Kurt-Dieter Grill
CDU
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Frage von Jürgen W. •

Frage an Kurt-Dieter Grill von Jürgen W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Meine Fragen zum Thema Arbeit:

1. Warum ist die CDU gegen einen gesetzlichen Mindestlohn, den es bereits in 18 von 25 EU-Staaten gibt (ohne Einschränkung der Tarifautonomie) und der in GB seit 1999 für 1 Mio. zusätzliche Arbeitsplätze gesorgt hat?

2. Ist es nicht ein Widerspruch, das die CDU die Tarifautonomie mit der Änderung des BetrVG faktisch zerschlagen will und gleichzeitig eine funktionierende Tarifautonomie als Begründung gegen einen gesetzlichen Mindestlohn verwendet?

3. Warum will die CDU ein weiteres Kombilohn-Modell einführen, da bereits am 01.01.2005 ein Kombilohn-Modell mit dem SGB II eingeführt wurde
(siehe §§ 11 und 30 SGB II)?
Soll es ein Kombilohn-Model im Kombilohn-Modell des SGB II geben?
Was macht das für einen Sinn?

4. Kann die CDU mit objektiven Statistiken oder Gutachten belegen, das mit einer Reduzierung des Kündugsschutzes neue Arbeitsplätze entstehen?

5. Warum setzt sich die CDU nicht für eine gesetzliche Begrenzung der Überstundenzahl in Arbeitszeitkonten ein, die laut der Bundesagentur bis zu 1 Mio. neuer Arbeitsplätze schaffen könnten?
1,5 Mrd. Überstunden = ? neue zusätzliche Arbeitsplätze?

6. In D. arbeiten derzeit 7,8 Mio. Vollzeitbeschäftigte (von ca. 23,1 Mio. Vollzeitbeschäftigten) im Niedriglohnsektor, die in vielen Fällen einen gesetzlichen Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II haben (auch wenn diese Ansprüche noch nicht beantragt wurden, weil vielen Niedriglohnbeziehern die Vorschriften des SGB II unbekannt sind).
Wie will die CDU in Zukunft die wahrscheinlich immer höheren Kosten für notwendiges ergänzendes Arbeitslosengeld II finanzieren?

7. Warum will die CDU den internationalen Rechtsanspruch (der Arbeitnehmer) des Art. 4, Abs. 1 der ESC nicht in nationales Recht umsetzen?
Warum setzt die CDU noch immer auf einen Niedriglohnsektor, der seit 15 Jahren in den NBL nicht zu "blühenden Landschaften" geführt hat?

Danke für die konkreten Antworten!

Mit freundlichen Grüssen

Jürgen Wörmer

Antwort von
CDU

Sehr geehrte Herr Wörmer,

haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen, zu den ich wie folgt Stellung nehme:

Zu 1:
Die Union will Lohndumping gezielt bekämpfen; sie macht dazu in ihrem Regierungsprogramm eine klare Aussage. CDU und CSU wollen aber keinen gesetzlichen Mindestlohn. Wir bekennen uns zum Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen und zum Entsendegesetz, wollen es aber nicht auf alle Branchen ausdehnen.

Ein staatlich festgesetzter Mindestlohn kann die Beschäftigungsaussichten gerade Geringqualifizierter verschlechtern und die ohnehin skandalös hohe Massenarbeitslosigkeit weiter erhöhen. Deshalb spricht aus unserer Sicht einiges dafür, ein angemessenes Einkommen für bestimmte Personengruppen nicht durch einen staatlich festgesetzten Lohn, sondern durch eine Kombination aus Arbeits- und Transfereinkommen sicherzustellen.

Zu 2:
Wir bekennen uns zur verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie und halten den Flächentarifvertrag für sinnvoll. Wir wollen aber betriebliche Bündnisse für Arbeit rechtlich absichern. Wir sind davon überzeugt, dass eine kontrollierte Dezentralisierung der Tarifpolitik auch der Verbandsflucht entgegenwirken kann. Hier besteht kein Widerspruch mit der zu Punkt 1 geäußerten Position.

Zu 3:
Alle Bemühungen müssen auf eine Verbesserung des Klimas für Wachstum und Beschäftigung gerichtet sein. Wir setzen auch auf Kombilöhne, also auf eine Kombination aus Arbeits- und Transfereinkommen. Über die genaue Ausgestaltung wird noch zu reden sein.

Zu 4:
Tatsache ist: Deutschland hat rund 5 Millionen registrierte Arbeitslose. Das ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein trauriger Rekord. Alle Maßnahmen der rot-grünen Bundesregierung in den zurückliegenden 7 Jahren haben diese Entwicklung nicht nur nicht stoppen können; wir haben heute mehr Arbeitslose als im letzten Jahr der Regierung Kohl.

Angesichts dieser Lage können wir die Augen nicht davor verschließen, dass andere Länder mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wesentlich erfolgreicher waren, weil sie ihren Arbeitsmarkt viel weniger durch Vorschriften und Regulierungen gängeln. Inzwischen ist es soweit gekommen, dass das deutsche Kündigungsschutzrecht zwar denjenigen schützt, der einen Arbeitsplatz hat. Es verbaut aber denen eine Chance auf neue Beschäftigung, die einen Arbeitsplatz suchen. Ähnlich ist es mit dem Tarifrecht: es stülpt den Betrieben Regelungen über, die im Ergebnis die Beschäftigung gefährden, statt sie zu sichern.

Die CDU tritt deshalb dafür ein, den Kündigungsschutz zu flexibilisieren. Wer Arbeit hat, behält seinen Kündigungsschutz. Wer Arbeit sucht, erhält neue Chancen: Für Neueinstellungen soll das Kündigungsschutzgesetz in Betrieben bis zu 20 Beschäftigten ausgesetzt werden. In anderen Betrieben wird er für Neueinstellungen erst nach zwei Jahren wirksam. Das führt zu dem Effekt, dass insbesondere kleinere Betriebe eher bereit sein werden, bei Auftragsspitzen neue Kräfte einzustellen statt in größerem Ausmaß Überstunden anzuordnen.

Wir wollen ferner betriebliche Beschäftigungsbündnisse rechtlich absichern. Es ist besser, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer örtliche, vom Tarifvertrag abweichende Lösungen finden dürfen, die zur Rettung von Betriebsstandorten und Arbeitsplätzen führen, als wenn sie durch Tarifverträge gezwungen werden, einen Konkurs in Kauf zu nehmen.

Zu 5:
Bitte beachten Sie dazu unsere Position zu Punkt 4.

Zu 6:
Für das Arbeitslosengeld wollen wir, dass diejenigen, die lange Beiträge gezahlt haben, auch länger das Arbeitslosengeld bekommen. Beim ALG II ist den regionalen Besonderheiten bei den Lebenshaltungskosten Rechnung zu tragen. Eine Erhöhung des ALG II ist aufgrund der von Rot-Grün zu verantwortenden katastrophalen Situation des Bundeshaushalts dagegen nicht zu finanzieren.

Zu 7:
Mindestlöhne haben sich vor allem für Jugendliche als massiv beschäftigungsfeindlich herausgestellt und verhindern die Aktivierung eines funktionsfähigen Niedriglohnsektors.
Wer gesetzliche Mindestlöhne fordert, gefährdet die Arbeitsplatzchancen für all diejenigen Arbeitssuchenden mit einer geringen Produktivität und leistet der Verlagerung von Beschäftigung ins Ausland weiter Vorschub. Dies wäre der falsche Weg.

Angesichts der höchsten Arbeitslosigkeit seit über 70 Jahren und der geplanten Verlagerungen von weiteren 150.000 Arbeitsplätzen bis Ende 2007 ins Ausland müssen alle Maßnahmen unterbleiben, die Beschäftigung verhindern und den Arbeitsmarkt weiter zementieren.
Wir brauchen endlich „Vorfahrt für Beschäftigung“. Dazu zählen insbesondere die Senkung der Steuer- und Abgabenlast, eine beschäftigungsfördernde Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die Aktivierung des Niedriglohnsektors sowie eine Entlastung von Bürokratieauflagen vor allem in den kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Unser Fahrplan gegen Lohndumping und für mehr Beschäftigung in Deutschland im Überblick:

- Einheitliche gesetzliche Mindestlöhne werden abgelehnt.

- Die Bundesregierung muss alle bestehenden Instrumente einsetzen, die dazu beitragen, Missbrauch und Lohndumping zu bekämpfen und damit faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten.

- Um eine seriöse Entscheidung fällen zu können, muss Rot-Grün umgehend eine fundierte und belastbare Datengrundlage in einem „Lohndumping-Bericht“ vorlegen, in der die regionalen, branchenspezifischen und beschäftigungspolitischen Ausmaße des Lohndumpings und des Missbrauchs von EU-Recht in Deutschland dargelegt werden.

- Daneben muss eine seriöse und umfassende Analyse der Auswirkungen der „1-Euro-Jobs“ auf reguläre, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze sowie mögliche Verdrängungseffekte erfolgen.

- Sollte sich trotz des umfassenden Einsatzes aller existierenden Instrumente zur Missbrauchbekämpfung und nach der Analyse des „Lohndumping-Berichts“ der Bundesregierung ein akuter Handlungsbedarf ergeben, müssen alle Möglichkeiten der Politik ohne Denkblockaden geprüft werden, um die bestehenden Probleme zu lösen. Das schließt die Prüfung mit ein, das Arbeitnehmerentsendegesetz auch auf andere Branchen auszudehnen.

- Gleichzeitig ist die Bundesregierung aufgefordert, durch die Senkung der Steuer- und Abgabenlast, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sowie eine Bürokratie-Entlastung vor allem der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Voraussetzung für mehr Wachstum und mehr Beschäftigung in unserem Land herzustellen.

Dazu zählt auch eine konstruktive Debatte über die Einführung von Kombi-Löhnen zur Aktivierung des Niedriglohnbereichs.

Mit freundlichen Grüßen
Kurt-Dieter Grill MdB