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Frage von Mario G. •

Frage an Lucy Redler von Mario G. bezüglich Wirtschaft

Liebe Lucy Redler,

erst einmal bin ich sehr froh über die Standpunkte, die Sie (hier)vertreten, möchte dem aber noch etwas hinzufügen. Sie sagen: "Die größere Schere zwischen Arm und Reich in den Industrieländern geht einher mit einer noch drastischeren Ausplünderung der armen Länder. Die Ursache ist beidesmal dieselbe: Internationale Konzerne und Banken beuten Arbeitskräfte und Rohstoffvorkommen aus. Für sie steht der Profit im Mittelpunkt aller Erwägungen".

Das ist oberflächlich richtig, aber wenn man tiefer hinter die Kulissen schaut, erkennt man die Ursache für die allgemeine (in JEDER gesellschaftlichen Schicht zu findende!) Profitgier: unser (zinsbasiertes) Geldsystem!

Geld dient nicht nur als Tauschmittel, sondern man kann mit Geld auch Geld verdienen. Jeder der sich Kapital leiht, um zu investieren, MUSS mehr Gewinn machen um die Zinsen abzahlen zu können. Ein Teufelskreis des unendlichen Wachstumsdrucks beginnt! Logischerweise legen Konzerne, Wohnungsbaugesellschaften, Müllabfuhr und selbst der kleine Laden nebenan die (Kapital-)Kosten auf den Endverbraucher um. Ergo: Die Allgemeinheit zahlt die in allen Produkten versteckten Zinsen - noch dazu ohne es zu wissen!

Meine Frage: Kennen Sie diese Problematik und wie finden Sie Regionalgeld-Projekte wie den "Berliner Wertgutschein"? Denken Sie, dass man das (von Menschen geschaffene) Geldsystem auch wieder ändern könnte und befürworten Sie dies?

Ihr Zitat von Brecht trifft es schon sehr gut, zum Schluss deshalb noch ein weitergehendes Zitat einer Karrikatur aus dem 19. Jh. (ein reicher, dicker Mann sagt zu einem armen, hageren Mann):

"Was hör ich da? Geld ohne Zinsen? Wovon soll ich denn leben? Dann müßte ich ja arbeiten wie Sie!"

Viele Grüße und viel Erfolg bei der Wahl,
Mario Gazcak

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Antwort von
DIE LINKE

Hallo Herr Gazcak,

vielen Dank für Ihre Erfolgswünsche zur Wahl. Die WASG Berlin ist aus einer breiten Bewegung entstanden, in der im Rahmen unserer inhaltlichen Grundsätze (z.B. Ablehnung von Sozialabbau und Privatisierung) unterschiedliche Positionen Platz haben. Deshalb kann ich mit Blick auf Ihre etwas theoretischere Mail zur Frage der Zinstheorie (wohl angelehnt an Gesell u.a.) nur für mich selbst antworten. Sie schreiben, dass in unserer Gesellschaft Geld nicht nur als Tauschmittel dient, sondern man mit Geld auch Geld verdienen kann. Da stimme ich Ihnen vollkommen zu, viele Firmen machen heute mehr Geld durch Spekulation auf den Finanzmärkten als durch Investitionen auf den klassischen Gütermärkten (Stichwort: Kasinokapitalismus). Ihrer Erklärung, dass dafür allein der Fremdkapitalzins zuständig ist, kann ich allerdings nicht folgen. Investitionen, die aus Eigenkapital getätigt werden, unterliegen den gleichen Zwängen: die Konkurrenz im Kapitalismus zwingt jedes einzelne Unternehmen, seine Profite zu maximieren, ob es nun eigen- oder fremdkapitalfinanziert ist. Anders formuliert: die Arbeitsbedingungen in klein- und mittelständischen Unternehmen sind auch nicht rosiger als in den stärker vom Kapitalmarktzins abhängigen Großunternehmen. Eine Unterscheidung zwischen „schlechtem“ Fremdkapital und „gutem“ Eigenkapital – entschuldigen Sie bitte, dass ich hier etwas vereinfache – finde ich nicht sinnvoll. Zudem wurde diese Unterscheidung von den Nationalsozialisten für ihre antisemitische und fremdenfeindliche Propaganda missbraucht.

Alles, was von Menschen gemacht wird, können sie natürlich ändern, so auch unser Geld- und Wirtschaftssystem – sonst würde ich mich nicht politisch engagieren. Das von Ihnen angesprochene Regionalgeld, das ja in den letzten Jahren in vielen Regionen eingeführt wurde, halte ich dann für sinnvoll, wenn es dazu dienen soll, den Konsum regionaler und ökologischer Produkte zu stärken (dann wirkt es wie eine Kundenkarte eines großen Kaufhauses, nur im positiven Sinne). Die zum Teil hinter den Regionalgeldintitiativen stehende Ideologie (Unterscheidung zwischen Fremd- und Eigenkapital nach Gesell) halte ich dagegen wie gesagt für wenig hilfreich.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre Lucy Redler