Frage an Lucy Redler von Rick S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Redler,
angenommen die Wahlen gehen so aus:
Die WASG kommt mit 5% ins AGH.
Es reicht für Rot/rot/WASG. Wenn die WASG nicht mitspielt dann gibt es entweder: rot/rot/grün, rot/grün, ampel oder evtl. rot/schwarz.
In anderen Worten: wie erklären Sie dem Wähler das durch Sie verschuldet die Regierung in Berlin nach rechts rutscht. Finden Sie dies 100% sozial?
Ihr
Rick Stein
Sehr geehrter Herr Stein,
Sie fragten danach, ob die WASG bei einer Regierung "Rot-Rot-WASG" nach der Wahl mitspielen würde. Andernfalls trüge Ihrer Meinung nach die WASG die Verantwortung für eine Rechtsverschiebung auf Senatsebene.
Wenn SPD und L.PDS Privatisierungen grundlegend ablehnen würden, die Rücknahme bisheriger Verkäufe beschließen wollten, keine Ein-Euro-Jobs einrichten und Zwangsumzüge stoppen würden, die Rückkehr in den Flächentarifvertrag für den öffentlichen Dienst umsetzen, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich einführen und für einen Ausbau statt Abbau im Bildungswesen sorgen wollten, dann würde sich Ihre Frage nach einer Regierungsbeteiligung ganz anders stellen.
Entscheidend ist, dass diese Regierung keine linke Politik betrieben hat. Harald Wolf als L.PDS-Spitzenkandidat verkündet im Wahlkampf: "Der Anfang ist gemacht". Die L.PDS droht: "Fortsetzung folgt". Sie verteidigen also den bisherigen Kurs vorbehaltlos. Gleiches gilt für die Sozialdemokratie. Im bundesweiten Vergleich hat dieser "rot-rote" Senat in einigen Fragen in negativer Sicht eine Vorreiterrolle eingenommen (zum Beispiel bei dem Austritt aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband). Mit dem drohenden Verkauf der Berliner Sparkasse könnte eine neue SPD/L.PDS-Koalition einen weiteren Dammbruch einleiten. Gysi diente sich vor den letzten Abgeordnetenhauswahlen dem Establishment gegenüber als Gralshüter des "sozialen Friedens" an. Im Tagesspiegel wurde er am 17. Juni 2001 mit den Worten zitiert: "Statt Luftschlösser zu bauen, müssen wir harte Einschnitte mittragen. Die PDS wäre in einem rot-roten Senat dafür zuständig, dass die Menschen - selbst wenn sie unter Sparmaßnahmen leiden - das Gefühl haben: Zumindest geht´s dabei gerecht zu."
Gegen die Politik dieses Senats hat sich in den letzten Jahren - ob gegen die Abschaffung des Sozialtickets oder gegen Studienkonten - Widerstand formiert. Die WASG sieht sich in der Pflicht, diesen Widerstand politisch zu stärken und nach dem 17. September auch ins Abgeordnetenhaus zu tragen. Wir können unseren Wählern nicht "erklären", dass wir vor der Wahl als soziale Opposition auftreten und nach der Wahl in eine Regierung von Sozialabbau-Parteien eintreten. Wenn Sie, Herr Stein meinen, dass wäre eine Regierung des kleineren Übels, dann will ich Ihnen antworten: Erstens ist es angesichts der "rot-roten" Bilanz mehr als fraglich, ob es sich tatsächlich um eine Regierung des kleineren Übels handelt. Und zweitens ist auch ein kleineres Übel vor allem eines - ein Übel. Und: Für eine Niederlage von rot.rot bei den Wahlen ist nicht die WASG, sondern ganz allein die Politik des Sozialabbaus von SPD und LPDS
verantwortlich.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir den Wählern am Besten dienen, wenn wir Ihre Anliegen - von den Oppositionsbänken aus - nach dem 17. September im Parlament zur Sprache bringen und wenn wir unsere Mittel und Möglichkeiten als Abgeordnetenhausfraktion für Proteste gegen weitere Sozialkürzungen nutzen.
Mit freundlichen Grüßen, Lucy Redler