
Anders und einfacher gefragt: Sehen sich die SPD-Parlamentarier in ihrer Mehrzahl noch als Vertreter der Arbeiter?

Hochachtungsvoll
Wilfried Steinicke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Steinicke,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Meine Antwort: Selbstverständlich sehe ich mich als Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Gerade deshalb ist es notwendig, sich mit den scheinheiligen Versprechungen der so genannten "Linken" auseinanderzusetzen. Diese Partei suggeriert den Menschen, der Protest gegen jegliche Veränderung und daraus folgend das Beharren auf althergebrachten Privilegien, den gewohnten Sicherheiten und nationalstaatlichem Eigensinn könne uns alle dauerhaft vor einer ungewissen Zukunft schützen und gar noch gesellschaftlichen Zusammenhalt stiften. Das ist mehr als unaufrichtig, es ist in höchstem Grade unverantwortlich. Tatsache ist, dass die vielfältigen und schnellen Globalisierungsprozesse uns alle einer sich dramatisch verändernden und veränderten Welt aussetzen und weiter aussetzen werden. Tatsache ist, dass einige dieser Prozesse die Gestaltungsmöglichkeiten von Politik einschränken. Als Folge der Globalisierung der Kapitalmärkte und mit Eröffnung der Standortkonkurrenz wird es linker Politik erschwert, Kapitalismus zu domestizieren und gerechte Verteilung zu gewährleisten. Einigen dieser Veränderungen stehen wir rat- manchmal auch hilflos gegenüber. Aber es hilft nichts: Eine Chance, soziale Gerechtigkeit auch im 21. Jahrhundert durchzusetzen, unsere sozialdemokratischen Grundwerte -- Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität -- nicht verkommen zu lassen, haben wir nur, wenn wir uns den Herausforderungen des Heute stellen. Streiten können und müssen wir über Konzepte und Ideen, wie wir diesen Herausforderungen begegnen. Das Patent-Rezept "Protest" der Linkspartei/WASG aber, so viel ist klar, bringt uns nicht weiter.

Veränderungen nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Chance zu begreifen, war seit jeher eine Eigenschaft der Linken. So unterschiedlich "Links-Sein" vom 19. Jahrhundert bis in unsere Tage hinein auch besetzt und charakterisiert gewesen sein mag, die Linken sahen sich immer als eine Partei des Fortschritts. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Fortschritt heißt aber auch, bereit sein, umzudenken, gerade um unsere Grundwerte zu sichern und zu stärken. In diesem Sinne ist die Linkspartei, die Veränderungen ausblendet und einen Status quo verteidigt, der nicht zukunftstauglich ist, alles andere als links, denn sie ist zukunfts- und fortschrittsfeindlich. Wir Sozialdemokraten wollen die Globalisierung freiheitlich, gerecht und solidarisch gestalten. Wir wollen nach wie vor die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen, garantiert durch die Grundrechte und orientiert an der Idee einer solidarischen Bürgergesellschaft. Das umzusetzen ist nicht einfach und braucht Zeit. Aber es ist möglich, wie der momentane Aufschwung ohne Sozialabbau und die stetig besser werdenden Arbeitsmarktdaten in diesen Monaten zeigen. Den Blick auf die Wirklichkeit trüben uns diese guten Nachrichten nicht. Deshalb kämpfen wir dagegen an, dass zunehmend in prekäre Arbeitsverhältnisse vermittelt wird, dass die Arbeitnehmerüberlassung mit sehr niedrigen Löhnen auf dem Vormarsch ist und dass die Zahl der Beschäftigten steigt, die ergänzend zu ihrem Arbeitseinkommen zusätzliche Leistungen nach Hartz IV brauchen. Wer jedoch nicht politisch kämpft, sondern plump mit den berechtigten Zukunftsängsten der Menschen spielt, wie die Marktschreier der so genannten Linken, wer Realitäten leugnet und vage Verheißungen in den Raum stellt, der verbaut die Zukunft.

Mit freundlichen Grüßen
Ludwig Stiegler