Frage an Lars-Jörn Zimmer von Daniel R. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Zimmer,
ich schließe meine Frage an die von Herrn Friemel an.
Die Fusion von Bitterfeld-Wolfen brachte viel Ärger und Unmut gerade in den Ortsteilen Wolfen und Thalheim, weil die Mehrheit der Bürger dagegen war, im Fall Thalheim sehen wir nun zu Recht!
Wie bewerten sie die Vorkommnisse in Ihrer Stadt diesbezüglich, was hätte man evt. besser machen können? Bitte beachten Sie dabei, die Folgen, die diese Vorgehensweise rund um den Fusionsprozess hervorgebracht haben! Damit meine ich vor allem die in Ihrer Heimatstadt ins bodenlose gefallene Wahlbeteiligung. Zur Bundestagswahl unter 48% und zur OB-Stichwahl keine 25,3%. Im Ortsteil Wolfen gar 18,x%. Worin sehen sie denn die Ursachen für dieses Desinteresse, was in ihrer Stadt wohl ganz besonders ausgeprägt zu sein scheint? Ist hier nicht die Missachtung des Bürgerwillens schuld?
Wie sehen sie denn die Bürgermeinung allgemein, welchen Stellenwert hat diese für Sie?
Zum Thema Volksbegehren haben sie sich für eine Mindestbeteiligung ausgesprochen. Ich als Bürger kann nicht verstehen, wenn ein Bürgerbegehren mit 70% Ablehnung scheitert, weil nur 23,77% aller Wahlberechtigten nein sagen und nicht wie gefordert 25%. Gleichzeitig wird in ihrer Stadt eine OB gewählt mit einer Wahlbeteiligung von 25,3% und wenn man diese Stimmen auf alle Wahlberechtigten umgerechnet ist sie von etwas mehr als 14% der Bürger gewählt. Diese Logik verstehe ich nicht!
Wenn bei der Bundestagswahl über 50% zu hause bleiben, müsste man sich doch als Politiker, vor allem wenn man wie Sie als Berufspolitiker auf allen Ebenen im Parlament sitzt, mal sehr viele Gedanken machen warum das so sein könnte! Kommen die Sorgen der Bürger, die es ja bei solch hoher Wahleinthaltung offensichtlich geben muss, bei den Politikern nicht mehr an? Macht es Sie als Politiker nicht nachdenklich, wenn in einer Kommune, die laut Herrn Böhmer die Wiege der Demokratie sind eine solche Verdrossenheit herrscht?
Mit freundlichem Gruß
Daniel Roi
Sehr geehrter Herr Roi,
die zurückgehenden Wahlbeteiligungen beschäftigen viele Demokraten, so auch mich. Ich versuche auch durch ständiges vor Ort sein und Medieninformationen, Gespräche und Veranstaltungen u.a. Politik zu vermitteln.
Die Ursachen sind allgemein vielschichtig und einfache Antworten gibt es nicht.
Die Veränderungsmöglichkeiten reichen von einer Diskussion über das Wahlsystem, über die Mechanismen in der Antragsbearbeitung und dem Zusammenspiel zwischen Rat und Verwaltung bis hin zur Einbindung der Bürgerinnen und Bürger und deren Information und Informationsinteresse und die Rolle der Medien.
Was soll ein Bürger davon halten, wenn die eine Partei eine bestimmte Tatsache als den absoluten Heilsbringer und eine andere als Teufelzeug beschreibt. Nach wenigen Wochen ist das alles vergessen und eine neue Sau wird mit großem medialen Spektakel durchs Dorf getrieben – so die Situation bei Bundesthemen. Die Wahlenthaltung ist, wenn überhaupt, dann nur zu einem geringen Teil mit lokalen Problemen zu erklären.
Wahr ist aber leider auch, dass sich viele Bürger erst mit einer Sache beschäftigen, wenn sprichwörtlich schon die Bagger anrücken, und nicht, wenn die Vorhaben in Ausschüssen und Räten diskutiert und jedem per Amtsblatt ins Haus geschickt werden. Eine bessere Öffentlichkeitsarbeit ist aber auch für jeden Mandatsträger und jede Verwaltung hieraus ergebend angebracht.
Bitterfeld-Wolfen ist da keine Ausnahme und ich teile Ihre Meinung nicht, das im Fall Thalheim die vorgebliche Mehrheit zu Recht gegen die große Stadt war.
Es gibt hier auch keine Missachtung des Bürgerwillens, denn in allen Ortsteilen gab es dazu Befragungen und Diskussionen. Die Stadt- und Gemeinderäte haben schließlich auf einer klaren Rechtsgrundlage endgültig und richtig entschieden. Was mitunter fehlt ist die Bereitschaft Einzelner oder bestimmter Gruppierungen, Mehrheitsentscheidungen auch zu akzeptieren. Wenn eine Niederlage nicht verkraftet und deshalb Jahre danach noch Unfrieden gestiftet wird, kann das nicht als allgemeine Bürgermeinung verkauft werden.
Die gemeinsame Stadt ist ein wichtiger Erfolg, wenn auch einige Details aus heutiger Sicht hätten anders gelöst werden können.
Insofern halte ich es für contraproduktiv, den einen oder anderen Stadtteil als Verlierer darzustellen. Es gibt sicherlich ortsteilbezogene Probleme, diese sind aber gemeinsam lösbar, mit dem Willen aller.
Zur Frage der Mindestbeteiligungen muss ich zunächst auf die Rechtslage verweisen. Daran haben sich alle zu halten. Wir haben als CDU-geführte Landesregierung im übrigen Mindestbeteiligungen an die demographische Entwicklung angepasst.
Wenn es bei Bürgerbegehren keine Minderheitsbeteiligung gäbe, dann könnte jede Gruppierung mit ihrem Klientel eine solche Aktion starten und damit völlig undemokratische Entscheidungen gegen die Mehrheit herbeiführen. Das ist ein völlig anderes Feld als die Wahlen, die nach festen Fristen und Regeln von verantwortlichen Verwaltungen offiziell organisiert und kontrolliert durchgeführt werden.
Insofern hätte ich Sie gern in einer meiner vielfältigen Veranstaltungen und Gesprächsrunden begrüßt und bitte Sie nunmehr zur Wahlbeteiligung aufzurufen statt allgemeine Politiker- und Systemkritik zu üben.
Mit freundlichen Grüßen
Lars-Jörn Zimmer