Frage an Lissy Gröner von Ute W. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Gröner,
einer unserer Freunde hat insgesamt 666 Tage unschuldig im Gefängnis verbracht.- Erst im Wiederaufnahmeverfahren wurde deutlich, dass die Polizei es unterlassen hatte Ermittlungen zur Entlastung des Beschuldigten umfänglich vorzunehmen. In einer schier unglaublichen Kette von kritikloser und fahrlässiger Übernahme dieses Ermittlungsergebnisses wurde dann unser Freund von einem überforderten Gericht zu 4 1/2 Jahren Gefängnis verurteilt.- Nur durch die Bemühungen seines Bruder und letztendlich durch das LKA u. das BKA, konnte dann im Wiederaufnahmenverfahren ein Freispruch erreicht werden.
Nunmehr steht die Frage der Haftentschädigung an! Lt. Gesetz steht dem zu Unrecht Verurteilten eine Haftentschädigung von 11 € pro Tag zu; abzüglich 6 € für Kost & Logi. Insgesamt also 5 € für jeden Tag in Unfreiheit! Die Höhe der Haftentschädigung wurde letztmalig Deutschland in 1988 angepasst.
Auffällig ist, dass die Summe der Haftentschädigung in Europa in jedem Land anderes geregelt ist .- Der in Österreich unschuldig Einsitzende erhält z.B. 100 € /Tag als Entschädigung. (Ein Tag Unfreiheit kann doch nicht ernsthaft so unterschiedlich bemessen sein?!)
Wird sich die EU mit eine entsprechenden EU- weiten Regelung befassen? (und warum ist das nicht schon längst geschehen?)
Was ist aus Ihrer persönlichen Sicht eine angemessene Haftentschädigung für einen zu Unrecht Verurteilten pro Tag Unfreiheit?
Es fällt auf, dass sich aufgrund der kleinen Anzahl der Betroffenen (in Deutschland knapp 100 pro Jahr) niemand für das Thema ernsthaft interessiert!- Es ist für die Menschen schon schlimm genug (unschuldig) zu Haft verurteilt worden zu sein!- Noch schlimmer; nach der dem Freispruch (wie hier nach dem Wiederaufnahmeverfahren), sind die Menschen ob Ihres Schicksal wieder völlig allein gelassen! - Der Staat kümmert sich nicht um diese, von ihm selbst produzierten, Opfer!
Gruß
Ute Wessel
Sehr geehrte Ute Wessel,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Dass die Haftentschädigung europaweit unterschiedlich hoch ausfällt und es noch keine einheitliche europäische Haftentschädigung gibt liegt mit daran, dass die Mitgliedsländer hier die Kompetenzen haben. Die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in den Bereichen Justiz und Inneres erfolgt im Rahmen des "dritten Pfeilers" des EU-Vertrags, in dem die europäische Integration weniger stark ausgeprägt ist als im Gemeinschaftsrecht. Vor allem haben hier neben der Kommission auch die Mitgliedstaaten ein Initiativrecht. Beschlüsse werden einstimmig durch den Rat gefasst, während das Europäische Parlament rein beratende Funktion hat und der Gerichtshof nur in begrenztem Maße Kontrolle ausübt.
Es tut mir leid zu hören, dass eine Person unschuldig 666 Tage im Gefängnis saß. Es ist immer schlimm zu unrecht im Gefängnis seiner Freiheit beraubt zu sein. Dies ist sicherlich eine Erfahrung, die mit Geld auch nicht aufgewogen werden kann, weswegen es mir schwer fällt, Ihnen einen Betrag für eine angemessene Haftentschädigung zu nennen.
Mit freundlichen Grüßen
Lissy Gröner, MdEP