Wie bewerten Sie die Auswirkungen auf Rheinland-Pfalz als Grenzregion und wie schätzen Sie die Vereinbarkeit mit Europarecht/Grundrechten ein? Welchen Stellenwert hat das Europarecht für Sie?
Sehr geehrte Frau Kraft.
am 29. Januar 2025 wurde im Bundestag ein Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik mit Unterstützung der AfD knapp angenommen. Dies hat eine breite Debatte ausgelöst, da es das erste Mal war, dass ein Antrag mit AfD-Stimmen eine Mehrheit fand. Zudem gibt es Bedenken zur Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und europäischem Recht.
Als Bürger von Rheinland-Pfalz, einem Bundesland mit mehreren europäischen Nachbarn, interessieren mich besonders die Auswirkungen auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und den Umgang mit grundlegenden Rechten. Wie bewerten Sie diesen Beschluss im Hinblick auf unsere Nachbarländer und den Stellenwert des Europarechts? Welche Bedeutung messen Sie europäischer Rechtsprechung und Grundrechten bei, insbesondere im Kontext der Migration?

Die Annahme eines taktisch motivierten, populistischen Antrags mit Unterstützung der AfD ist ein besorgniserregender Bruch mit demokratischen Gepflogenheiten. Sie stellt nicht nur einen Dammbruch in der politischen Kultur Deutschlands dar, sondern widerspricht meiner Auffassung nach in großen Teilen europäischen Recht und gefährdet grundlegend europäische Errungenschaften. Deutschland ist durch das Grundgesetz, die EU-Grundrechtecharta und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verpflichtet, menschenrechtskonforme und rechtsstaatliche Verfahren zu garantieren. Jede Migrationspolitik, die Schutzsuchenden faire Verfahren verweigert oder europäische Standards unterläuft, verstößt gegen diese Prinzipien.
Rheinland-Pfalz lebt von offenen Grenzen und enger Zusammenarbeit mit Frankreich, Belgien und Luxemburg. Eine restriktivere Migrationspolitik, die europäische Grundrechte infrage stellt, gefährdet nicht nur den freien Personenverkehr, sondern auch die wirtschaftlichen und sozialen Verflechtungen mit unseren Nachbarländern. Erwiesenermaßen hemmt eine Einschränkung der Freizügigkeit den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt, verstärkt den Fachkräftemangel und untergräbt das Vertrauen in gemeinsame europäische Lösungen. Zudem könnten verschärfte Grenzkontrollen oder restriktive Regelungen langfristig den europäischen Integrationsprozess gefährden, von dem Rheinland-Pfalz stark profitiert.
Die Europäische Union basiert auf dem Schutz von Grundrechten, und dazu gehört auch das Recht auf Asyl. Europäische Gerichte haben mehrfach entschieden, dass menschenunwürdige Bedingungen oder systematische Rechtsverletzungen in Asylverfahren gegen die EU-Grundrechtecharta verstoßen. Eine migrationspolitische Verschärfung, die Schutzsuchenden rechtsstaatliche Verfahren erschwert oder verweigert, dürfte daher nicht mit dem Europarecht vereinbar sein. Nationale Alleingänge lösen keine Probleme, sondern schwächen das gemeinsame europäische Asylsystem. Anstatt Schutzrechte zu beschneiden, müssen wir faire, effiziente und menschenwürdige Lösungen auf europäischer Ebene entwickeln.
Ein einheitlicher europäischer Rechtsraumist für mich eine der wichtigsten Säulen für Frieden, Demokratie und Menschenrechte. Er sichert, dass politische Entscheidungen nicht willkürlich getroffen werden, sondern an rechtsstaatliche Prinzipien gebunden sind. Besonders in der Migrationspolitik brauchen wir ein Europa, das nicht auf Abschottung setzt, sondern auf Kooperation, Humanität und Pragmatismus. Volt setzt sich daher für eine europaweite Reform des Asylsystems ein, um Verfahren zu beschleunigen, Verantwortung fair zu verteilen und Menschenrechte zu wahren.
Ich werde mich entschieden dafür einsetzen, dass Rheinland-Pfalz als weltoffene Grenzregion von einem funktionierenden, menschenwürdigen und effizienten Asylsystem profitiert – statt von Symbolpolitik, die europäische Werte infrage stellt und wirtschaftlichen Schaden anrichtet. Eine starke europäische Zusammenarbeit ist der einzige Weg, Migration fair, nachhaltig und menschenwürdig zu gestalten.