Frage an Leni Breymaier von Anne S. bezüglich Familie
Liebe Frau Breymaier,
ich habe eine Frage bezüglich des geplanten Verbots von Konversionstherapien bei Homosexuellen. Dieses finde ich richtig und wichtig. Was mich stutzig macht, ist, dass dieses Gesetz sich auch auf die Geschlechtsidentität bezieht. Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sind jedoch zwei unterschiedliche Konzepte. Das eine bezieht sich darauf, welches Geschlecht ich begehre, das andere darauf, als welches Geschlecht ich mich selbst sehe und in welcher Form ich dieses Selbst-Verständnis nach außen sichtbar mache. Wie alle Facetten unserer Identität ist diese Geschlechtsidentität im Laufe unseres Lebens einem Wandel unterworfen. Ich halte es daher für höchst bedenklich, dass Identität und sexuelle Orientierung zusammengewürfelt werden.
So habe ich gelesen, dass es viele sogenannte Detransitioner gibt, die angeben, eine Weile nach ihren medizinischen Transitionen diesen Schritt sehr bereut zu haben. Brustamputationen, Gebährmutterentnahme, Eierstöckeentnahme und durch Hormone erzeugter Stimmbruch sind dann aber nicht mehr rückgängig zu machen. Diese Frauen geben alle an, dass sie ausschließlich ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen trafen, die den affirmativen Ansatz verfolgt haben (oder dass sie nur von solchen „behandelt“ werden wollten). Sie beklagen, dass es kaum noch ExpertInnen
gibt, die sich trauen, kritischer vorzugehen. Mit diesem Gesetz wird diese Tendenz weiter forciert.
Wie begründen Sie dieses Gesetz diesen Frauen gegenüber und den wenigen PsychotherapeutInnen, die gender-kritisch arbeiten wollen und einen trans-affirmativen Ansatz aus fachlicher Einschätzung als schädlich erachten?
Sehr geehrte Frau S.,
seit vielen Jahren treibt das Thema Konversionstherapie queere Menschen in Deutschland um. ,Therapeutische' Umpolungsversuche haben unerträgliches Leid über die Betroffenen gebracht. Zusammen mit der SPD-Bundestagsfraktion bin ich der festen Überzeugung, dass dieser Scharlatanerie mit dem schärfsten Schwert des Rechtsstaates begegnet werden musste, nämlich mit einem strafrechtlichen Verbot. Das ist nun gelungen und das Gesetz wurde am 7. Mai vom Deutschen Bundestag verabschiedet.
Es ist erfreulich, dass jetzt allen jungen Menschen bis zum 18. Lebensjahr die Qualen von angeblichen Konversionstherapien endlich erspart werden. Außerdem wurde die Definition dessen, was Einflussnahme, was Druck auf die freie Selbstbestimmung ist, deutlich weiter gefasst. So wurde beispielsweise das Entziehen des Erbteils schon als unzulässige Einflussnahme und Erzeugen eines Drucks bewertet.
Minderjährige werden nun endlich vollständig vor Konversionsversuchen geschützt. Menschen in diesem Alter sind besonders schützenswert; denn sie befinden sich noch in der Selbstfindungsphase. Sich selbst zu erkennen, seine Sexualität zu akzeptieren und vor allen Dingen Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen - das sind wirklich grundlegende Prozesse. Da kann es nicht sein, dass sie Rollenbilder übergestülpt bekommen, sondern sie gehören begleitet und beschützt.
Das Gleiche gilt natürlich auch für Menschen über 18, deren Einwilligung auf einem Willensmangel beruht, weshalb sie auch besonders schutzbedürftig sind. Wir haben den Begriff "Willensmangel" noch einmal dahin gehend präzisiert, dass auch Drohungen und sonstige Nötigungen, die zur Einwilligung in die Konversionsmaßnahmen führen, einen solchen Willensmangel darstellen und zudem zukünftig unter Strafe stehen. Wir hätten uns ein höheres Schutzalter gewünscht, aber das konnte im parlamentarischen Verfahren nicht erreicht werden.
Insofern begrüße ich dieses Ergebnis, auch wenn sich die SPD-Bundestagsfraktion noch mehr hätte vorstellen können. Aber insgesamt ist es für viele homosexuelle, bisexuelle und transsexuelle Menschen in Deutschland ein ganz wichtiges Gesetz.
Erstmals wurde ein Verbot von unmenschlichen Praktiken eingeführt und damit senden wir ein deutliches Zeichen in die gesamte Gesellschaft.
Mit freundlichen Grüßen
Leni Breymaier, MdB