Frage an Laszlo Riedl von Ralf S. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Riedl,
eine momentan sehr öffentlichkeitspräsente (und populäre) Forderung der FDP ist die Aussetzung der allg. Wehrpflicht.
Dass die allg. Wehrpflicht eigentlich gar nicht mehr rechtlich legitimiert ist, zeigen erst jüngst wieder Urteile von Landesgerichten (veränderte sicherheitspolit. Lage der BRD; ungerechte Einberufungspraxis...). Das Bundesverfassungsgericht "drückt" sich um eine klare Aussage hierzu. Es dürfte auch längst klar sein, dass wir mit einer Freiwilligenarmee (finanziell, dem Auftrag gerecht; inhaltlich) viele Vorteile nutzen könnten - ohne das unverzichtbare System der inneren Führung und der Einbindung der Armee in die Bevölkerung aufzugeben.
Ich arbeite beruflich mit Zivis. Die aktuell bundesweit existierenden 110.000 Zivistellen sollten arbeitsmarktneutral sein - sind es häufig aber nicht. Die Notwendigkeit der Zivis in ihren Einsatzstellen (v.a. Pflege) darf nicht als Argument gegen die Aussetzung der Wehrpflicht gelten. Dennoch interessiert mich, wie Sie die Folgen eines Wehrpflichtausstiegs v.a. auf das Gesundheitssystem einschätzen? Wie kann ein dem Zivildienst ähnliches Freiwilligensystem ausgebaut (es gibt bundesweit z.B. mehr BewerberInnen auf ein FSJ als es Einsatzstellen gibt!) werden? Wie können die durch den wegfallenden Zivildienst entstehenden Personallücken im Pflegebereich geschlossen und auch finanziert werden?
Ich freue mich auf Ihre Einschätzung und eine Rückmeldung hierzu.
Sehr geehrter Herr Sauer,
ich teile ihre Ansicht, dass die Wehrpflicht sicherheitspolitisch nicht mehr notwendig ist. Ansonsten hätten unsere europäischen Verbündeten nicht bereits den Schritt zur Freiwilligenarmee vollziehen können. Der Auftrag der Bundeswehr hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges dramatisch verändert.
Auch teile ich ihre Ansicht zur mangelnden Wehrgerechtigkeit, wenn nur noch ein Drittel eines Jahrgangs alle männlichen Jugendlichen überhaupt einen Dienst tun müssen, ist dies höchst ungerecht. Denn gerade in der Phase der Ausbildung und des Starts ins Berufsleben bedeutet für viele der Dienst nur verlorene Zeit. Gleichzeitig das vergleichsweise hohe Alter unserer Berufseinsteiger beklagen und für die Wehrpflicht votieren halte ich für schizophren.
Aber zum Kern ihrer Frage: Wie sie richtig anmerken, sind viele Zivi-Stellen nicht arbeitsmarktneutral, dass heißt durch den Einsatz von Zivis fallen reguläre Arbeitsplätze weg. Somit ergäbe sich im Sozialbereich ein positiver Beschäftigungseffekt durch den Wegfall des Zivildienstes. Gleichzeitig werden natürlich auch Mittel (Zivis kosten ja auch Geld!) frei um bestehende freiwillige Hilfsdienste wie das FSJ sowohl quantitativ als auch qualitativ auszubauen. Hier sind ja auch kreative Lösungen möglich um jungen Menschen einen befristeten Einsatz im Sozialbereich schmackhaft zu machen, etwa durch bevorzugte Vergabe von Studienplätzen. Insgesamt ist zwar zeitweise mit höheren Kosten zu rechnen, aber wir bekommen dafür auch anstelle von zum Dienst verpflichteten jungen Männern, motivierte freiwillige Helfer und mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigtes Fachpersonal. Der Wegfall des Zivildienstes ist also auch für den Pflegebereich durchaus verkraftbar, wenn die bisher für den Zivildienst verwendeten Mittel in die Förderung von regulärer Beschäftigung und die Honorierung von freiwilligen Helfern umgeschichtet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Laszlo Riedl