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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Uwe C. •

Warum sind Sie und Ihre Partei gegen Demokratie von unten nach oben, denn Sie lehnen ja Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild ab?

Sie (18.1.2923 im Bundestag) und Ihre Partei reden sicher zu Recht bei jeder Gelegenheit von Demokratie und demokratischen Parteien.
Warum lassen Sie dann nicht Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild in Deutschland zu, denn Sie lehnen diese ja bei und ab?
Wenn sich in der Schweiz, egal auf welcher Ebene, eine Mehrheit bei Volksabstimmungen für oder gegen etwas findet, dann muß dieser mehrheitliche Wille des Volkes von den Regierenden jeder Ebene auch umgesetzt werden! Die Hürden, um diese Volksabstimmungen durchzuführen, sind gar nicht so hoch.
Der von Ihnen favorisierte Bürgerrat in Deutschland hat bei weitem nicht diese Möglichkeiten! Es werden nur ganz wenige Bürger nach ihrer Meinung gefragt, ohne Einfluß auf das Ergebnis zu haben..
Haben Sie Angst vor Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild bei uns?
Wollen Sie Gesetze/Verordnungen gegen den mehrheitlichen Willen der Bürger durchdrücken?
Warum sind Sie also gegen eine Demokratie von unten nach oben, wie in der Schweiz möglich ?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Herr C.

vielen Dank für Ihre Frage und das in ihr zum Ausdruck kommende Interesse an meiner politischen Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut. Entschuldigen Sie bitte zugleich, dass ich erst heute zur Beantwortung komme. 

Die Ampelkoalition streitet für eine lebendige Demokratie. Um diesem Ziel gerecht zu werden, haben wir nicht nur zahlreiche Projekte zur Stärkung unserer Demokratie im Koalitionsvertrag verankert, sondern in dieser Wahlperiode auch schon mehrere Vorhaben konkret umgesetzt: Von der Wahlrechtsreform und dem Wahlrecht für EU-Wahlen ab 16 Jahre über das neuen Einbürgerungsrecht und das Gesetz zur Tätigkeit parteinaher Stiftungen bis hin zur Reform des Lobbyregisters und Neuerungen bei der Parteifinanzierung – um nur einige der vielen gesetzlichen Neuregelungen zu nennen.

Für uns ist dabei auch klar: Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die Demokratie und stärken die Repräsentanz. Bürgerräte sind in unserer Demokratie eine ganz neue Form der Beteiligung. Sie bringen vielfältige Perspektiven in den politischen Meinungsbildungsprozess ein. 160 geloste Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland diskutieren intensiv ein bestimmtes Thema und legen dem Bundestag Handlungsvorschläge vor. 

Der Bürgerrat schafft, was viele andere Partizipationsformen in Deutschland nicht erreichen: Er bildet unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Querschnitt der Menschen in Deutschland ab. Denn während bei Wahlen, auf Parteiveranstaltungen oder in der klassischen Kommunikation mit den gewählten Abgeordneten oft bestimmte Bevölkerungsgruppen überrepräsentiert sind, spiegelt der Bürgerrat durch das zweistufige Losverfahren die Struktur der Bevölkerung in der Bundesrepublik besser wider. Dabei ermöglich der Bürgerrat den Teilnehmenden auch, ihre Ideen ohne die bestehenden Zwänge der Politik frei zu diskutieren. So wird ein Diskussionsraum für innovative Vorschläge, die es unter den gegebenen Bedingungen des Parlamentarismus vielleicht nie auf die Agenda schaffen würden, geschaffen. 

Gleichzeitig wird durch eine professionelle Moderation und wissenschaftliche Begleitung sichergestellt, dass die Empfehlungen der Bürger*innen Probleme zielgerichtet adressieren und angemessene Lösungsvorschläge dafür skizzieren. Der Bürgerrat ist damit durchaus ein echter Gewinn für unsere Demokratie, denn er bringt die Meinung der Menschen näher an das Parlament und verschafft den Bürgerinnen und Bürgern Gehör.  Er ermöglicht vielfältige Diskussionen, ohne die Legitimation des Parlaments einzuschränken, das über die Umsetzung der Empfehlungen des Bürgergutachtens entscheidet.

Der erste Bürgerrat "Ernährung im Wandel" hat im vergangenen Jahr die Arbeit aufgenommen und seine Empfehlungen bereits im Januar vorgestellt. Die ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich ernsthaft und detailliert mit dem Thema Ernährung beschäftigt. Die neun Forderungen weisen das Parlament darauf hin, welche Probleme die Bürgerinnen und Bürger im Alltag erleben und wie ihrer Meinung nach darauf reagiert werden soll. Zwischen dem, was wissenschaftliche Beiräte empfehlen, was der Deutsche Bundestag bereits umsetzen und was wir mit der Ernährungsstrategie und den Empfehlungen des Bürgerrates planen, gibt es eine beachtlich hohe Schnittmenge. Jetzt ist es wichtig, die Ergebnisse des ersten Bürgerrats in den Ausschüssen und im Parlament zu diskutieren. Zugleich sind die Vorbereitungen für den zweiten Bürgerrat bereits in vollem Gange. Damit hat die Koalition nicht nur das zentrale Vorhaben des Koalitionsvertrags im Bereich Bürgerbeteiligung in die Tat umgesetzt, sondern setzt auch ein starkes Zeichen für eine innovative und vielfältige Bürgerbeteiligung in Deutschland.

Doch gleichzeitig gebe ich Ihnen Recht: Der Handlungsbedarf zur Stärkung unserer Demokratie bleibt hoch. Dabei denke ich etwa daran, dass wir endlich ein Demokratiefördergesetz verabschieden müssen, um einen Rahmen für zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und eine vielfältige Gesellschaft zu schaffen. Auch das digitale Gesetzgebungsportal, über das einsehbar ist, in welcher Phase sich Vorhaben befinden, muss endlich kommen. Genauso ein Bundestransparenzgesetz. Darauf habe ich erst diese Woche noch einmal hingewiesen: https://www.presseportal.de/pm/58964/5815657.

Das sind nur einige der vielzähligen Projekte zur Stärkung unserer Demokratie, für deren konsequente Umsetzung ich mich auch in Zukunft einsetzen werde.

Beste Grüße nach Holzhausen!

Konstantin v. Notz 

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