Frage an Klaus-Peter Willsch von Frank K. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Willsch,
wie stehen sie zu dem aktuell verhandelten geplanten Freihandelsabkommen TTIP bezüglich des geplanten Investoren Schutz?
Vielen Dank für Ihre Antwort und schöne Ostern...
Sehr geehrter Herr Klüglich,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Investitionsschutz im Rahmen des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP. Gerne möchte ich Ihnen meine Position dazu vermitteln:
Investitionsschutz ist nicht grundsätzlich negativ, denn er garantiert Unternehmen, die im Ausland investieren wollen (z.B. eine Fabrik errichten wollen und damit Arbeitsplätze schaffen), dass ihre Investitionen dort gerecht und gleichberechtigt mit den Investitionen der nationalen Unternehmen behandelt werden. Dies schafft Rechtssicherheit und Berechenbarkeit, gerade auch für kleinere und mittelständische Unternehmen, die sich keine eigene Rechtsabteilung in einem fremden Land leisten können. Besonders diese Unternehmen sind auf ein kalkulierbares Verfahren angewiesen. Ausländische Unternehmen sehen sich vor amerikanischen Gerichten im Ernstfall mit sieben- bis achtstelligen Prozesskosten konfrontiert. Auch die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen der Unternehmen ist in den USA nicht immer gewährleistet, da im Rahmen eines Verfahrens vieles offengelegt werden muss. Zudem ist der Ausgang eines Prozesses mit einer Laienjury wesentlich unberechenbarer als in Deutschland.
Investitionsschutzabkommen stellen sicher, dass Länder weltweit für ausländische Direktinvestitionen attraktiv sind. Denn eine der größten Gefahren für Investoren in einem fremden Land besteht in indirekten Enteignungen (so z.B. Nicht-Anerkennung von Patenten, Verbote von Finanztransfers ins Heimatland, intransparente Vergabeverfahren). Deutschland hat Investitionsschutzregeln vor rund 50 Jahren erfunden und bereits mit rund 130 Staaten sogenannte Investitionsförderungs- und -schutzverträge abgeschlossen, darunter auch mit anderen EU-Mitgliedern. Bisher hat es auf dieser Basis nur drei Klagen gegen Deutschland gegeben. Keine Klage war bisher erfolgreich.
Die weltweit aktivsten Kläger auf der Basis von Investitionsschutzabkommen sind im Übrigen die Europäer und nicht - wie häufig unterstellt wird - die Amerikaner. So stammen die Kläger in 53 Prozent aller bekannten Verfahren aus der Europäischen Union. Demgegenüber wurden nur 22 Prozent aller Fälle von amerikanischen Klägern initiiert. Derzeit laufen z.B. vor dem Schiedsgericht in Washington (ICSID) mehrere Klagen von europäischen Ökostrom-Unternehmen gegen Spanien und Tschechien wegen der Kürzung der dortigen Ökostromförderung. Und sicher wird niemand in diesem Zusammenhang behaupten wollen, dass etwa die Stadtwerke München (die zu den Klägern in Washington gehören), die Demokratie in Spanien abschaffen wollen. Der Mythos, dass die Staaten im Rahmen von Schiedsgerichtsverfahren zumeist die Verlierer sind, wird ebenfalls durch die Statistik widerlegt. Von 274 ISDS-Fällen, die weltweit bis Ende 2013 abgeschlossen wurden, konnten die Staaten 43 Prozent für sich entscheiden. In weniger als einem Drittel (31 Prozent) der Fälle wurde zu Gunsten der klagenden Investoren entschieden.
Oft wird in diesem Zusammenhang auch auf die Causa Vattenfall verwiesen. Doch gerade dieser Fall zeigt, dass es bereits jetzt - ohne TTIP - für Unternehmen möglich ist, einen Staat zu verklagen (die Klage läuft auf der Grundlage eines vorhandenen Investitionsschutzabkommens, der Energiecharta). Dieses Beispiel zeigt, dass klarere Regeln zum Schutz von Investitionen im Rahmen von TTIP notwendig sind, die neue Standards in diesem Bereich definieren und damit Vorbild für zukünftige Investitionsschutzabkommen sein können.
TTIP bietet eine Chance zur Erneuerung des Investitionsschutzrechts, die wir ergreifen sollten. Insofern brauchen wir mehr Sachlichkeit in der Diskussion zum Investitionsschutz. Das heißt nicht, dass die geltenden Investitionsschutzverfahren nicht verbesserungswürdig sind. Insbesondere dürfen, dies ist nochmals ausdrücklich zu betonen, Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden. Darüber müssen und werden wir weiter mit unseren transatlantischen Partnern sprechen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Willsch MdB