Frage an Leni Breymaier von Annalena G. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Breymaier,
ich würde gern wissen wollen, warum Sie den Entwürfen zur geschlechtlichen Selbstbestimmung nicht zu gestimmt hätten. Auf Facebook habe ich Ihren Post gelesen und verstehe Ihre Argumentation einfach nicht. Transmenschen verdienen dieselben Grundrechte wie alle anderen Menschen auch. Dazu gehört auch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Feministin, Cis-Frau, queere bzw. lesbische Frau zu sein und zugleich Transmenschen zu unterstützen geht doch Hand in Hand - meinen Sie nicht? Und warum soll das biologische Geschlecht über dem gefühlten Geschlecht stehen? Ist das nicht zutiefst ungerecht und diskriminierend?
Vielen Dank für die Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Annalena Gutschmidt
Sehr geehrte Frau Gutschmidt,
vielen Dank für Ihre E-Mail zu den Gesetzentwürfen von Bündnis 90/Die Grünen zur Aufhebung des Transsexuellen-Gesetzes (TSG) und Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes (19/19755) sowie der FDP „zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung“ (19/20048).
Neben dem, was mich zu dem Thema an Kommentaren in den sozialen Medien sichtbar erreicht hat, bekam ich auch eine Fülle persönlicher Nachrichten auf Facebook, Instagram und Twitter und jede Menge E-Mails. Die Einlassungen waren super-kritisch, differenziert und mehrheitlich zustimmend.
Zu den Gesetzentwürfen ist zu sagen: Es ist nicht überzeugend, dass ein Gesetz, das transsexuellen Menschen helfen soll, sich nicht ausschließlich auf transsexuelle Menschen bezieht. Leiden an Geschlechterdysphorie ist ernst zu nehmen und ich werde mich immer dafür einsetzen, dass die Betroffenen angemessene Unterstützung erhalten. Geschlechtseintragsänderungen und operative und hormonelle Eingriffe sind schwerwiegende biografische Veränderungen, sie sind unter Achtung der Menschenrechte zu regeln. Die Gesetzentwürfe von Grünen und FDP werden aber der Komplexität von Transsexualität nicht gerecht. Sie verharmlosen aus meiner Sicht Geschlechtseintragsänderungen und operative Eingriffe. Sehr kritisch ist der Aspekt, dass Frauen quasi aus der Sprache verschwinden und das biologische Geschlecht zukünftig hinter dem gefühlten Geschlecht zurückstehen soll. Denn als Feministin und Frauenbewegte will ich nicht von „schwangeren Menschen“ reden, will den internationalen Frauentag und dass die Benachteiligung von Frauen in unserer männerdominierten Welt ein Ende nimmt.
Ich befasse mich seit längerem intensiver mit dem Thema Transsexualität, habe etliche Gespräche mit Betroffenen aus den verschiedensten Blickwinkeln geführt. Es ist keine Frage, dass das jetzige Transsexuellengesetz reformiert werden muss. Auch ohne die Hinweise des Bundesverfassungsgerichtes sind demütigende, beschämende, willkürlich anmutende Befragungen, Untersuchungen und Bewertungen an und mit transsexuellen Menschen zu verbieten. Die Qualität von Anerkennungsprozessen muss verbessert, diese aber nicht abgeschafft werden.
Zunehmend berichten mir Eltern und auch Psycholog:innen von Mädchen, die bis dato keinerlei Hinweise gegeben hatten, sich im falschen Körper zu befinden, sich in der Pubertät mit ihrer Geschlechterrolle und der Nichterfüllung von weiblichen Stereotypen auseinandersetzen und im Abnabelungsprozess von den seitherigen Vorbildern plötzlich als Lösung Trans finden. Und wenn ich dann zu dem Ergebnis komme, dass ich es falsch finde, solchen 14-Jährigen geschlechtsverändernde Operationen zu ermöglichen, bekomme ich vielfach aus der Transsexuellenszene die Antwort, das müsse ja nicht sein, man könne ja erst mal mit Pubertätsblockern anfangen. Und das sind, wie mir auch Mediziner:innen bestätigen, sehr schwere Eingriffe in den Körper.
Es stellt sich die Frage, wie den absolut berechtigten Ansprüchen Transsexueller gerecht begegnet werden kann, ohne Jugendlichen, die im richtigen Körper stecken, das Gefühl zu vermitteln, Trans sei ein Ausweg aus ihrem Dilemma und ohne das biologische Geschlecht und das damit verbundene soziale Geschlecht unterzupflügen und stereotype Geschlechterzuschreibungen zu zementieren.
Mein Facebook-Post hat gezeigt, dass viele Menschen nicht verstehen, um was es geht, sie verstehen weder die Abkürzungen, noch die Aggressivität der Debatte. Es ist notwendig, dass die Debatte so geführt wird, dass sie anschlussfähig ist, dass sie von Leuten, die weder homophob noch transphob sind, verstanden wird. Insofern setze ich mich für einen konstruktiven Dialog zwischen der LSBTTIQ-Community, der Frauenbewegung und dem Jugendschutz ein, um Lösungen zu finden, die den unterschiedlichen Interessen gerecht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Leni Breymaier