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Lars Castellucci
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Frage von Gernot M. •

Halten Sie den Referentenentwurf zur amtsangemessenen Besoldung ebenfalls für verfassungswidrig?

Wohnkosten werden anhand der Mietenstufe des WoGG ermittelt. Der Entwurf begründet das wie folgt: "Eine an den Wohnsitz des Alimentationsberechtigten anknüpfende Abstufung der Mindestalimentation ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar (vgl. BVerfG, ebd. [Rn. 61]). Daher stellt der Gesetzentwurf zur realitätsgerechten Ermittlung der Wohnkosten auf die unterschiedlichen Mietenstufen der WoGV, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes der Wohngeldempfängerinnen und -empfänger zugeordnet sind, ab" (vgl. S. 56).
Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch solche Bemessungen als sachwidrig betrachtet und im direkten Vorfeld der Rn. 61 der Bundesregierung ins Stammbuch geschrieben: "Eine Übernahme der in den Existenzminimumberichten angewandten Methode kommt nicht in Betracht.“ Eine weitere Betrachtung des Gesetzentwurfs erübrigt sich von daher eigentlich bereits. Der Entwurf nimmt an zentraler Stelle eine evident sachwidrige Bemessung vor.

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Sehr geehrter Herr M.,

bei dem von Ihnen angesprochenen Entwurf handelt es sich um einen Referentenentwurf aus dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI). Das heißt, dass nun die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung und die Beteiligung der interessierten Verbände erfolgt. Insofern ist davon auszugehen, dass der Entwurf in den nächsten Wochen und Monaten noch an zahlreichen Stellen geändert werden wird. Erst dann wird der Entwurf dem Bundestag zugeleitet, so dass dieser aktiv werden kann. Auch dann wird es sicherlich weitere Änderungen geben.

Zu einigen Punkten dennoch schon jetzt eine kurze Einschätzung:

Das BMI betritt mit dem Entwurf Neuland und versucht, den beiden Beschlüsse des BVerfG aus 2020 gerecht zu werden. Die vom BMI ab Seite 48 des Entwurfs angeführte verfassungsrechtliche Begründung lässt sich gut nachvollziehen. Ob ein entsprechendes Gesetz verfassungsgemäß wäre, müsste gegebenenfalls das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Bis dahin muss der Entwurf erstmal Gesetzeskraft erhalten haben

Kern der Änderung soll sein, eine amtsangemessene Alimentation der Beamten zu verwirklichen, indem das vom BVerfG definierte Mindestabstandsgebot der Alimentation zum Grundsicherungsniveau gewahrt wird.

Das Ziel des Entwurfs soll erreicht werden, indem die Einstiegsgrundgehälter im einfachen und mittleren Dienst angehoben werden sollen. Außerdem sollen die Beihilfebemessungsgrundsätze auf 90 Prozent (Kinder) bzw. 70 Prozent (Beihilfeberechtigte) angehoben werden. Und schließlich soll ein alimentativer Ergänzungszuschlag (AEZ) eingeführt werden, der sich an den Mietenstufen der Wohngeldverordnung orientiert. Dadurch sollen die regional sehr unterschiedlichen Wohnkosten bei der amtsangemessenen Alimentation berücksichtigt werden. Auch der Familienzuschlag der Beamtenversorgung in NRW orientiert sich am Wohngeld.

Somit sieht der Vorschlag des BMI drei Instrumente vor, mit denen eine amtsangemessene Alimentation der Bundesbeamten gewährleistet werden soll. Das Rechenbeispiel auf den Seiten 56 und 57 des Entwurfs zeigt für eine verbeamtete Person in der untersten Besoldungsgruppe (A4, Stufe 5) mit dem Wohnort München (Mietenstufe VII), dass das Ziel des Mindestabstands von 15 Prozent zum Grundsicherungsniveau mit den vorgeschlagenen Instrumenten erreicht würde.

Wichtig ist der Hinweis des BMI im Entwurf, dass die Referenzwerte der Grundsicherung vom BMI entwickelt wurden, weil das Zweite Sozialgesetzbuch keinen einheitlichen Pauschalbetrag für das Grundsicherungsniveau in Deutschland vorsieht. Mit anderen Worten: Es existiert kein Referenzwert für das Grundsicherungsniveau anhand dessen das BMI den Mindestabstand berechnen könnte. Insofern wird im weiteren Gesetzgebungsprozess, insbesondere in der Anhörung des Innenausschusses, zu prüfen sein, ob die Berechnungen des BMI der Realität und dem Verfassungsrecht standhalten. Deshalb ist der Hinweis des BMI auf Seite 59 wichtig, dass der AEZ anlassbezogen bei Änderung eines der Vergleichsberechnung zugrundliegenden Berechnungsfaktoren (nach Inkrafttreten) überprüft werden soll. Dadurch blieben Änderungen in der Zukunft möglich. Allerdings ist noch festzustellen, wer wann bei welchem Anlass nach welchem Verfahren den AEZ anpasst.

Sie können davon ausgehen, dass der Innenausschuss des Deutschen Bundestags den Entwurf ganz genau prüfen wird, sobald er uns vorliegt – vor allem auch im Hinblick darauf, ob die vom BVerfG festgelegten Vorgaben erfüllt werden.

Freundliche Grüße

Lars Castellucci

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