Warum wollen Sie einen erfolgreichen Volksentscheid zur Enteignung umsetzen, haben den erfolgreichen Volksentscheid zur Offenhaltung vom Flughafen Tegel als Senat aber nicht umgesetzt?
Sie sagen im Tagesspiegel-Checkpoint vom 25.8.21 (https://nl.tagesspiegel.de/form.action?agnCI=875&agnFN=fullview&agnUID=D.B.C6Kw.BsKd.B8Uij.A.sJOa5a7zgaACWAAoKjhkjGMzZHuBcEy8KsnW6Vdo--UH9_xqCJmUkauOpoZmhS43fgUbPRXVUTECW98qnZWz3w&bezuggrd=CHP&utm_source=cp-kurzstrecke) zum anstehenden Enteignungs-Volksentscheid "Es ist eine demokratische Selbstverständlichkeit, dass ein Volksentscheid, wenn er erfolgreich war, auch umgesetzt wird."
Warum wollen Sie diesen Volksentscheid, wenn er die erforderliche Zustimmung erhält, wie angekündigt umsetzen, haben als Bürgermeister von Berlin aber nicht darauf hingewirkt, dass der erfolgreiche Volksentscheid zur Offenhaltung des Flughafen Tegel nach dieser Maßgabe ebenfalls umgesetzt wird?
Sehr geehrter Herr S.,
die beiden Volksentscheide "Tegel offen halten" und "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" haben eines gemeinsam: Beide hatten bzw. haben keinen konkreten Gesetzestext zum Thema, der bei einer erfolgreichen Abstimmung dann umgesetzt werden muss(te). Beide rufen den Senat von Berlin dazu auf, die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten, um das Ziel des Volksentscheids zu erreichen.
Dies war dem Berliner Senat bei Tegel aber aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Bedeutend hierbei war vor allem, dass das Land Berlin diese Frage gar nicht allein entscheiden konnte. Die Flughafengesellschaft, die den Weiterbetrieb hätte stemmen müssen, gehört neben Berlin auch noch dem Land Brandenburg und dem Bund. Und beide Anteilseigner haben einen Weiterbetrieb klar abgelehnt. Dazu kommt, dass die Verkehrsentwicklung an diesem Punkt durch die sogenannte gemeinsame Landesplanung von Berlin und Brandenburg mitbestimmt wird und auch diese Landesplanung komplett neu hätte geschrieben werden müssen, was einen langen Prozess in Gang gesetzt hätte, der dann unterschiedlichste Entwicklungsvorhaben in den Bereichen Verkehr und Bauen in beiden Bundesländern über Jahre auf Eis gelegt hätte. Nicht zuletzt wurde dem Senat durch Rechtsgutachten bescheinigt, dass ein rechtssicherer Weiterbetrieb eines zweiten Flughafens neben dem BER nicht sicher möglich sei.
Der Berliner Senat hat es sich hier nicht einfach gemacht, sondern nach fast eineinhalbjähriger gründlicher Prüfung festgestellt, dass eine Umsetzung des Volksentscheids nicht möglich sei.
Und falls es nun im September zu einer qualifizierten Mehrheit für "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" kommt, wird der neue Senat ebenfalls prüfen müssen, ob und wie eine Umsetzung funktionieren kann. Ich bin hier allerdings viel optimistischer als beim Tegel-Volksentscheid, denn das Land Berlin kann in diesem Falle für sich in seinem Zuständigkeitsbereich handeln und es liegen bereits konkrete Vorschläge vor, wie entsprechende Gesetzestexte aussehen könnten. Aber dennoch wird auch die Entwicklung eines Gesetzes zur Vergesellschaftung von Wohnraum eine große und aufwändige Aufgabe, zu der fachwissenschaftliche Debatten, Beteiligungsprozesse und jede Menge juristische Expertise gehören werden.
Insofern sehe ich keinen Spagat im Umgang mit beiden Volksentscheiden, denn der ist jedesmal der gleiche. Prüfen, ob es geht und danach mit gründlicher Arbeit und fachlicher Expertise ausarbeiten, wie es geht.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Lederer