Frage an Klaus-Peter Willsch von Volker M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Willsch,
in den vergangenen Jahren hat die Zahl der Nichtanwendungserlasse, mit denen das Bundesministerium der Finanzen unliebsame Entscheidungen des Bundesfinanzhofes auszuhebeln versucht, stark zugenommen.
Ein Pfeiler unserer demokratischen Grundordnung ist die Gewaltenteilung. Wenn sich aber die Exekutive mit derart massiv über die Judikative hinwegsetzt, wankt dieser Pfeiler. Ein solches Vorgehen ist m.E. auch nicht mit unserer Verfassung vereinbar.
In wieweit ist diese Vorgehnsweise dem Parlament bekannt, und was tut es dagegen?
Um einem Mißverständnis vorzubeugen: Es geht nicht um gelegentliche Nichtanwendungeserlasse, die im Einzelfall vielleicht sogar sinnvoll sind, sondern um deren Häufung.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben seit dem 1.Januar 2000 insgesamt 67 Anweisungen herausgegeben, in denen bestimmt wird, ein Urteil oder einen Beschluss des Bundesfinanzhofes nicht über den entscheidenden Einzelfall hinaus anzuwenden.
Diese Anweisungen verteilen sich wie folgt auf die einzelnen Jahre:
2000 7 Anweisungen
2001 6 Anweisungen
2002 8 Anweisungen
2003 5 Anweisungen
2004 2 Anweisungen
2005 6 Anweisungen
2006 5 Anweisungen
2007 10 Anweisungen
2008 6 Anweisungen
2009 7 Anweisungen
2010 5 Anweisungen
2011 0 Anweisungen
Bei aller berechtigten prinzipiellen Kritik an Nichtanwendungserlassen ist somit festzustellen, dass die Zahl der einschlägigen Fälle in den letzten Jahren nicht "deutlich angestiegen" ist.
Der Bundesfinanzhof hat seit dem 1.Januar 2000 insgesamt 4.069 zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Entscheidungen getroffen. Ein "Nichtanwendungserlass" erging somit nur in ca. 1,6 % der Fälle. Zwischenzeitlich wurden von den 67 "Nichtanwendungserlassen" bereits 23 Anweisungen wieder aufgehoben.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Willsch MdB