Frage an Klaus Mindrup von Stefan D. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Mindrup,
ich wende mich an Sie, da ich an einer Baugruppe teilnehmen wollte, dort aber nicht zum Zuge kam. (Zur Erläuterung, falls Sie das nicht kennen: bei einer Baugruppe tun sich mehrere Familien zusammen und bauen sich ihr Haus selbst).
Nun stehe ich mit reichlich anderen Interessenten auf der Warteliste der Initiatoren und musste jetzt hören, dass das in Frage kommende Grundstück von den zuständigen Behörden an einen Investor vergeben wurde.
Da fragt man sich natürlich schon, warum Baugruppen nicht bedacht werden?
Was wollen Sie persönlich nach der Wahl für Baugruppen tun, von denen es im Kiez immerhin schon ein paar gibt ?
Da ich mir die Vorteile einer Baugruppe ( familienfreundliches, preiswertes, individuelles und ökologisches bauen) sehr wichtig sind, möchte ich sehr gerne bei einer Baugruppe mitmachen.
Vor allem könnte ich mir eine Wohnung vom normalen Markt nicht leisten.
Doch leider gibt es nach Aussagen der Initiatoren kaum Grundstücke, das ist wohl das einzige Problem.
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Sehr geehrter Herr Dehn,
herzlichen Dank für Ihre Frage. Selbstverständlich kenne ich den Ansatz von Baugruppen.
Das Grundstück auf das Sie sich beziehen, befindet sich wahrscheinlich in der Schwedter Straße, eine der ganz wenigen größeren Brachflächen in Prenzlauer Berg.
Eigentümerin bzw. Verkäuferin dieser Fläche war die BIMA - eine Tochtergesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Der Verkauf ist völlig unabhängig vom Bezirk oder vom Land Berlin erfolgt. Es gibt auch keinerlei Verpflichtungen, Bezirk oder Senat einzuschalten. Allerdings ist der Bezirk zuständig für das sanierungsrechtliche und bauordnungsrechtliche Genehmigungsverfahren. Das zur Zeit gültige Sanierungsziel für die betroffene Fläche sieht eine gewerbliche Nutzung und einen Spielplatz vor. Da dieses Sanierungsziel auf ein Projekt zugeschnitten war, das nicht umgesetzt werden konnte, hat das Bezirksamt ein Änderungsverfahren eingeleitet.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung strebt meines Wissens ein städtebauliches Gutachterverfahren zur Begleitung des Sanierungszieländerungsverfahrens an. In diesem Zusammenhang soll auch mit dem neuen Eigentümer ein Gespräch über die Integration von Baugruppen geführt werden. Genauere Informationen werde ich im Ausschuss für Stadtentwicklung im Bezirk erhalten, wo die Änderung des Sanierungsziels wahrscheinlich noch in der laufenden Wahlperiode behandelt werden wird. Wenn Sie mir eine Email schicken, informiere ich Sie gerne über den Termin. Er ist öffentlich.
Meines Erachtens muss man aus den bisherigen Erfahrungen lernen und das Thema grundsätzlicher angehen. Wir haben ein Defizit an kostengünstigen, familiengerechten Wohnungen in Prenzlauer Berg. Baugruppen und genossenschaftliche Projekte haben beide - bei allen Unterschieden - das Ziel und die Möglichkeit guten und kostengünstigen Wohnraum zu erstellen. Allerdings können Baugruppen mit "Normalverdienern" und Genossenschaften keine überzogenen Preise zahlen. Dies ist der große Unterschied zu Investoren, die auf Wertsteigerungen und Steuervorteile spekulieren.
Damit stellt sich die Frage, ob es Gründe gibt, Baugrundstücke vorrangig an Baugruppen und Genossenschaften zu vergeben. Diese Frage ist für mich klar mit "ja" zu beantworten. Familien werden vor Ort gehalten. Selbstnutzende Eigentümer und Genossenschaften haben eine wesentlich höhere Bindung an ihren Wohnstandort als reine Kapitalanleger. D.h. hier ist auch eine viel höhere Bereitschaft vorhanden, sich für seinen Kiez, sein Gemeinwesen einzusetzen. Dies sind die die "Bürgerinnen und Bürger", die in den Sonntagsreden immer erwähnt werden.
In der volkswirtschaftlichen Betrachtung haben diese Modelle auch große Vorteile. Kostengünstiger Wohnraum - möglichst mit hohem ökologischen und energetischen Standard - ist ein positiver Standortfaktor für Berlin! Außerdem wird das Kapital vor Ort gebunden und fließt nicht ab.
Ich weiß, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Zukunft Baugruppen stärker unterstützen will. Damit dies in der Praxis klappt, sollte meines Erachtens der Liegenschaftsfonds eingebunden werden, der nahezu alle vermarktbaren Grundstücke von Berlin in der Verfügung hat.
Wichtig ist, dass man eine hohe und breite Akzeptanz für Baugruppen schafft. Neben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sind der Bezirk und die Senatsverwaltung für Finanzen und die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen im sog. Steuerungsausschuss des Liegenschaftsfonds vertreten. Neben dem Aufsichtsrat fallen dort die grundsätzlichen Entscheidungen zur Vergabepolitik.
Ich bin gerne bereit nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus eine kleine Fachkonferenz auf den Weg zu bringen, um über Baugruppen, deren Vorteile und anzulegende Qualitätskriterien zu sprechen. Dabei kann man sich auch an Beispielen aus anderen Bundesländern - z.B. Hamburg und Baden-Württemberg orientieren.
Meines Erachtens brauchen wir in Berlin auch ein neues Selbstbewußtsein, nicht in erster Linie auf Lösungen und "Investoren" von außen zu setzen sondern auf die Menschen zu vertrauen, die hier ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.
Ich hoffe Ihnen mit dieser Antwort gedient zu haben und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Mindrup