Wie steht Ihre Partei zu der Idee, die Sperrklausel bei Bundestagswahlen um eine Ersatzstimme zu ergänzen?
Sehr geehrter Herr Kuhle,
da Sie als Obmann der FDP in die letzte Wahlrechtskommission gewählt worden sind, möchte ich Sie fragen, wie denn Ihre Partei zu einer (klassischen) Ersatzstimme steht?
Damit ist nicht eine Ersatzstimme für Erststimmen gemeint, wie sie ja 2022 von Ihnen selbst in die öffentliche Debatte eingebracht worden ist. Vielmehr bezieht sich meine Frage auf eine Ersatzstimme für Zweitstimmen, mit welcher sich die negativen Auswirkungen von Sperrklauseln - die sowohl Wähler/innen wie auch Parteien jeder Größe treffen können - abmildern lassen.
Ich stelle Ihnen diese Frage, weil der Verein Abstimmung21 demnächst eine bundesweite Probe-Volksabstimmung zur Einführung einer Ersatzstimme starten wird, vgl.: https://abstimmung21-mitmachen.de/proposals/21
Damit wir im Abstimmungsheft angeben können, welche der im Bundestag vertretenen Parteien sich positiv, neutral oder negativ zur Ersatzstimme positionieren, würden wir uns über eine zeitnahe Antwort freuen. Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr B.,
die Idee, bei der Bundestagswahl neben der bisherigen Erst- und Zweitstimme eine Ersatzstimme einzuführen, um Überhang- und Ausgleichsmandate und damit eine massive Vergrößerung des Bundestages zu verhindern, geht auf einen Vorstoß meiner beiden Kollegen und mir als Berichterstatter der Ampel-Fraktionen für das Wahlrecht zurück (siehe https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ampel-koalition-will-mit-wahlrecht-reform-bundestag-verkleinern-18037826.html). Die Diskussionen im Parlament und in der Öffentlichkeit haben uns jedoch davon überzeugt, dass eine solche Lösung aufgrund ihrer Komplexität auf Akzeptanz- und Legitimationsprobleme stoßen würde. Deswegen haben wir im weiteren Verlauf der Verhandlungen über die Wahlrechtsreform von dem Vorstoß Abstand genommen und schließlich ein Wahlrecht beschlossen, bei dem es ebenfalls keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr gibt, das diesen Effekt jedoch über die so genannte Zweitstimmendeckung erreicht. Das bedeutet: Eine Partei erhält immer nur so viele Sitze, wie ihr nach der Zweitstimme zustehen. Ich freue mich, dass diese Reform gelungen ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Konstantin Kuhle