Frage an Lars Dietrich von Ronald B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
bezug: UN-Millenniumsentwicklungsziele
Sehr geehrter Herr Dietrich,
Ihr besonderes Engagement - sei es im persönlichen Bereich (Stichwort Sport) als auch im Allgemeinen - ist bemerkenswert.
Gleichwohl - das von Ihnen verwandte Paradigma "Meine Spende kommt an, indem ich 80 Euro für einen Brunnen in Afrika aufwende" (o-Ton von Ihnen) ist lobenswert, jedoch kontraproduktiv, ... wenn nicht tödlich.
Das karitative Paradigma ist out. "Hilfe" als Reparatur für grundlegende Mißstände funktioniert nicht, sondern desavouiert Eigeninitiative.
Sie sprechen von Bewußtseinswandel. Gleichzeitig höre ich von Ihnen keinerlei Modelle oder unterstützende Strukturen für einen Bewußtseinswandel in Hamburg.
Schauen Sie einmal, was weltweit bewegt werden kann, wenn Gelder katalytisch eingesetzt werden - ohne das Hilfeparadigma anzuwenden.
Mit einem Drittel der Tamm-Museums-Stiftung als Jahresbudget könnten Sie dies bewegen siehe www.das-hunger-projekt.de oder www.thp.org.
Wie werden Sie in Zukunft in Hamburg katalytisch vorgehen?
Welche Modelle für eine engagierte Gesellschaft werden Sie favorisieren? Wo wird die Politik nicht nur Eigeninitiative einfordern, sondern Eigeninitiative fördern und stärken? Was sind ihre katalytischen Ansätze in Hamburg?
Mit lieben Grüßen
Ronald Bartram
Sehr geehrter Herr Bartram,
herzlichen Dank für Ihre Frage zum Thema UN-Milleniumsentwicklungsziele. Leider konnte ich Ihnen nicht früher antworten und bitte Sie um Nachsicht.
Grundsätzlich kann ich Ihnen zustimmen, dass Eigeninitiative in allen gesellschaftlichen Bereichen ein Schlüssel zum Erfolg ist. Die Änderung von grundlegenden Strukturen durch einen Paradigmenwechsel in der Gesellschaft ist dabei unerlässlich.
In der Entwicklungshilfe aber von "in" und "out" zu sprechen und direkte Hilfen für die Aufarbeitung von Missständen als Möglichkeit der Entwicklungshilfe zu negieren, halte ich für nicht angebracht. Um einen Bewusstseinswandel zu erreichen benötigen wir einen langen Atem und viel Überzeugungskraft. Würden wir hier die direkten Hilfen "als Reparatur für grundlegende Missstände", wie Sie es bezeichnen, aussetzen, wäre den notleidenden Menschen sicherlich nicht oder zu spät geholfen. Die Flutopfer in Indionesien und die direkte Hilfe der Hamburger Stiftung Asienbrücke sind zwei wenn auch unterschiedliche, aber gute Beispiele.
Auch ist die Stiftung Asienbrücke ein Beispiel für die von Ihnen geforderte engagierte Gesellschaft, die Förderung von Eigeninitiative, aber auch für die Kombination aus direkter Hilfe und katalytischem Ansatz. Wir fordern die Eigeninitiative in den Industrienationen, speziell natürlich in Deutschland und mit der Stiftung Asienbrücke in Hamburg, aber wir fördern und stärken die Eigeninitiative in den Entwicklungsländern. Dies weist die Satzung der Stiftung Asienbrücke auch explizit aus. Und genau an diesem Ansatz werden wir in Hamburg auch weiterhin arbeiten.
Zu Ihrer Frage, wie die Politik Eigeninitiative in Hamburg grundsätzlich fördert und stärkt, kann ich Ihnen folgende Information geben:
Seit 2003 Landesinitiative "Hamburg engagiert sich" (gemeinsam mit dem Aktivoli-Netzwerk)
August 2005:
Kampagne "Hamburg braucht Helfer" der BfI, mit der mehr Ehrenamtliche für den Katastrophenschutz gewonnen werden sollen.
Dezember 2005:
Neues Stiftungsgesetz für Hamburg verbessert die Rahmenbedingungen für bürgerliches Engagement. So viel Freiraum und Bürgernähe wie möglich, so wenig Kontrolle wie nötig: Das sind die Kernpunkte des neuen Gesetzes. Es sieht eine stärkere Berücksichtigung des Stifterwillens, die Reduzierung der Aufsicht über privatnützige Stiftungen und ein internetgestütztes Stiftungsverzeichnis vor. Erstmals gibt es auch Regelungen für kirchliche Stiftungen. Das Gesetz konzentriert sich auf das Wesentliche und verzichtet auf entbehrliche Regelungen.
Juni 2006:
In Kooperation zwischen der "Gesellschaft Harmonie von 1789" und der Stiftungsaufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg soll künftig alle zwei Jahre der neue "Hamburgische Stifterpreis" vergeben werden. Er ist mit 10.000,- dotiert. Mit dem "Hamburgischen Stifterpreis" sollen Stiftungen ausgezeichnet werden, die sich in besonderem Maße auf kulturellem, sozialem oder anderem Gebiet um die Belange des Gemeinwohls verdient gemacht haben.
Juni 2006:
Kulturbehörde organisiert ehrenamtliches Engagement im Kulturbereich und richtet zentrale eine Anlaufstelle ein für Institutionen, die Helfer suchen, und Menschen, die mithelfen wollen. Gemeinsam mit dem Netzwerk "start art Hamburg!", an dem sich neben der Kulturbehörde die Hamburgische Kulturstiftung, die Handelskammer Hamburg sowie die "Zeitspender" und die "Freiwilligenbörse auf Draht" - Mitglieder des AKTIVOLI-Netzwerks - beteiligen, soll das Thema Ehrenamt in der Kultur auf allen Ebenen stärker gefördert werden
September 2006:
Hamburger Nachweis über bürgerschaftliches Engagement: schriftliche Bestätigung über die freiwillige Tätigkeit und die erworbenen Kompetenzen, die ehrenamtliche Engagierte z.B. bei Bewerbungen verwenden können.
Januar 2007:
FHH hat Haftpflichtversicherung für Ehrenamtlich Tätige rückwirkend ab 15.8.2006 abgeschlossen, die in kleinen und rechtlich unselbständige Gruppen, Initiativen und Projekten tätig sind.
Für Ihre Frage möchte ich mich nochmals bedanken und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Lars Dietrich MdHB