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Frage von Lisa-Manju S. •

Frage an Lucy Redler von Lisa-Manju S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Redler,
wie ich einer Informationsbroschüre der WASG Berlin und auch div. Beiträgen hier entnehmen konnte, gehört es ja zu Ihren Zielen, Besserverdienende stärker zu besteuern sowie gerechtere Löhne bzw. Mindestlöhne einzuführen.
Meine Frage ist, wie Sie es verhindern wollen, dass gerade große Konzerne ihre Produktion ins Ausland verlagern, wo Arbeitskräfte billiger sind oder dass Privatvermögen ins Ausland transferiert wird? Halten Sie eine Senkung der Lohnnebenkosten für einen zufriedenstellenden Ansatz?
Gespannt auf Ihre Antwort.

Gruß, Lisa-Manju Speck

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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Speck,

Vielen Dank für ihre interessante Frage.

Zu Beginn einige Gedanken zur Frage der Senkung der sogenannten Lohnnebenkosten. Von Seiten der Politiker fast aller Parteien und der Arbeitgeber wird immer wieder behauptet, dass die hohen Lohnnebenkosten in Deutschland dazu führen würden, das die deutsche Wirtschaft nicht genügend wettbewerbsfähig auf dem internationalen Markt wäre und dies die Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit sei.

Erst einmal zum Begriff der Lohnnebenkosten: Dieser Begriff ist irreführend, denn die Lohnnebenkosten sind erstens von den Beschäftigten erwirtschaftet worden und damit eigentlich ein Bestandteil des Lohns. Zweitens bezeichnen die "Lohnnebenkosten" die Kosten für die Gesundheit, die Rente und so weiter. Kürzungen bei den "Lohnnebenkosten" bedeuten deshalb Kürzungen bei Gesundheit und Rente.

Die Behauptung der zu hohen Lohnnebenkosten diente in den letzten Jahren dazu, Lohnkürzungen für die Beschäftigten durchzusetzen, Unternehmenssteuern zu senken oder z.B. den Arbeitgeberanteil bei den Krankenversicherung abzusenken. Doch die Arbeitslosigkeit ist weiter gestiegen. Gleichzeitig konnten die Unternehmer ihre Gewinne steigern. Die deutsche Wirtschaft war in den letzten Jahren Exportweltmeister -- von mangelnder Wettbewerbsfähigkeit kann also keine Rede sein.

Entscheidend sind für Unternehmer im übrigen nicht die Löhne oder die "Lohnnebenkosten", sondern die Lohnstückkosten, das heißt die Kosten, die ein Unternehmer je produziertem Produkt aufbringen muss. Und diese sind, auch auf Grund der hohen Produktivität in Deutschland, im internationalen Vergleich relativ niedrig (niedriger als z.B. in den USA oder Japan). Eine weitere Senkung der "Lohnnebenkosten" oder des Lohns würden nur die Gewinne der Unternehmer weiter steigern - aber nicht dazu führen, das neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir sollten uns also von der Forderung nach der Senkung der Lohnnebenkosten nicht aufs Glatteis führen lassen, sie dienten und dienen nur dazu, Lohnsenkungen und Sozialkahlschlag zu rechtfertigen und durchzusetzen.

Wenn Konzerne ihre Produktion ins Ausland verlagern, hat es verschiedene Gründe. Hier möchte ich die Kreditanstalt für Wiederaufbau widergeben, die bei einer Befragung festgestellt hat, dass fast 90 Prozent der Unternehmen angeben, mit Auslandsinvestitionen bestehende Märkte zu sichern, auszuweiten oder neue Märkte erschließen wollen. Die Motivation, dadurch Lohnkosten zu reduzieren, spielt hier also nur eine
untergeordnete Rolle.

Sollte es trotzdem zu Produktionsverlagerungen aufgrund von Lohnkosten kommen, spricht das nicht gegen die Löhne, sondern gegen das Prinzip Profit, das dem Kapitalismus eigen ist. Es kann nicht sein, dass ArbeitnehmerInnen, die ein Werk über Jahre oder sogar Jahrzehnte aufgebaut haben, ihren Arbeitsplatz verlieren, weil ein Unternehmer woanders noch billiger produzieren kann. In diesem Fall muss der Betrieb in öffentliches Eigentum überführt werden.

Unsere Forderungen nach einer stärkeren Besteuerung der Unternehmen, nach höheren Löhnen und Mindestlöhnen lassen sich jedoch nicht allein durch eine parlamentarische Vertretung durch die WASG im Abgeordnetenhaus durchsetzen. Notwendig ist ein breiter gesellschaftlicher Aufbruch gegen Soziallabbau, Lohndumping, Privatisierung und Arbeitslosigkeit. Deshalb unterstützen wir z.B. auch den Protest der KollegInnen bei der Charité gegen Lohnkürzungen und betriebsbedingte Kündigungen oder den Kampf der Beschäftigten des Bosch-Siemens-Hausgerätewerkes um den Erhalt ihres Betriebes.

Wenn wir in das Abgeordnetenhaus gewählt werden, werden wir diese und andere Proteste mit aller Anstrengung bekannt machen und unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen

Lucy Redler