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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Rainer L. •

Frage an Konstantin von Notz von Rainer L. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Dr. von Notz,
wie ist Ihre Meinung zum bedingungslosen Grundeinkommen?

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Locke

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Locke,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage vom 6. März 2015 zum Bedingungslosen Grundeinkommen, die ich im Folgenden gerne beantworten will.

Wie Sie wissen, beschäftigt sich meine Partei seit Jahren intensiv mit der Thematik und der Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen. Die Grüne Jugend unterstützt die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens bis heute.

Klar ist: Das Arbeitslosengeld II wird den Anforderungen an Existenzsicherung und menschenwürdige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht gerecht. Aus unserer Sicht muss es daher grundlegend reformiert und überarbeitet werden.

Als Bundespartei haben wir uns, nach äußerst intensiven Debatten und nachdem sich einzelne Landesverbände für die Prüfung der Einführung verschiedener Modelle eines Bedingungslosen ausgesprochen hatten, im November 2007 für die Idee der „Grünen Grundsicherung“ entschieden, welche eine Reihe von Elementen eines Grundeinkommens aufgreift, wie beispielsweise die schrittweise Einführung eines Grundeinkommens für Kinder (bedingungslose Grundsicherung), die Einführung eines sogenannten Ökobonusses (ein Grundeinkommen finanziert aus Ökosteuern) und ein temporäres Grundeinkommen (Brückenexistenzsicherung), ebenfalls eine umfassende Reform des bisherigen Systems bedarfsgeprüfter Transfers und eine Erhöhung des ALG II sowie einen Verzicht auf Sanktionen, die dazu führen, dass das Einkommen unter das Existenzsicherungsniveau sinkt, vorsieht. Das Konzept der grünen Grundsicherung umfasst also Teilhabegarantien und Elemente einer Existenzsicherung.

Die Entscheidung für und das Festhalten an der Grundsicherung fiel immer wieder durchaus knapp aus. Die Debatte um die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens und möglicher Alternativen führen wir auch vor diesem Hintergrund daher weiterhin äußerst intensiv. Wie beschrieben favorisieren wir derzeit ein Modell der (grünen) Grundsicherung. Hierzu heißt es in unserem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013, mit dem ich mich auch weiterhin sehr gut identifizieren kann:

„Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist ein entscheidendes Auffangnetz. Diese Grundsicherung muss neben der materiellen Absicherung auch die Möglichkeit der soziokulturellen Teilhabe an unserer Gesellschaft sicherstellen. Die Würde des Menschen ist und bleibt Maßstab unserer Politik. Trotz jahrelanger Kritik an der Berechnung des Arbeitslosengeld II-Regelsatzes hat die Regierung Merkel nicht reagiert und hierfür im Jahr 2010 die Quittung durch das Bundesverfassungsgericht erhalten.

Wir wollen den Regelsatz für Erwachsene auf 420 Euro erhöhen und jährlich überprüfen, ob er noch angemessen ist. Diese Neuberechnung wollen wir im Dialog mit den Sozialverbänden umsetzen. Die Berechnung muss verfassungskonform gestaltet werden. Das heißt zum einen, die sogenannten verdeckt Armen und kleinen Aufstocker (Zuverdienst bis 100 Euro) aus der Bezugsgruppe, die Maß- stab für die Regelsatzberechnung ist, herauszunehmen. Und zum anderen, die wichtigsten Ausgabenpositionen einzubeziehen, die für Teilhabe und Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen wichtig sind und auch durchschnittliche Energiekosten abdecken. Zudem muss der Regelbedarf 2014 auf Basis der neuen statistischen Daten an Inflation und Lohnentwicklung angepasst werden. Damit die Anhebung des ALG II finanzierbar ist und um zu verhindern, dass immer mehr erwerbstätige Menschen durch Armutslöhne ergänzend ALG II beziehen müssen, gehört die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns unabdingbar zu einer reformierten Grundsicherung dazu. Wir setzen darauf, dass wir durch einen Mindestlohn Geld einsparen, so dass wir einen Teil der ALG-II-Erhöhung damit gegenfinanzieren können. Das bürokratische Bildungs- und Teilhabepaket hat zur Folge, dass viele Kinder ihren verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Bildung und Teilhabe nicht wahrnehmen können. Wir wollen das unsinnige Bildungs- und Teilhabepaket abschaffen. Stattdessen wollen wir als ersten Schritt zur Kindergrundsicherung die Kinderregelsätze erhöhen sowie in die Bildungs- und Teilhabeinfrastruktur investieren.

Wir wollen beim ALG II die Grundlage der Berechnung umstellen von der Bedarfsgemeinschaft hin zur individuellen Existenzsicherung. Das Prinzip der Bedarfsgemeinschaften benachteiligt vor allem Frauen und zementiert ihre finanzielle Abhängigkeit. Diese Umstellung geht zwar nicht von heute auf morgen, doch wir werden den Wechsel hin zur individuellen Existenzsicherung in der kommenden Legislaturperiode anpacken und mit konkreten Schritten einleiten. Das gilt auch für AsylbewerberInnen. Deshalb schaffen wir das Asylbewerberleistungsgesetz ab, überführen ihre Ansprüche ins SGB und beenden die unwürdige Gutscheinpraxis. Die Sanktionen für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II sind meist demütigend, unnötig und kontraproduktiv. Die verschärften Sanktionen für Menschen unter 25 Jahren, die bis zur Obdachlosigkeit führen können, wollen wir unverzüglich abschaffen. Die von Schwarz-Gelb durchgesetzte Anrechnung des Elterngeldes auf das Arbeitslosengeld II benachteiligt einkommensarme Familien. Bei der von uns angestrebten Neuordnung der familienpolitischen Leistungen wollen wir diese Ungerechtigkeit beseitigen und die Anrechnung des Elterngeldes wieder rückgängig machen. Unser Ziel ist eine Grundsicherung, die auf Motivation, Hilfe und Anerkennung statt auf Bestrafung setzt. Die Zahlung einer sozialen Grundsicherung soll weiterhin an die Bereitschaft geknüpft werden, der Gesellschaft etwas zurückzugeben und sich um eine eigenständige Existenzsicherung zu bemühen. In der Regel ist das die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz, Aus- und Weiterbildung oder Umschulung. Wir brauchen ein Wunsch- und Wahlrecht der Arbeitsuchenden in den Jobcentern, ein Verbandsklagerecht sowie Ombudsstellen, um Konflikte frühzeitig, unter Vermeidung von unnötigen und teuren Gerichtsverfahren und auf Augenhöhe zu lösen. Dazu wollen wir beispielsweise sicherstellen, dass Eingliederungsvereinbarungen nicht durch einen Verwaltungsakt ersetzt werden. Ein solches Prinzip der partnerschaftlichen Zusammenarbeit ist mit den heutigen Sanktionsregeln und -automatismen nicht vereinbar. Bis neue faire Regeln etabliert sind, fordern wir ein Sanktionsmoratorium.

Soziale Leistungen sind gutes Recht. Doch wer sie in Anspruch nehmen will, erlebt oft ein blaues Wunder: wenn Arbeitsuchende bei Fragen an das Jobcenter eine kostenpflichtige Telefonhotline anrufen müssen, um dann doch keine Auskunft zu erhalten; wenn die Pflegekasse ältere Menschen, die einen ambulanten Dienst brauchen, nicht ausreichend unterstützt; oder wenn die Krankenkasse die Anschlussbehandlung eines Patienten oder einer Patientin nach einem Schlaganfall hinauszögert. Diese Beispiele stehen exemplarisch für einen oft erlebten Umgang von Behörden und Sozialversicherungen mit ihren „Kundinnen und Kunden“. Die Rechte auf Beratung, auf angemessene Leistungen, auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bleiben dabei auf der Strecke. Wir wollen, dass die Menschen ihr Recht bekommen. Es ist an der Zeit, die Leistungsberechtigten bei der Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche zu stärken, auch durch ein Verbandsklagerecht und die Schaffung und Förderung ämterunabhängiger Beratungsstellen. Wir wollen die Idee einer finanziellen Basissicherung oder die einer negativen Einkommensteuer weiter diskutieren. Gerade in der Debatte um Grundsicherung und ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle muss es darum gehen, unsere Leitbilder von Gerechtigkeit und emanzipativer Sozialpolitik, die Bedeutung öffentlicher Institutionen und Finanzierbarkeit zu verbinden. Wir wollen diese Debatte in die Gesellschaft hineintragen.“

Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir uns für die Einrichtung einer Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag in der 18. Wahlperiode ausgesprochen. Diese Enquete-Kommission hätte sich, fernab des oftmals hektischen parlamentarischen Alltagsgeschäfts, intensiv mit der Idee und möglichen Grundeinkommens-Modellen sowie Konzepten zu deren Realisierung beschäftigen und externen Sachverstand in die eigene konzeptionelle Arbeit einbeziehen können. Leider wurde unsere Idee von den anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag nicht aufgegriffen.

Gleichzeitig kann ich Ihnen garantieren: Sowohl als Grüne Partei als auch als Bundestagsfraktion werden wir die Idee einer finanziellen Basissicherung oder die einer negativen Einkommensteuer weiter intensiv diskutieren. Gerade in der Debatte um Grundsicherung und ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle muss es darum gehen, unsere Leitbilder von Gerechtigkeit und emanzipativer Sozialpolitik, die Bedeutung öffentlicher Institutionen und Finanzierbarkeit zu verbinden.

Haben Sie, sehr geehrter Herr Locke, nochmals herzlichen Dank für Ihre Frage!

Mit freundlichen Grüßen nach Dresden!

Ihr Konstantin v. Notz

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