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Klaus-Peter Willsch
CDU
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Frage von Bernd P. •

Frage an Klaus-Peter Willsch von Bernd P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Willsch,

nach dem Anschlag in Norwegen werden wieder einmal Stimmen in der Union laut, die lauthals nach einer Vorratsdatenspeicherung rufen. Ihr Kollege Uhl sei hier stellvertretend genannt. Momentan steht in dieser Hinsicht ja ein Diskussionsentwurf bereit, der vom Justizministerium erstellt wurde. Genauer gehts um dieses hier: "Gesetzes zur Sicherung vorhandener Verkehrsdaten und Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften im Internet".

Ich bitte Sie, als Bürger Ihres Wahlkreises, diesen Diskussionsentwurf abzulehnen. Durch ein solches Gesetz wird wieder einmal unnützer Datenmüll geschaffen der nicht auswertbar ist. Des Weiteren wird jeder Bürger wieder einmal mehr verdachtsunabhängig überwacht.

Das Surfverhalten jedes einzelnen Bürgers beinhaltet sensible Daten. Zum Beispiel kann eine Person im Netz nach einer Suchtberatungstelle suchen, aber das würde durch den neuen Entwurf erfasst und die entsprechende Person möchte das nicht. Die Privatsspähre wird also untergraben. Ebenso ist die vom Bundesverfassungsgericht genannte Informationelle Selbstbestimmung durch dieses Vorhaben nicht mehr gewahrt. Es wäre also wieder einmal ein Gesetz, dass offen gegen das Grundgesetz verstößt. Wie die letzte Vorratsdatenspeicherung die letztes Jahr vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. Hier noch ein Link zum Bundesverfassungsgericht: http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg10-011

Ab einer bestimmten Größe müsste ein Internet Zugangsanbieter den kompletten Verbindungsnachweis speichern. Das würde auch Bibliotheken und Coffee-Shops betreffen. Diese müssen also mit zusätzlichen Kosten rechen und könnten einen Zugang nicht mehr kostenlos anbieten.

Ich frage Sie deshalb, aus den oben genannten Gründen, wie werden Sie sich bei der Diskussion und der entsprechenden Abstimmung verhalten und warum?

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Preißmann

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Preißmann,

vielen Dank für Ihre Anmerkungen in Ihrem Blog vom 26. Juli 2011, in dem Sie sich zur Diskussion um die gesetzliche Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung äußern.

Erlauben Sie mir zunächst, allgemein auf Folgendes hinzuweisen: Die Rechtspolitik bewegt sich im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld. Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.). Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden.

Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist ein Ermittlungsinstrument, das für die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten unabdingbar ist. In der Diskussion hierüber wird vielfach übersehen, dass bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten (Verkehrsdaten) zu Abrechnungszwecken speichern dürfen. Gesprächsinhalte dürfen insoweit nicht gespeichert werden. Über diese Daten haben die Telekommunikationsunternehmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung den Strafverfolgungsbehörden Auskunft zu erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten geht. Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft. Dieses Instrument der Verbindungsdatenabfrage hat sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen. Mit der stetigen Zunahme sogenannter "Flatratetarife", bei denen eine Speicherung von Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken durch die Telekommunikationsunternehmen nicht mehr erforderlich war, drohte es mehr und mehr seine Wirksamkeit zu verlieren. Die Möglichkeit, alleine durch Nutzung solcher Flatratetarife, Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren oder zu vereiteln, dürfte insbesondere der organisierten Kriminalität nicht verborgen geblieben sein. Deshalb war es erforderlich, eine entsprechende Speicherungsverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, unabhängig davon, ob diese Daten zu Abrechnungszwecken benötigt werden, gesetzlich festzulegen. Keineswegs geht es indes darum, jeden Internet- oder Telefonnutzer wie einen Straftäter zu behandeln.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 2. März 2010 auch nicht die Vorratsdatenspeicherung als solche, sondern nur deren konkrete Ausgestaltung für verfassungswidrig erklärt. Die gesetzgeberische Grundentscheidung, dass in bestimmten Fällen schwerwiegender Straftaten ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG möglich ist, hat es hingegen bestätigt. Es hat auch zugestanden, dass die Vorratsdatenspeicherung und der darauf gründende Verkehrsdatenabruf zur Aufklärung solcher Straftaten erforderliche und geeignete Ermittlungsinstrumente sind. Da das Gericht in seinen Urteilsgründen für die Korrektur der Regelungen klare Vorgaben gemacht hat, kann und muss aus Sicht von CDU und CSU zügig nachgebessert werden.

Die gegenwärtige Situation, in der die Vorratsdatenspeicherung zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr gar nicht mehr eingesetzt werden kann, halte ich für nicht hinnehmbar. Von den kritischen Kommentaren aus Fachkreisen sei hier nur auf die Stellungnahme des Bundes Deutscher Kriminalbeamter vom 02.03.2010 hingewiesen. Dort wird u. a. befürchtet, dass das Recht und der Anspruch des Bürgers, nicht Opfer einer Straftat zu werden, erheblich reduziert werden. Das Urteil schütze den Täter, der sich der elektronischen Kommunikation bediene. Auch der Deutsche Richterbund und die Generalstaatsanwälte aller Länder halten den gegenwärtigen Zustand für nicht länger tolerierbar. Schließlich hat auch der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, erst jetzt wieder betont, dass in Deutschland ohne die Vorratsdatenspeicherung eine reale Sicherheitslücke besteht, die schleunigst geschlossen werden muss. Wir sind als CDU/CSU-Fraktion nicht bereit, uns dem Vorwurf auszusetzen, durch gesetzgeberisches Unterlassen die Sicherheit der Menschen zu gefährden.

Zudem schreibt auch die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (Richtlinie 2006/24/EGdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt und verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG) die Vorratsdatenspeicherung vor. Diese Richtlinie verpflichtet alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, entsprechende innerstaatliche gesetzliche Vorschriften zu erlassen. Infolge des o.a. Urteils des Bundesverfassungsgerichts gibt es aber derzeit keine gültigen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie mehr. Die EU-Kommission hat Deutschland mit Schreiben vom 16. Juni 2011 daher für die Untätigkeit in dieser Sache nunmehr förmlich gerügt und die Bundesregierung aufgefordert, sich binnen zwei Monaten zu diesem Vorhalt zu äußern. Wir befinden uns damit unmittelbar vor einem Vertragsverletzungsverfahren, welches Deutschland teuer zu stehen kommen kann.

Die von der Kommission angekündigte Überarbeitung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung kann aus meiner Sicht ebenfalls kein Grund sein, mit der Umsetzung weiter zu warten. Darauf hat die Kommission sehr deutlich hingewiesen. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass das von der Justizministerin propagierte "Quick-freeze"-Verfahren kein geeigneter Weg ist und auch die Überarbeitung der Richtlinie nicht in diese Richtung gehen wird.

In der Hoffnung, Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Klaus-Peter Willsch MdB

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