Frage an Lothar Mark von Jürgen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lothar Mark,
zu den zahlreichen Moscheebauplänen der DITIB in Köln-Ehrenfeld und vielen anderen Orten habe ich eine Meinung und eine Frage.
Der Verband Ditib, der faktisch der staatlichen türkischen Religionsbehörde untersteht, plant etliche Moscheebauten in Deutschland. Ich will keine Moscheen, die einer Regierung unterstehen, welche den Massenmord an der Armeniern 1914/15 leugnet. Wir dürfen Leugner dieser schlimmen Verbrechen nicht unterstützen! Gerade auch, da wir richtigerweise in Deutschland das Leugnen historischer Verbrechen unbedingt ablehnen.
Mich würde interessieren, Herr Lothar Mark, wie in dieser Frage Ihre Haltung ist?
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Brecht
Sehr geehrter Herr Brecht,
vielen Dank für Ihre Mail vom 01. September diesen Jahres, in der Sie Ihre Bedenken bezüglich der Moscheebaupläne der DIYANET ISLERI TÜRK ISLAM BIRLIGI (DITIB) in Köln-Ehrenfeld schildern. Meiner Ansicht nach sprechen Sie in Ihrem Schreiben zwei Probleme an, die getrennt voneinander betrachtet werden sollten. Zum einen die Verbindung der DITIB mit der staatlichen türkischen Religionsbehörde und zum anderen die bisher noch nicht erfolgte Anerkennung des Massenmordes an den Armeniern im Jahre 1914/15 durch die Regierung in Ankara.
Der Dachverband DITIB ist heute die größte muslimische MigrantInnenorganisation in Deutschland und vereint bundesweit über 880 Ortsgemeinden. DITIB wurde 1984 von der Türkei gegründet, um für die hier ansässigen Türken eine Alternative zu den sich in Deutschland etablierenden islamistischen Gruppen, wie zum Beispiel Milli Görüs, zu schaffen. Die aus der Türkei geschickten Imame, die in diesem Verein mitarbeiten, sind alle dem türkischen Verständnis der Trennung von Staat und Religion verpflichtet. Die reformislamische Ankara-Schule prägt darüber hinaus auch theologisch progressiven Ansätze innerhalb der Diyanet und bei den Imamen. Diese Geistlichen unterscheiden sich daher theologisch und politisch von den hier ausgebildeten deutschsprachigen Imamen der islamistischen Gruppierungen.
Die bis heute anhaltende Anbindung der DITIB an das Amt für religiöse Angelegenheiten in der Türkei, Diyanet, hat neben dieser politischen Kontrollfunktion auch ganz praktische finanzielle Gründe, da die Gemeinden allein theologisch gut ausgebildete Imame nicht bezahlen können.
Aus den genannten Gründen spricht meiner Ansicht nach nichts dagegen, den Moscheenbau durch diesen Verband zu unterstützen. Nationalistischen und chauvinistischen Tendenzen sowie manchen tradierten Vorstellungen des Geschlechterverhältnisses, wie sie hin und wieder bei DITIB zu verzeichnen sind, stehe ich jedoch kritisch gegenüber.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage kann ich Ihnen mitteilen, dass bereits 2005 ein gemeinsamer Antrag von SPD, CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag eingebracht wurde, in dem die Türkei aufgefordert wird, den Massenmord an den Armeniern im Jahre 1914/15 anzuerkennen. Die SPD-Bundestagsfraktion steht geschlossen hinter dieser Forderung.
Indem ich dem Bau von Moscheen durch die DITIB aufgeschlossen gegenüberstehe, unterstütze ich nicht in erster Linie die türkische Regierung, sondern den Wunsch der in Deutschland lebenden Muslime nach freier Ausübung ihrer Religion.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Lothar Mark, MdB