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Ludwig Stiegler
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Frage von Gabriele U. •

Frage an Ludwig Stiegler von Gabriele U. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Stiegler,

mich beschäftigt sehr das Thema Hartz IV und die Armut der Menschen, in die sie dadurch getrieben werden.
Reales Beispiel:
Einnahmen:
Mutter 311€, Vater 311€, Kind 210€, Mietzuschuß 245€ = 1077€
Ausgaben:
541 (330 Kaltmiete + 130 Strom + 25 Kaution Wohnung + 50Darlehen an Arge + 15 notwendige Versicherungen)
ERGO = 5,95€/Tag/Person/Monat
Fragen:
Wovon sollen, sofern ein KFZ vorhanden, Benzin, Steuern,Versicherung und Reparaturen bezahlt werden?
Wovon sollen Kinderfreizeit, Kinderwünsche, Gebühren usw. bezahlt werden?
Wovon sollen Bewerbungskosten, in Form von Unterlagen und Fahrten zu Gespräch bezahlt werden?
Wovon sollen 10€ Arztbesuch bezahlt werden?
Wovon soll ein Krankenhausaufenthalt bezahlt werden?
Wie soll sich ein Hartz IV-Empfänger eine Altersvorsorge aufbauen?
Wie soll er die steigenden Preise verkraften?
Wovon soll er kleine Geschenke bezahlen, wenn er eingeladen wird?
Wovon sollen Kleidung, Schuhe, notwendige Haushaltsgegenstände, Friseur, Reparaturen usw. bezahlt werden?
Er darf nicht mehr: Kino besuchen, Gaststätte besuchen, Schwimmbad besuchen, öffentliche Verkehrsmittel benutzen usw.
Dagegen stehen die Einnahmen der MdB mittlerweile bei 13.600€/Monat, wurden erst in 2006 um 3000€ erhöht.
Und besonders menschenverachtend finde ich, dass man sich um abgelaufene Lebensmittel bei den Tafeln anstellen muß, damit man im Monat hungrige Mäuler stopfen kann. Wenn für Tornado-Einsätze, die das deutsche Volk nicht will, militärische Unterstützung Israels und Amerikas Milliarden da sind, muß ganz zuerst Geld für die Menschen in Deutschland da sein, damit sie menschenwürdig leben können. Gewalt in den Familien und unter den Jugendlichen ensteht in erster Linie durch den Frust, den Sie und Ihre Kollegen als Politiker zu verantworten haben.
Ich hoffe, ich erhalte eine Anwort von Ihnen.

MfG
G.Ullmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Ullmann,

für Ihre Frage danke ich Ihnen. Kern der Arbeitsmarktreformen war die Absicht, mehr Menschen die Chance auf Arbeit zu geben. Der momentane Aufschwung ohne Sozialabbau und die Arbeitsmarktdaten, die Monat für Monat besser werden, zeigen, dass die Reformen wirken. Selbstverständlich aber ist die Arbeitslosigkeit noch viel zu hoch. Ich kann Ihnen versichern, dass wir nach Kräften versuchen so viele Menschen wie möglich so schnell wie möglich aus der Arbeitslosigkeit herauszuholen. Für die Menschen, die Arbeit suchen, die hilfebedürftig sind, weil sie entweder keine Arbeit haben oder das Arbeitseinkommen nicht ausreicht, ist mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine einheitliche Leistung geschaffen worden. Sie können damit ihren eigenen Lebensunterhalt und den ihrer Familie bestreiten. Außerdem wird ihre berufliche Eingliederung umfassend gefördert.

Deshalb greift Ihre Aussage, Hartz IV treibe die Menschen in Armut, zu kurz. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende 16 % über dem Leistungsniveau des zur Zeit seiner Einführung liegenden Sozialhilfeniveaus angesetzt ist und bis zur nächsten Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes entsprechend der Rentenbezüge angepasst wird. Das Leistungsniveau des SGB II entspricht dem Einkommen und dem Konsumverhalten der unteren 20% Einkommensbezieher ohne Transferleistungsbezieher, also von Menschen, die arbeiten. Sie werden mir sicher zustimmen, dass ein Bezieher von Hartz IV nicht mehr erhalten kann als Menschen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen.

Ihren Berechnungen vermag ich nicht ganz zu folgen und will einfach versuchen, ihnen im Einzelnen nachzugehen. Erwerbsfähigen Hilfebedürftigen werden als Arbeitslosengeld II neben einem pauschalierten Regelsatz, Mehr- und Sonderbedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts auch die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe gewährt, soweit sie eine angemessen große und angemessen teure Wohnung haben. Als Unterkunftskosten zu übernehmen sind der Kaltzins und die für Wohnraum üblichen Nebenkosten (allerdings ohne Warmwasser, soweit dieses aus dem Heizungsbetrieb gewonnen wird). Bei Mietwohnungen setzen sich die tatsächlichen Aufwendungen aus dem Kaltzins und den auf den Mieter umlagefähigen mietvertraglich geschuldeten Betriebskosten zusammen. Dem Hilfebedürftigen steht ein einfacher, im unteren Segment liegender Wohnstandard zu. Hierfür sind die Kosten vollständig zu übernehmen.

Die Kosten für ein KFZ sind aus dem Regelsatz zu bestreiten. Zusätzliche Leistungen werden für die Integration in den Arbeitsmarkt insbesondere nach dem SGB III gewährt, damit auch für Bewerbungen und Vorstellungsgespräche. Im begrenzten Umfang sind im Regelsatz Kosten für Freizeitaktivitäten berücksichtigt. Darüber hinaus gibt es für Bezieher von Arbeitslosengeld II und anderer niedriger Einkommen eine Vielzahl von Vergünstigungen wie z.B. ermäßigte Eintrittspreise für Museen, Kinos, öffentliche Badeanstalten, andere preisermäßigte Angebote von z. B. Volkshochschulen oder Musikschulen oder kostenlose bzw. verbilligte Freizeiteinrichtungen im Jugend- und- Altenbereich, Ferienreisen der Jugendämter.

Der Regelsatz berücksichtigt die Ausgaben für die Nutzung von Verkehrsdienstleistungen im Schienen- und Straßenverkehr im gleichen Umfang wie für Erwerbstätige in dem Einkommenssegment der unteren 20% Einkommensbezieher. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass viele kommunale Verkehrsbetriebe besonders günstige Leistungsangebote für einkommensschwache Haushalte vorsehen.

Die Regelleistung umfasst auch den Erhaltungsaufwand für solche Einrichtungsgegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung notwendig sind wie Bettzeug, Schränke, Tische, Sofa, Stühle, Öfen, Lampen, einer Waschmaschine, Gardinen o. Ä.. Die Erstausstattung für die Wohnung einschließlich der Haushaltsgeräte wird gesondert erbracht, ist also nicht aus dem Regelsatz zu begleichen. Der Regelsatz berücksichtigt auch die Kosten für eine Haftpflicht- und Hausratsversicherung .

Bezieher von ALG II werden in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Die Praxisgebühr ist aus dem Regelsatz zu bestreiten; dieser darf nach dem SGB V aber 1% der Jahreseinkünfte nicht übersteigen. Bezieher von ALG II sind auch in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. In diesem Zusammenhang verstehe ich Ihren Einwand nicht, es seien keine Kosten für den Aufbau einer Alterssicherung berücksichtigt worden.

Noch einmal: unser wichtigstes Ziel ist es, so viele Menschen wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren und Arbeitslosigkeit bereits im Ansatz zu verhindern. Wir alle wissen, dass das in diesen Zeiten nicht leicht ist (in einer anderen Antwort für die abgeordnetenwatch-Seite gehe ich darauf näher ein). Insofern widerspreche ich mit Nachdruck Ihrer Aussage, dass Politiker nur Frust schaffen. Im Gegenteil, als Sozialdemokrat versuche ich alles daran zu setzen, dass der momentane Aufschwung ein Aufschwung für alle wird.

Mit freundlichem Gruß
Ludwig Stiegler

PS: Als Abgeordneter erhalte ich übrigens eine Aufwandsentschädigung von 7009 Euro brutto. Die Kostenpauschale ist kein Einkommen des Abgeordneten, sondern dient der Finanzierung mandatsbezogener Aufwendungen.