Frage an Konni Kanty von Achim G. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Hallo Konny
Du arbeitest genau wie ich im Bildungssektor und ich vermute, wir sind einer Meinung, dass unser Bildungssystem, das immer noch auf fächergetrennter Wissensvermittlung basiert, dringend reformiert werden müsste.
Wie stellst du und deine Partei dir (in groben Zügen) ein Bildungssystem vor, dass unsere Kinder sinnvoll und gezielt auf die gesellschaftlichen und persönlichen Bedürfnisse ihres zukünftigen Lebens vorbereitet.
Ich danke dir schon mal für deine Antwort
Achim
Vielen lieben Dank für die Frage.
Tatsächlich gibt es sehr große Probleme beim heutigen Bildungssystem in der Bundesrepublik, aber auch in vielen anderen Staaten der EU. Eins der größten Probleme ist tatsächlich der Mangel an Fachkräften in jedem Bereich des Bildungssektors. Die Arbeit wird für Viele immer unattraktiver - im Vergleich zur Inflationsrate steigen die Löhne auch nicht, sondern sinken in aller Regel sogar noch, die Arbeit wird vielschichtiger und aufwendiger, Stellen, gerade in Schulen, werden immer häufiger befristet, dafür wird immer weniger Zeit und Geld investiert. Immer mehr Kindergärten müssen sogar auf Finanzierung von privaten Unternehmen zurückgreifen, um Projekte und teilweise Baumaßnahmen finanzieren zu können. Das darf so nicht bleiben - wenn man an die Kinder und die Jugend denkt, geht es um die Zukunft unserer Gesellschaft.
Außerdem ist es wichtig, dass Kinder nicht nur für Noten und Tests lernen, sondern auch soziale Werte vermittelt werden - das geht nur, wenn Kinder lange gemeinsam, miteinander lernen und nicht ständig nach besseren und schlechteren Leistungen sortiert werden und wenn es genug pädagogisches Personal gibt.
Es gibt Initiativen wie "eine Schule für Alle", die ich für sehr unterstützenswert halte.
Außerdem halte ich es für eine der größten Ungerechtigkeiten, dass Kinder aus Akademikerhaushalten immernoch deutlich bessere Chancen haben gute Noten und Abschlüsse zu bekommen, als Kinder aus Arbeiterfamilien - Bildung muss bis ins Letzte kostenfrei sein und ob das Elternhaus entscheidend für die vorschulische, schulische und weiterführende Bildung ist, halte ich u.a. für einen Gradmesser, ob ein Bildungssystem gut oder schlecht ist.
Was ich zum Beispiel beim Bildungssystem der DDR gut fand (von dem sich ja einige skandinavische Bildungssysteme viel abgeschaut haben - heute sind die Spitzenreiter im Bildungs-Vergleich) ist der Versuch einen Ausgleich zwischen "Kopf" und "Hand" zu schaffen. Dass in der Schule nicht nur theoretisches Grundwissen vermittelt wird, sondern auch lebenspraktische Dinge. Das hatte einen erheblichen Einfluss auf die umfassende Bildung der Menschen in der DDR und hatte großen Einfluss auf die Gleichstellung von Mann und Frau in der sozialistischen Republik. Statistisch ist nachgewiesen, dass zb bis heute Frauen, die durchs Bildungssystem der DDR gegangen sind, ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen haben, als gleichalte Frauen aus den "alten Bundesländern". Sowieso waren kostenfreie Krippenplätze ab einem Jahr bis zur Ausbildung, Uni und Umschulung eine Selbstverständlichkeit für die DDR, ein wichtiger Beitrag dafür, dass Frauen sich von ihren Männern emanzipieren konnten.
Was ich außerdem heute für wirklich falsch erachte, ist das, was uns die Regierenden unter dem Label "Trägervielfalt" im vor allem im Elementarbereich verkaufen wollen. Private Träger von KiTas und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen können so auf Kosten des Staates/der Kommune ihre (nicht selten völlig absurden) Weltvorstellungen vermitteln. Bildung muss von Anfang bis Ende in Hand der Öffentlichkeit liegen und muss auf dem aktuellen pädagogischen Stand gehalten werden.
Ich hoffe ich konnte ein wenig umreißen, was mir in der Bildungspolitik wichtig ist. Falls es die Frage nicht beantworten sollte, gerne einfach nochmal schreiben.