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Frage von Julian B. •

Frage an Lucy Redler von Julian B. bezüglich Finanzen

Hallo Frau Redler,

ich hätte noch eine andere Frage betreffend der Privatisierung.
Sie sagen Privatisierung sei Diebstahl öffentlichen Eigentums, das finde ich falsch, da Privatisierung in vielen Bereichen sowohl für den Staat kostensparender ist, als auch für den Verbraucher. Zu nennen seien hier der Telekommunikationssektor, der Flugverkehr also vor allem Monopole, die in den letzten Jahren privatisiert wurden. Natürlich gibt es auch noch Sorgenkinder, wie z.B. die Energiewirtschaft, aber dafür gibt es die Bundesnetzagentur, die ihre Aufgabe meiner Meinung nach nicht schlecht macht. E.ON und Vattenfall müssen bereits ihre Gebühren senken oder die Telekom muß ihr VDLS-Netz öffnen . Ich denke das Privatisierung in vielen Feldern der richtige Weg ist, da der Staat einfach weniger effizient als ein Privatanbieter ist. Ob Gewinnmargen von 8% , wie bei den Wasserwerken, zu hoch oder zu niedrig sind hängt von dem jeweiligen Konzessionsmodell ab und lässt sich nicht verallgemeinern.

Sie sagen die Mieten in Berlin hätten sich so stark erhöht, dennoch kann man in Berlin heute viel günstiger wohnen als in anderen deutschen Städten. Ich finde hier von Preistreiberei zu sprechen übertrieben. Gerade der berliner Wohnungsmarkt ist durch sein Überangebot wirklich sehr mieterfreundlich. Und z.B. Dresden hat bis jetzt auch keine schlechten Erfahrungen mit dem Verkauf seiner Immobilien gemacht.
Allerdings gebe ich Ihnen sehr wohl recht in Bezug auf den berliner Bankenskandal. Der ganze Ablauf ist eine Frechheit und die Einstellung der Verfahren aus gesundheitlichen Gründen krönt den ganzen Spass noch, bzw. wenn ich Klaus Landowsky in meinem Aushilfsjob Champagner eingießen muß und meine Universität gleichzeitig sparen muß ärgere ich mich wirklich schwarz. Wie kann man diese Leute zur Rechenschaft ziehen?
Das war die zweite lange Frage :)
Viel Erfolg am 17. wünsche ich und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Julian

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Ballejo,

Vielen Dank für Ihre beiden Fragen.

Zunächst haben Sie Fragen in Bezug auf Privatisierungen aufgeworfen. Warum spreche ich davon, dass Privatisierung "Diebstahl öffentlichen Eigentums" ist? Nehmen Sie die Bahn. Mit Steuermitteln wurde das Schienennetz aufgebaut, der Bau von Zügen finanziert usw. usf. In diesem Herbst soll die Bahn verkauft werden. die Bundesregierung erhofft sich einmalige Einnahmen von zehn Milliarden Euro. Damit wird die Bahn weit unter ihrem eigentlichen Wert von über einhundert Milliarden Euro verschleudert. Zudem ist in den Verkaufsplänen vorgesehen, dass der Staat auch nach dem Verkauf den Schienenverkehr weiter in gleicher Höhe wie zuvor bezuschussen muss. Das ist für mich Diebstahl, Raub. Die gleichen Mechanismen haben bei anderen Privatisierungen - ob im Bund oder in Berlin - gegriffen.
Es kann, denke ich, keine Rede davon sein, dass "Priviatisierung in vielen Bereichen auch für den Verbraucher kostensparender ist", wie Sie behaupten. Im Kern bedeutet Privatisierung doch, nicht nur die Versorgung sicherzustellen, sondern auch noch einen Gewinn zu erzielen. Das drückt sich - nicht immer unmittelbar - in jedem Fall aber mittel- und langfristig in Preiserhöhungen und/oder Einsparungen (Leistungen, Mitarbeiter etc.) aus. In einzelnen Fällen kam es (nach dem Verkauf) aufgrund neuer Techniken - die kein Ergebnis der Privatisierung sind - zunächst einmal zu Gebührensenkungen.
Natürlich gab und gibt es in den heutigen Staatsunternehmen bürokratische Strukturen. Hier lehne ich die viel zu hohen Einkommen und Privilegien derjenigen ab, die sich in Leitungsfunktionen befinden und trete ich für eine Demokratisierung, eine stärkere Einbeziehung der Mitarbeiter ein.

Sie halten es für übertrieben, beim Berliner Wohnungsmarkt von Preistreiberei zu sprechen. Sicherlich sind die Mieten in einigen Bezirken Berlins verglichen mit anderen Großstädten niedriger. Das durchschnittliche Einkommen ist als Folge der Massenarbeitslosigkeit und der ausgeprägten Armut (jedes dritte Kind wächst in Berlin offiziell in einem armen Elternhaus auf) auch niedriger als in anderen Städten. Überangebot? Das gilt nicht für alle Bezirke; die "Auswahl" ist vor allem in Randbezirken größer (was in der Regel wieder Mehrkosten bei der Mobilität bedeutet). In jedem Fall gelten bei der Privatisierung von Wohnraum die gleichen Funktionsweisen (wie ich sie oben kurz skizziert habe) wie bei Privatisierungen anderer Bereiche.

In Ihrer zweiten Frage beziehen Sie sich auf den Bankenskandal. Hier fragen Sie: "Wie kann man diese Leute zur Rechenschaft ziehen?" Der Diepgen-Senat genauso wie die Regierung Wowereit deckelten diesen Skandal. Ich plädiere demgegenüber für die Bildung einer öffentlich tagenden Untersuchungskommission. Einbezogen werden sollten hier VertreterInnen von Beschäftigten und Gewerkschaften, den Kleinkunden und der Bevölkerung. Bei den Herren Landowsky und Co. sollten die Zahlungen von Übergangs- und Pensionsgeldern von damaligen Vorstandsmitgliedern beendet werden. Zudem sollten die Vermögen von Fondszeichnern, Immobilienspekulanten, Vorstandsmitgliedern von Bankgesellschaft und Tochterunternehmen, sowie von in den Fall involvierten Politikern herangezogen werden.

Mit freundlichen Grüßen, Lucy Redler