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Lars Castellucci
SPD
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Frage von Yiyuan Z. •

Frage an Lars Castellucci von Yiyuan Z. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Wie soll Deutschland seine China-Politik gestalten? Wie kann Deutschland China helfen bei ihrer Demokratisierung?

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Antwort von
SPD

Guten Tag und vielen Dank für die Frage.

China ist ein riesiges Land mit 1,3 Mrd. Menschen, einer jahrtausendealten Kultur und einem atemberaubenden Entwicklungstempo, in dessen Verlauf eindrucksvolle Erfolge nicht nur bei der wirtschaftlichen Modernisierung, sondern auch beim Kampf gegen Armut sowie bei Bildung und Ausbildung gelungen sind.

Sein wirtschaftlicher und politischer Aufstieg hat China zu einem herausragenden regionalen und globalen Player gemacht. Chinas Außenpolitik ist zwar selbstbewusster geworden; auch hat China eine große Zahl von UN-Konventionen gezeichnet und ratifiziert. Dennoch reagiert das autoritäre Regierungssystem äußerst empfindlich, wenn Kritik an seiner Politik und an Menschenrechtsverletzungen geübt wird. Meist wird die Kritik als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ abgewehrt. Dies wurde besonders deutlich in seiner Haltung gegenüber Tibet, wo es im Frühjahr 2008 zu massiven gewaltsamen Auseinandersetzungen kam.

Trotz seiner rasanten wirtschaftlichen Erfolge, die Millionen von Bürgerinnen und Bürgern ein besseres Leben ermöglichen, stehen einzelne Regionen Chinas immer noch auf dem Stand eines Entwicklungslandes. Die globale Finanzkrise droht viele Erfolge zu unterlaufen, die Armut zu verstärken und vielen der etwa 200 Mio. Wanderarbeitern die Existenzgrundlage zu entziehen. Die Umsetzung der gesetzlichen Verbesserungen der oftmals menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen ist ebenfalls gefährdet.

China hat zwar den UN-Sozialpakt, die UN-Kinderrechtskonvention und die Konvention gegen die Diskriminierung von Frauen ratifiziert, nicht aber den UN-Zivilpakt und die ILO-Konventionen. Die Verfassungsänderung von 2004 verpflichtet zwar den Staat zur Achtung und zum Schutz der Menschenrechte, stellt jedoch die Geltendmachung der Menschen-rechte unter Gesetzesvorbehalt. Da entsprechende Gesetze häufig (noch) fehlen bzw. vorhandene Gesetze in der Praxis nicht umgesetzt werden, führt dies weiterhin zu vielfachen Menschenrechtsverletzungen insbesondere im Bereich der Freiheitsrechte. Die gravierendsten Probleme sind:

• Todesstrafe: In keinem Land der Welt werden mehr Menschen hingerichtet als in China. Laut ai wurden 2007 1860 Todesurteile verhängt und 470 vollstreckt. Viele der 68 Delikte, für welche die Todesstrafe verhängt wird, sind keine Gewaltverbrechen.

• Justizsystem: Die größten Probleme sind die nicht garantierte Unabhängigkeit von Gerichten und Rich-tern sowie die Administrativhaft, bei der Menschen ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert und willkürlicher „Umerziehung durch Arbeit“ ausgesetzt sind. Nach offiziellen Angaben gibt es 300 Umerziehungslager, nach Angaben der US-NGO Laogai Research Foundation sind es über 1000 Lager mit 4 bis 6 Mio. Gefangenen. Folter durch Sicherheitskräfte ist weit verbreitet.

• Meinungsfreiheit: Menschenrechtsverteidiger und Regimekritiker wie z.B. die Unterzeichner der „Charta 08“ werden häufig schikaniert, unter Hausarrest gestellt, wegen Subversion angeklagt und zu hohen Haftstrafen verurteilt. Auch die Zahl inhaftierter Journalistinnen und Journalisten ist hoch. Die Medien sind fast vollständig in Staatsbesitz; das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit ist stark eingeschränkt. Das Internet, das von über 200 Mio. Menschen genutzt wird, wird politisch gefiltert. Auch ausländische Anbieter wie Yahoo und Google haben sich bedauerlicherweise mit den Anforderungen der staatlichen Kontrollen arrangiert.

• Umgang mit Minderheiten: Nicht offiziell registrierte christliche Glaubensgemeinschaften werden schi-kaniert und bedroht, ihre Versammlungen gestört. Absolut verboten sind auch die Teile der Falun Gong-Bewegung, die sich als Religion verstehen. Auch ihren Anhängern drohen häufig Umerziehungslager oder lange Haftstrafen. Trotz des vefassungsmässig verankerten Minderheitenschutzes leiden vor allem Tibeter und Uiguren an Repressalien. Ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung, Religions- und Versammlungsfreiheit sind erheblich eingeschränkt. Die chinesische Regierung sieht in der Forderung nach kultureller und religiöser Autonomie insbesondere der Tibeter, die den Dalai Lama als spirituelles Oberhaupt betrachten, eine Bedrohung der staatlichen Einheit. Auch die 8. Dialogrunde zwischen China und den Vertretern des Dalai Lama im Nov. 2008 verlief ergebnislos und wurde von Regierungsseite als gescheitert erklärt. Auch den muslimischen Uiguren werden teilweise separatistische Aktivitäten unterstellt. Unter dem Vorwand des Anti-Terror-Kampfes wird massiv gegen sie vorgegangen.

Die Situation hat sich in folgenden Bereichen verbessert:

• Todesstrafe: Seit Januar 2007 werden Todesurteile vom Obersten Gerichtshof überprüft. Obwohl es keine offizielle Statistik gibt, soll die Zahl der verhängten und vollstreckten Todesurteile zurückgegangen sein. Eine öffentliche Diskussion um die Rechtfertigung der Todesstrafe hat begonnen.

• Justizsystem: China bemüht sich um Reformen im Justizwesen. Einen Beitrag dazu leistet seit 2003 der deutsch-chinesische Rechtsstaatsdialog, dessen Schwerpunkt für das Arbeitsprogramm 2008/2009 die Gesetzgebungsberatung bei zentralen Strukturgesetzen im Zivil-, Verwaltungs-, Staats- und Strafrecht bildet. Praktischer Teil des Rechtsstaatsdialogs sind Kontakte mit Berufsgruppen im Justizwesen, vor al-lem mit Rechtsanwälten und Notaren, und die Fortbildung von Richtern. Weiterer Programmpunkt ist der Austausch über rechtsstaatliche und transparente (Finanz-)Verwaltung, auch zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und Korruption. Zum Rechtsstaatsdialog gehört auch der bilaterale Menschenrechtsdialog, der auf zivilgesellschaftlicher Grundlage (FES und chinesische Partnerorganisationen) den EU-Menschenrechtsdialog mit China ergänzt. Hier werden mit zunehmender Offenheit menschenrechtliche Probleme diskutiert und breiteren Kreisen der chinesischen Öffentlichkeit unterbreitet.

• Meinungsfreiheit: Die individuellen Freiräume der Bürger haben sich in den letzten Jahren erweitert; im privaten Bereich ist freiere Meinungsäußerung als früher möglich. Über moderne Massenkommunikationsmittel, insbesondere über das Internet, gibt es eine größere Informationsvielfalt und Zugang auch zu kritischen Medien. Dies fördert die Herausbildung einer Zivilgesellschaft und ein wachsendes Rechtsbe-wusstsein in der Bevölkerung (s. öffentliche Elternproteste beim Milchpulver-Skandal oder nach dem Einsturz von Schulen beim großen Erdbeben im Mai 2008).

Menschenrechtspolitik der SPD gegenüber China

Die SPD anerkennt neben der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Modernisierung auch die großen Erfolge, die China bei der Bekämpfung der Massenarmut und der Verbreitung qualifizierter Bildung erreichen konnte. Die SPD weiß, dass ohne China und sein Eintreten für Menschenrechte eine menschenrechtsorientierte globale Gesellschaftsordnung nicht möglich ist. Sie orientiert sich deshalb an einer für beide Seiten vorteilhaften strategischen Partnerschaft mit regelmäßigen Dialogmechanismen, bei denen auch kritische Themen an-gesprochen werden. Der deutsch-chinesische staatliche Rechtsstaats- bzw. Menschenrechtsdialog wurde 2003 durch den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder initiiert und durch die damalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin ins Leben gerufen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung begann den ergänzenden zivilgesellschaftlichen Menschenrechtsdialog mit den chinesischen Partnern im selben Jahr, um die notwendige Öffnung und Breitenwirkung der Menschenrechtsthematik zu fördern.

Die SPD sieht in diesen Dialogen ein erfolgversprechendes Modell, das auf langfristige strukturelle Verbesserungen angelegt ist. Diese eher unspektakuläre Menschenrechtspolitik wird von der Öffentlichkeit allerdings wenig wahrgenommen. Die SPD muss deutlich machen, dass eine auf Show-Effekte angelegte Außen- und Menschenrechtspolitik kontraproduktiv ist und weder der Stärkung der Menschenrechte noch den betroffenen Menschen dient. Menschenrechtspolitik muss „mit Entschiedenheit, langem Atem und Klarheit“ betrieben werden - so Steinmeier beim SPD-Parteitag in Hamburg. Dabei ist es wichtig, die jeweils spezifischen Möglichkeiten von Regierung und Zivilgesellschaft zu nutzen und die Wirkung zu verstärken. Klar allerdings ist, dass Verletzungen der Menschenrechte, insbesondere die Verhaftung von Dissidenten und Menschenrechtsverteidigern, auch weiterhin nachdrücklich öffentlich kritisiert werden müssen.

Mit freundlichen Grüßen

Lars Castellucci

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